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Tiere und Pflanzen

Umweltschäden durch gentechnisch veränderten Mais vorprogrammiert -

BN fordert Abkehr von agroindustrieller Weichenstellung durch Gentechnik

24.02.2010

„Die agroindustrielle Forschung setzt offenbar weiter auf transgene herbizid- und insektenresistente Pflanzen und läuft damit in eine tiefe Sackgasse“, kritisiert die Gentechniksprecherin des  Bundes Naturschutz in Bayern, Frau Dr. Martha Mertens, anlässlich der geplanten Freisetzungsversuche der Firma Pioneer Hi-Bred mit gentechnisch verändertem Mais. Die 10 verschiedenen transgenen Maislinien sollen zwar nicht mehr in Kitzingen-Hohenfeld, wohl aber in 01561 Zabeltitz-Uebigau, Sachsen, und 39393 Ausleben-Üplingen, Sachsen-Anhalt, von 2010 – 2014 freigesetzt werden. „Bei diesen Maislinien ist ein steigender Herbizideinsatz vorprogrammiert“, so Mertens, „und damit eine Gefährdung von Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität. Außerdem seien die möglichen gesundheitlichen Risiken der gentechnisch veränderten Maislinien unzureichend geprüft.

 

Den Rückzug vom Freisetzungsstandort Kitzingen Hohenfeld durch die Firma Pioneer wertet das Bündnis gegen Gentechnik in Kitzingen als Teilerfolg auf dem Weg zu einem gentechnikfreien Landkreis. Das Bündnis wehrt sich aber weiterhin gegen den Freisetzungsversuch der Firma Monsanto, der 2007 für 4 Jahre genehmigt wurde.  Das Bündnis wird deshalb  2010 seine Aufklärungsaktionen über die Risiken der Agrogentechnik und den zu erwartenden vermehrten Pestizideinsatz im Fall einer kommerziellen Zulassung, fortführen.

 

Eine auf transgene herbizid- und insektenresistente Pflanzen bauende Landwirtschaft ist nicht nachhaltig, sie gefährdet die Biodiversität, die Bodenfruchtbarkeit und die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die gentechnikfreie Produktion. Sie führt zu massiv erhöhtem Herbizideinsatz. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zum Schutz der Biodiversität verpflichtet, nimmt sie diese Verpflichtung ernst, dürfen Anbau und Freisetzung insekten- und herbizidresistenter Pflanzen in Deutschland nicht genehmigt werden.

 

Der BN fordert stattdessen die Fortführung der Pflanzenzüchtung  mit verbesserten konventionellen Methoden und die Ausrichtung der Sortenentwicklung auf die Ansprüche des ökologischen Landbaus, wie sie einige Züchtungsunternehmen ansatzweise schon betreiben.

Um die Fruchtfolgen in Unterfranken aufzulockern und eine nachhaltige Stickstoffversorgung aus dem Luftstickstoff mit Hilfe von Bodenbakterien vermehrt zu etablieren, fordern der BN und das Kitzinger Bündnis den Anbau von Sojabohnen und weiteren Körnerleguminosen. Mit der Ausweitung des Sojabohnenanbaus in Deutschland können die regionalen Märkte für gentechnikfreie Futtererzeugung aufgebaut und vergrößert werden. Mehrere Lebensmittelunternehmen arbeiten derzeit an der Ausweitung des Angebotes an Milch und Fleischprodukten, die mit dem “ohne Gentechnik“-Logo versehen sind. Für die Verbraucher wird damit – neben den Bioprodukten - bei konventionell hergestellten tierischen Lebensmitteln die Möglichkeit geschaffen, die Gentechnik auch im Tierfutter zu vermeiden.

 

In Deutschland werden derzeit Sojabohnen für die Tierfütterung eingeführt, die einer Produktionsfläche von 28.000 Quadratkilometer entsprechen (BUND 2008), was 40% der Fläche Bayerns entspricht. Die Tierfütterung in Deutschland müsse schrittweise wieder auf eine Eigenversorgung umgestellt werden, fordert der BN. Er geht davon aus, dass der Zukunftsmarkt für die heimische Landwirtschaft in der gentechnikfreien Lebens- und Futtermittelproduktion liegt. 

