Interview mit Peter Streck: Das Brüllen der Hölle – ein Großerlebnis
Im Interview: Dr. Peter Streck, langjähriger Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Regensburg, setzte sich lange für die Hölle ein. Gerade auch dank seines Engagements fließt heute wieder mehr Wasser durch das außergewöhnliche Naturschutzgebiet im Vorderen Bayerischen Wald.
Herr Dr. Streck, der Kampf um die Hölle ist zu einem Teil Ihres Lebens geworden. Was ist Ihr Bezug zu diesem Naturschutzgebiet? Gibt es irgendwelche besonderen Erlebnisse, die Sie damit verbinden?
Der größte Eindruck, den ich von der Hölle gehabt habe, war, als mir jemand, der dort draußen wohnt, Bescheid gesagt hat, dass jetzt Schneeschmelze ist, und wenn ich mal wirklich wissen wollte, warum es "Hölle" heißt, dann soll ich mal kommen. Und das habe ich auch gemacht, und es war in der Tat so, man hörte die Hölle, bevor man sie überhaupt gesehen hat. Die hat schon mehrere hundert Meter, bevor man in dem engeren Bereich angekommen war, gebrüllt, wirklich gebrüllt in einer Lautstärke, die man sich normalerweise mit dem Restwasser nicht vorstellen kann! Das war wirklich ein akustisches wie optisches Großerlebnis!
Wie lange dauert so diese Schneeschmelze?
Der größte Teil ist wohl nach so drei bis vier Tagen vorbei. Es fließt ja auch nicht alles ab, der Anlagenbetreiber möchte natürlich möglichst viel in seinem Reservebecken behalten, damit er damit Strom erzeugen kann. Das ist also nur das Wasser, das er selber nicht mehr speichern kann, das dann herunterkommt.
Erinnern Sie sich noch, wie Sie zum ersten Mal mit dem Thema Hölle in Berührung gekommen sind?
Ja, das war ein Anruf eines Anliegers, der dort in der Höllmühle gewohnt hat, der Dr. Eberhard Klein. Er hatte Unterlagen bekommen zu einem Verfahren, nämlich der Verlängerung der Genehmigung zur Erzeugung von Strom für die Firma Heider, und fragte an, ob wir davon wüssten, ob wir auch beteiligt seien – und wir hatten davon keine Kenntnis. Diese Kenntnis haben wir uns dann durch Nachfragen beim Landratsamt verschafft und haben dann auf Beteiligung gedrungen, die dann auch erfolgte.
Wann war das?
Im Jahr 2000. Die Genehmigung zur Erzeugung von Strom durch Wasserkraft bei den Kraftwerken II und III war allerdings 1989 und 1991 schon ausgelaufen. Das heißt, da waren schon rund 10 Jahre vergangen, bevor das Verfahren zur Verlängerung überhaupt offiziell eingeleitet wurde. In dieser Zeit konnte der Inhaber der Kraftwerksanlagen natürlich weiterhin Strom erzeugen, wenn auch ohne Genehmigung.
Die Geschichte der ungenehmigten Stromerzeugung, die reicht ja sehr weit zurück …
Ja, das fing schon an, als der Großvater des derzeitigen Eigentümers dieses Elektrizitätswerk in Wörth gegründet hat. Das war so um 1910 herum. Schon damals wurde die Genehmigung zum Betreiben einer solchen Anlage erst sechs Jahre später eingeholt, nachdem der Bau und die Inbetriebnahme schon erfolgt waren. Und das scheint wohl immanent zu sein: Diese Inbetriebnahme von Erweiterungen, von neuen Werken, und dann erst die anschließende Genehmigung ist viel öfter eingetreten. Da lagen zum Teil Jahrzehnte dazwischen, bevor die Genehmigung offiziell und rechtswirksam erteilt wurde.
Normalerweise würde man da ja erwarten, dass so etwas dann als Schwarzbau bestraft wird und dass ein Abriss verfügt wird. Gibt es eine Erklärung dafür, weswegen das Landratsamt Regensburg immer so milde war?
