"Eine Bilderbuchlandschaft mit beachtlicher Artenfülle"
Im Interview: Studiendirektor Helmut Korn, der fast 30 Jahre, vom Dezember 1982 bis Februar 2011, an der Spitze der BN-Kreisgruppe Bayreuth stand.
Herr Korn, in Ihrer langen Tätigkeit als Bayreuther Kreisvorsitzender war die Rettung des Oberen Püttlachtals vor einem Speichersee ja nur eine Episode unter vielen. Welchen Stellenwert hat dieser Erfolg für Sie?
Helmut Korn: Hier konnte sich bei einem Großprojekt eine "außerparlamentarische Opposition" von Naturschützern und Bürgern durchsetzen gegen einen sehr entschlossenen Landrat, gegen einen Zweckverband und gegen einen Kreistag (49 gegen uns, acht – später nur noch fünf – für uns).
Das Obere Püttlachtal passt ja gar nicht so richtig in das Bild von der Fränkischen Schweiz mit tief eingeschnittenen Tälern und schroff aufragenden Kalkfelsen. Was macht seine Besonderheit aus?
Wir befinden uns hier im Bereich des mittleren Juras, des Doggers, mit Wasseraustritten mitten in der Flur, die kleine Flachmoore bilden. Mit den kleinen Feldern, den Rainen und Böschungen und den Grünflächen ist es eine Bilderbuchlandschaft mit einer beachtlichen Artenfülle an Tieren und Pflanzen und daher auch ein wertvolles Forschungsgebiet für die Bayreuther Universität.
Haben Sie einen besonderen persönlichen Bezug zu dieser Gegend?
Die Kreisgruppe hat bereits vor der Auseinandersetzung mit den Speicherplänen Grundstücke gekauft, die wir pflegen. Ich bin also mit meinen Helfern jedes Jahr dort tätig. Natürlich weise ich dabei auf die damals geplante Naturzerstörung hin.
Was war Ihre Reaktion, als Sie zum ersten Mal von den Plänen hörten, dort einen Speichersee zu bauen? Wie ging es danach weiter?
Natürlich waren wir überrascht und verärgert darüber, dass ausgerechnet auf eine Initiative der SPD hin der Kreistag im November 1986 einstimmig beschloss, oberhalb von Püttlach Bohrungen durchzuführen, um festzustellen, ob hier eine Talsperre errichtet werden könne. Damit waren die Pläne für einen Stausee plötzlich wieder aktuell. Wir schlossen uns mit dem Landesbund für Vogelschutz zusammen. Hubert Weiger und Vertreter des LBV forderten gemeinsam ein neues Raumordnungsverfahren für das veraltete von 1980, das einen See "unter Zurückstellung erheblicher Bedenken aus der Sicht des Naturschutzes und der Landschaftspflege" genehmigt hatte.
Sie haben sich damals schnell zu einer Zusammenarbeit mit den Püttlachern zusammengetan. Wie kam das zustande, und wie hat es sich entwickelt?
Von etwa 100 wahlberechtigten Püttlacher Bürgern sprachen sich 87 schriftlich gegen das Projekt aus. Der Widerstand ging damals, soweit ich mich erinnere, von einer Familie aus, die davor Angst hatte, unmittelbar unterhalb des Dammes leben zu müssen. Ansonsten scheuten die Püttlacher wohl die Unruhe durch den Bau und den späteren Rummel. Naturschutz spielte eher keine Rolle; wir haben in dem Ort nur ein Mitglied (dem wir Land abgekauft hatten).
Welche anderen Organisationen und wichtigen Einzelpersonen haben Sie bei dieser Auseinandersetzung noch unterstützt? Wer hatte die Führungsrolle?
Von Anfang an haben uns der LBV und von der Bayreuther Universität der Zoologe Prof. Dr. Zwölfer und der Botaniker Prof. Dr. Schulze unterstützt. Offen vertraten unsere Position der SPD-Abgeordnete Walter Engelhard und die Grünen. Die Führungsrolle hatte der BN mit Hubert Weiger.