 

Für Rückfragen:

 

Marion Ruppaner, BN Landwirtschaftsreferentin

Tel. 0911-81878-20

Dr. Martha Mertens, BN Gentechniksprecherin, Tel. 089 - 580 76 93

BN Kitzingen, Manfred Engelhardt:Tel.  09321-24757

Hans Plate, Bündnis Kitzingen, Tel. 09326-902223

Frauen für die Vielfalt, Petra Haas–Weiglein, Tel.  09323 8042 67

 

Kritikpunkte am Freisetzungsversuch der Firma Pioneer

 

Der BN hält die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 16 GenTG für nicht gegeben, da eine Genehmigung zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) u.a. nur erteilt werden darf, wenn alle nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden und schädliche Einwirkungen auf Leben und Gesundheit von Menschen sowie die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen etc. nicht zu erwarten sind. Dies ist jedoch nach Bewertung des BN keineswegs der Fall.

 

1. Die Vorkehrungen gegen einen  Gentransfer bzw. die Auskreuzung auf benachbarte Maisbestände sind  unzureichend.

 

Es ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt, dass Maispollen über Hunderte von Metern verbreitet werden kann und dass eine 200 m breite Isolationszone nicht ausreicht, um den Eintrag in nicht-transgene Maisbestände auszuschließen. Als wirksame Isolationsabstände werden in der Literatur bis zu 1.000 m, abhängig von der Sorte, der Hauptwindrichtung und Saatgutkategorie vorgeschlagen. Luxemburg hat beispielsweise einen Mindestabstand von 800 m zwischen gentechnisch verändertem Mais und nicht-verändertem vorgegeben.

Im Antrag werden die Belange der Imkerei nicht berücksichtigt. Tragen Bienen Pollen von nicht zugelassenen Maispflanzen in den Honig ein, ist dieser nicht verkehrsfähig. Imker erleiden dadurch massiven wirtschaftlichen und ideellen Schaden und sehen sich genötigt, ihre Völker von derartigen Freisetzungsarealen abzuziehen, was von Imkerseite bereits angekündigt wurde. Fehlt die Bestäubungsleistung der Bienen, sind zahlreiche andere Kulturen (z. B. Raps, Obstbau, Garten- und Gemüsebau) von Minderertrag betroffen. Dies gilt auch für Privatgärtner. Zudem sind erhebliche negative Effekte auf die Biodiversität zu erwarten, da sehr viele Pflanzen – sei es in Gärten, öffentlichem Grün oder in der Natur auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen sind.

 

2. Herbizidresistenz führt zu erhöhtem Herbizideinsatz

 

Die von der Firma Pioneer zur Freisetzung beantragten Maislinien tragen in unterschiedlichen Kombinationen Resistenzgene gegen den Maiszünsler und Maiswurzelbohrer sowie gegen 3 herbizide Wirkstoffklassen, und zwar gegen Glyphosat-haltige Breitbandherbizide (Roundup), gegen Herbizide, die die pflanzliche Acetolactatsynthase (ALS) hemmen (ALS-Inhibitoren) sowie  gegen den Wirkstoff Glufosinat.. Die Nutzung herbizidresistenter Kulturpflanzen ist mit dem breiten Einsatz der entsprechenden Herbizide verknüpft. Intensiver Herbizideinsatz führt zur raschen Entwicklung herbizidresistenter Unkraut-Biotypen, denen in der Regel mit dem vermehrten Einsatz des gleichen Wirkstoffs oder weiterer Herbizide begegnet wird. So werden weltweit inzwischen 346 verschiedene Unkraut-Biotypen auf über 330 000 Feldern gezählt, die Resistenzen gegen einen oder mehrere herbizide Wirkstoffe tragen (www.weedscience.com). Allein für 108 Arten sind Biotypen mit Resistenz gegen ALS-Inhibitoren beschrieben und bereits für 17 Arten gibt es Glyphosat-resistente Biotypen. Der breite Glyphosat-Einsatz in USA und Südamerika hat innerhalb weniger Jahre zum massiven Auftreten von Glyphosat-resistenten Wildkräutern geführt, die nur schwer und mit hohen Kosten zu bekämpfen sind.