Man kann da nur spekulieren. Wir haben keine Beweise. Es müssen wichtige Personen gewesen sein, sowohl Großvater wie Vater wie auch Sohn, und ich nehme an, dass sie auch politisch gut vernetzt waren – anders kann man sich so etwas nicht erklären. Da muss ich jetzt vorsichtig sein mit der Formulierung – es sind und waren wohl Personen, die eine gewisse Bedeutung für die örtliche Politik hatten …
Sie haben sich viele Jahre mit dem Thema befasst und, wie Sie erzählt haben, 15 Aktenordner Material angesammelt. Was hat Sie dazu bewogen, sich so lange mit diesem doch ziemlich mühsamen Thema zu befassen?
Naja, wenn ich eine Sache anpacke, dann versuche ich auch, in die Tiefe zu gehen. Ich habe eben gesehen, dass der Natur hier viel Unrecht geschehen ist, und zwar zum Teil sogar ohne Genehmigung – wobei natürlich auch sehr viel Natur kaputt geht mit Genehmigung, das muss man auch sehen. Ich habe halt versucht, meine Fähigkeiten in die Waagschale zu werfen, um dem etwas entgegenzusetzen, um möglichst viel für die Natur noch herauszuholen. Es gibt nur noch zwei weitere Themen außer dem Höllbach, wo ich ähnlich intensiv eingestiegen bin, das waren die Regentalautobahn, und dann auch beim Donauausbau der Abschnitt der Staustufe Geisling …
… die versuchte Biotopverpflanzung bei Donaustauf …
… das war ein Schwerpunkt. (Fügt lachend hinzu:) Und wo es auch ähnlich viele Aktenordner gibt.
Hat die Hölle für Sie eine besondere Faszination?
Sie ist schon ein einmaliges Erlebnis. Diese Riesen-Felsbrocken aus Granit, die da herumliegen, das ist schon etwas, was man nicht überall findet. Es gibt ja auch alte Wanderführer und Beschreibungen, die ganz begeistert davon schreiben, was man dort vorfinden kann. Dass man also gar nicht in fremde Länder fahren muss, sondern solche außergewöhnlichen Erlebnisse auch in der Heimat finden kann. So wie damals bei der Schneeschmelze 2006 …
Im Januar 2012 wurde dann dieser "unwiderrufliche Vergleich" vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geschlossen, dem Sie schweren Herzens zugestimmt haben …
Ja, schweren Herzens und unter juristischer Beratung. Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte die Aufhebung des Bescheids allein mit einem Formfehler begründet, nämlich damit, dass der Bescheid der falschen Person zugestellt worden sei, nämlich dem Sohn als Prokuristen statt dem Vater als dem damaligen Eigentümer. Das sah der Verwaltungsgerichtshof anders. Wenn wir dem Vergleich nicht zugestimmt hätten, dann hätte er ein Urteil gesprochen. Nehmen wir einmal den für uns positiven Fall an, er hätte geurteilt, der Bescheid ist nicht haltbar, er ist rechtlich nicht einwandfrei – was wäre dann passiert? Der Bescheid wäre zwar aufgehoben worden, aber das Landratsamt hätte einen neuen erlassen mit demselben Inhalt und der richtigen Person zugestellt.
… also die Rechtsfehler beseitigt, die Inhalte gelassen …
Genau. Dann hätten wir denselben Zustand wieder gehabt wie schon nach dem alten Bescheid. Das war der Grund zu sagen: Wenn jetzt eine Verbesserung erfolgt, die zwar nicht allen unseren Forderungen entspricht, zum Beispiel die Durchgängigkeit nicht enthält, wenn wir aber immerhin eine größere Menge von Restwasser für die Hölle herausholen, dann ist das in dem Vergleich festgehalten und kann auch nicht mehr wegdiskutiert werden. Deshalb haben wir diesen Vergleich akzeptiert.
Und wenn Sie heute an die Hölle denken, mit welchen Gefühlen tun Sie es? Ist es eher ein Erfolg oder eher eine Niederlage?
(zögernd:) Ich denke, es ist ein Erfolg. Das Wasserwirtschaftsamt konnte zum damaligen Zeitpunkt wohl nicht mehr tun als zustimmen; die wollten das wieder für 30 Jahre hinter sich bringen. Dass dann der Bund Naturschutz dazwischengestochert hat und damit nicht einverstanden war, hat für sie zu einem vermehrten Arbeitsanfall geführt, und sie fühlten sich angegriffen, weil wir ihre Argumente in Frage gestellt haben. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sie letztlich von der Sache her gar nicht so unzufrieden waren, dass wir doch noch etwas mehr Wasser für den Höllbach herausgeholt haben.