Was waren, im Positiven oder im Negativen, Höhepunkte der Auseinandersetzung?
Ein Höhepunkt war der Anhörtermin des Umweltausschusses des Landtages mit den Abgeordneten Dieter Heckel (CSU) und Otto Schuhmann (SPD) am 14.3.1988 in Püttlach. Die Professoren Helmut Zwölfer und Ernst-Detlef Schulze stellten sich voll auf unsere Seite, und als der Landrat gereizt fragte, ob denn der See und die für den Naturschutz vorgesehenen Flächen, die er an einem Modell zeigte, gar keinen Wert für die Natur hätten, da antworteten beide kühl und sachlich: ihr Wert sei gleich null.
Insgesamt gab es ja drei Anläufe, den Püttlachspeicher durchzusetzen. Wird man da nicht irgendwann müde und sagt sich, die geben eh keine Ruhe, bis sie den Speicher durchgesetzt haben?
Von den früheren Anläufen hatten wir, die wir damals aktiv waren, kaum etwas mitgekriegt. Im übrigen gab es jetzt mit der Ausweisung aller Feuchtgebiete als 6d-Flächen im Jahr 1982 und mit der Aufnahme des Naturschutzes in die bayerische Verfassung 1984 eine neue Situation.
Was hat nach Ihrer Auffassung den Ausschlag gegeben, dass der Püttlachspeicher trotz aller Anstrengungen nicht durchgesetzt werden konnte und schließlich aufgegeben werden musste?
Für den Erfolg waren ausschlaggebend der Dauereinsatz von Prof. Dr. Hubert Weiger in Verbindung mit dem LBV, die klare Positionierung der Universitätsprofessoren Zwölfer und Schulze und unser großer Rückhalt bei der Bevölkerung: zwei Großveranstaltungen in Bayreuth mit 175 und circa 240 Teilnehmern, Unterstützung von 24 Organisationen, darunter der Fränkische-Schweiz-Verein und Jägerverein, 8250 gesammelte Unterschriften, zahlreiche Leserbriefe, vom Landrat "Sperrfeuer ständiger Meinungsmache" genannt.
Von der Kreisgruppe sind hervorzuheben der Einsatz des 2. Vorsitzenden Manfred Widmaier und unseres Geschäftsführers Peter Ille, der zehn Diavorträge hielt und 15 Exkursionen durchführte, und das Engagement der Ortsgruppen Pegnitz und Speichersdorf.
Wie ist der Zustand des oberen Püttlachtales heute, und wie soll es weitergehen?
Das soll am besten unser Kreisgeschäftsführer Peter Ille beantworten …
Peter Ille: Der Zustand vieler Grünflächen rund um Püttlach ist aus der Sicht des Natur- und Artenschutzes immer noch sehr gut. Dies ist auch auf das Engagement der Unteren Naturschutzbehörde zurückzuführen, die Naturschutz-Förderprogramme bekannt machte, und auf Landwirte, die bereit sind, Flächen entsprechend der Programm-Auflagen zu bewirtschaften. Dies haben Untersuchungen meiner Frau Kerstin Löblich-Ille im Jahre 2017 gezeigt. Sie wurden im Rahmen zweier Projekte durchgeführt, und zwar den Vorarbeiten für ein Flurbereinigungs-Verfahren sowie die Idee des Wirtschaftsverbandes A 9, rund um Püttlach von diesen Gemeinden etwa im Zuge der Bauleitplanung zu erbringenden Ausgleichsmaßnahmen hier zu bündeln.
Vergleichen konnte meine Frau diese Ergebnisse mit ihrer vor dreißig Jahren erstellten Diplom-Arbeit, in der sie die Grünländer in den Dogger-Tälern des Landkreises Bayreuth bezüglich ihres Wertes für den Natur- und Artenschutz verglich. Es bleibt also spannend, wie sich die Natur rund um Püttlach entwickeln wird.