 

3. Bodenfruchtbarkeit und  Biodiversität durch Herbizideinsatz gefährdet

 

Glyphosat gelangt über die Applikation, behandeltes Pflanzenmaterial, Wurzelausscheidungen, Spraydrift und Abschwemmungen in Böden und Gewässer. Glyphosat bindet Spurenelemente im Boden sehr leicht und behindert deren Transport von den Wurzeln in die Pflanzen. Eine Unterversorgung der Pflanzen mit Mikronährstoffen wie Mangan kann zu  Ertragsrückgängen und erhöhter Anfälligkeit gegen Krankheiten führen. Glyphosat beeinträchtigt zudem nützliche Bakterien (z. B. Knöllchenbakterien) und fördert krankheitserregende Pilze wie Fusarien. So wurde in den USA bei Mais eine 3 bis zehnfach höhere Besiedelung der Wurzeln mit Fusarien festgestellt. Glyphosat und das formulierte Herbizid ist auch toxisch für zahlreiche Wasserorganismen, insbesondere Amphibien.

Dazu kommen die negativen Wirkungen der Beseitigung der Wildkrautflora als Nahrungs- und Lebensraum für Insekten und die darauf angewiesene Tierwelt in der Nahrungskette. Den in der deutschen Biodiversitätsstrategie angestrebten Zielen steht die Anwendung der Herbizidstrategie diametral entgegen. Auf all diese Aspekte wird in den Antragsunterlagen nicht eingegangen.

 

4. Insektengiftige Maispflanzen

 

Die in die Maispflanzen eingebrachten Bt-Toxine gefährden Nicht-Zielorganismen und werden in der Nahrungskette, etwa an Nützlinge, weitergegeben. Der Antragsteller gibt sogar zu, dass die genaue Wirkungsweise der Cry34Ab und Cry35Ab Toxine nicht geklärt ist. Bt-Toxine aus transgenen Pflanzen gelangen in Böden und Gewässer, wo sie nicht sofort abgebaut werden. Eintragspfade sind die aktive Ausscheidung über die Wurzeln, Ausbreitung von Pollen über große Distanzen (bis zu 2 km und mehr) und Einarbeitung oder Verbreitung von absterbendem Pflanzenmaterial.

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Es gibt zahlreiche potentiell betroffene Nicht-Zielorganismen. Gefährdet sind insbesondere Schmetterlinge, da sie empfindlich auf das gegen den Maiszünsler wirkende Cr1F Bt-Toxin reagieren und über Toxin-haltigen Pollen damit konfrontiert werden können. Pioneer verweist im Antrag zwar auf einige Tierarten, die angeblich auf ihre Empfindlichkeit gegen die in den transgenen Pflanzen gebildeten Bt-Toxine (Cry34Ab1/Cry35Ab1 und Cry1F) getestet wurden, bezieht sich jedoch u.a. auf in den USA vorkommende Arten. Studien mit europäischen Schmetterlings- oder Marienkäferarten scheinen nicht durchgeführt worden zu sein.

 

5. Sieben Transgene in einer Pflanze ohne Untersuchung der möglichen genetischen Wechselwirkungen

 

Die Ausprägung von Eigenschaften in einem Organismus ist neben den genetischen Anlagen (Genen) auch vom Umfeld abhängig. Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Transgenen, die u. U. die Aktivität anderer Gene beeinflussen, sind nicht auszuschließen, ebenso wenig Wechselwirkungen zwischen Bt-Toxinen und herbiziden Wirkstoffen. Der Antragsteller hat keine umfassenden, öffentlich zugänglichen Untersuchungen vorgelegt, die diesen Verdacht entkräften würden.

 

6. Alternativen zur gentechnischen Veränderung sind vorhanden

 

Es existieren erprobte Verfahren der guten fachlichen Praxis (insbesondere Fruchtfolge, Häckseln und Unterpflügen der Maisstoppeln, Maiszünsler-Monitoring, Nützlinge), um einen wirtschaftlichen Schaden durch einen Maiszünslerbefall zu minimieren, ohne die mit dem Einsatz transgener Maispflanzen einhergehenden ökologischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Risiken einzugehen. Weite Fruchtfolgen im Maisanbau sind nicht zuletzt aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes erforderlich. Zur Bekämpfung des Maiswurzelbohrers, der in den Freisetzungsregionen bislang nicht beschrieben ist, sind weite Fruchtfolgen ebenfalls sehr effektiv (Beispiel Schweiz). Auch wurden inzwischen gegen den Maiswurzelbohrer resistente Sorten entwickelt (http://www.agrarheute.com/index.php?redid=188254). 

 

7. Mögliche gesundheitliche Effekte

 

Die gentechnische Veränderung führt zum Einbau der Transgene nach dem Zufallsprinzip, Veränderungen der Einbaustelle und Integration überflüssiger DNA werden häufig beobachtet. Die daraus erwachsenden Veränderungen der Genaktivität können das Umweltverhalten der GVO aber auch ihre mögliche gesundheitliche Wirkung betreffen.

Die Angaben in den Anträgen zu möglichen gesundheitlichen Effekten beruhen in hohem Maße auf nicht-veröffentlichten Daten. Viele der Argumente und Schlussfolgerungen lassen sich somit von unabhängigen Wissenschaftlern nicht überprüfen. Zudem erlauben Studien zur akuten Toxizität mit vergleichsweise wenigen Tieren über maximal 90 Tage keine Aussagen zu chronischen Effekten oder solchen auf die Nachkommen. Auch Fütterungsversuche mit mikrobiell produzierten Proteinen sind nicht unbedingt aussagefähig, da die in den Pflanzen gebildeten Proteine den aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnenen Proteinen nicht entsprechen müssen und Effekte der Transformation nicht erfasst werden.

Auf etwaige Effekte der Behandlung mit Glyphosat und ALS-Inhibitoren wird nicht näher eingegangen. Entsprechende Rückstandsuntersuchungen fehlen. Dabei häufen sich die Studienergebnisse, wonach Glyphosat, sein Metabolit AMPA und das sehr häufig verwendete Formulierungsmittel Tallowamin POEA für menschliche Zellen toxisch sind. Vermehrt wurden Veränderungen der Chromosomen, Mitochondrien und Zellmembranen sowie die Fragmentierung von DNA beobachtet, auch wurde die mögliche Störung endokriner Funktionen nicht ausgeschlossen.

 

 

Quellenhinweise:

Die  BN Stellungnahme mit ausführlichem Literaturverzeichnis ist  auf Anfrage im Agrarreferat des BN erhältlich

Link zur Sortenentwicklung im Ökolandbau: (http://forschung.oekolandbau.de/Detailseite.39+M52d8f39c9e6.0.html)

Link zu Sojaanbau www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/landwirtschaft/20081104_landwirtschaft_soja_fleisch_agrosprit_studie_kurzfassung.pdf

Exkurs: Systematische Behinderung von Wissenschaftlern

 

Biotech-Unternehmen, darunter Pioneer, behindern  Wissenschaftler, die unabhängig ökologische Effekte transgener Pflanzen untersuchen wollen. Beliebte Verfahren sind laut Waltz (2009), das für Studien notwendige Untersuchungsmaterial unter Verweis auf den Patentschutz nicht herauszugeben, das Studiendesign zu kontrollieren, nur „agronomische Studien“ (und keine zu ökologischen Effekten) zu erlauben und Publikationen zu beschränken. Speziell im Fall einer Cry34Ab1/Cry35Ab1-Toxine bildenden Pioneer-Maislinie berichtet Waltz (2009), dass in von Uni-Wissenschaftlern durchgeführten Tests fast 100 % der mit dem transgenen Mais gefütterten Marienkäfer nach dem 8. Tag ihres Lebenszyklus starben – die Daten jedoch nicht veröffentlicht werden durften. Die zwei Jahre später in den USA erfolgte Zulassung der die gleichen Toxine bildenden Maislinie basierte offenbar auf Marienkäfer-Studien mit gereinigten Toxinen, die nur bis zum 7. Tag des Lebenszyklus verabreicht wurden bzw. auf Studien mit anders zubereitetem Futter. Dem anonymen von Waltz zitierten Wissenschaftler zufolge waren diese von Pioneer durchgeführten Studien fehlerhaft, durften aber von unabhängiger Seite nicht wiederholt werden.

(Waltz 2009. Under wraps. Nat Biotechnol 27, 880-883.)