Grainberg-Kalbenstein: Fledermausquartiere am Saupurzel
Dass im Naturschutzgebiet Grainberg-Kalbenstein und Saupurzel heute wieder in größerer Zahl Fledermäuse unterwegs sind, ist nicht zuletzt den Aktiven der BN-Ortsgruppe Karlstadt zu verdanken: Sie gruben einen zugeschütteten alten Eiskeller und einen Kalkbrennofen aus, um sie als Fledermausquartiere herzurichten. Mit Erfolg.
Schon wegen des Namens muss jeder einmal im Leben auf dem Saupurzel gewesen sein (auch Saupürzel oder Saubürzel geschrieben). Für Kinder klingt der Name besonders vielversprechend. Man muss nur aufpassen, dass sie keine zu bildhaften Erwartungen entwickeln, sonst droht eine Enttäuschung. Aber einmal auf dem Saupurzel gestanden (oder gar davon heruntergepurzelt) zu sein, das kann einem keiner mehr nehmen.
Artenreiches Trockengebiet
Das Naturschutzgebiet Grainberg-Kalbenstein und Saupurzel, das seit 1941 besteht und 2005 auf 302 Hektar erweitert wurde, erstreckt sich am Westhang des Mains zwischen Karlstadt und Gambach, also über etwa fünf Kilometer. Es ist auch FFH-Gebiet und ein Natura-2000-Areal. Das Trockengebiet mit weniger als 600 Millimeter Niederschlag im Jahr zählt zu den floristisch und faunistisch artenreichsten in ganz Franken.
Hart umkämpft war es nie, weil sich die heißen und trockenen Muschelkalkhänge mit einer sehr dünnen Humusauflage für kaum etwas anderes eignen als für eine Schaf- und Ziegenbeweidung. Die ist genau das, was diese Landschaftsform braucht, um nicht zu verbuschen.
Aber verbessern kann man immer etwas – zum Beispiel Quartiere schaffen für Lebewesen, die eigentlich in diese Landschaft gehören, für die es heute aber kaum noch natürliche Brut- oder Überwinterungsplätze gibt, wie etwa Fledermäuse, die nur noch selten in Höhlen oder hohlen Bäumen Unterschlupf finden.
Fast vergessene Bauwerke
In der Ortsgruppe Karlstadt des BN erinnerte man sich an zwei fast vergessene Bauwerke, die in früheren Jahrhunderten große Bedeutung gehabt hatten, aber inzwischen längst aufgelassen und zugeschüttet waren: An einen alten Brauereikeller, in dem früher das Eis aufbewahrt wurde, das im Sommer beim Brauen zum Herunterkühlen des heißen Suds benötigt wurde, und an einen ehemaligen Kalkbrennofen.
Solche Brennöfen besaß früher jede Gemeinde, denn damals konnte man das Baumaterial für Häuser und Gebäude nicht per Lastwagen von wer weiß woher herankarren, sondern musste es sich vor Ort beschaffen. In Regionen, in denen Untergrund aus Kalkgestein besteht, nutzte man dafür Kalk – aber den musste man brennen, bevor man ihn als Baumaterial verwenden konnte. Die Brennöfen dafür platzierte man aus naheliegenden Gründen möglichst ortsnah – im Falle von Karlstadt direkt oberhalb des nordwestlichen Stadtrandes.
Sowohl den ehemaligen Eiskeller als auch den Kalkbrennofen findet man, wenn man von der B27 (Eußenheimer Straße) direkt am Ortsrand nach rechts auf die alte Bundesstraße abbiegt. Direkt an der nächsten Weggabelung liegt der Luftschacht zum Eiskeller, und etwas weiter oberhalb jenseits eines Ackerstreifens der Brennofen.
Besichtigen kann man dort allerdings nicht viel, wenn man keine Fledermaus ist, denn die Zugänge sind auf diese kleinen Tiere zugeschnitten – und man will ja auch nicht stören. Wer die lautlosen Flieger trotzdem einmal sehen möchte, muss sich an einem lauen Sommerabend in der Dämmerung in einiger Entfernung still hinsetzen und dann einfach warten. Wer mag, kann einen Fotoapparat mitnehmen, muss dann aber sehr schnell sein – oder großes Glück haben.
Floristische Highlights
Ansonsten ist der ganze Hang ein wunderbares Areal zum Spazierengehen. Um die empfindliche Vegetation zu schützen, sollte man unbedingt auf den Wegen beziehungsweise Trampelpfaden bleiben, auch wenn es vor allem im Frühling noch so sehr lockt, zu den Inseln, nein, Feldern von Küchenschellen und Schlüsselblumen hinzugehen und sie sich aus der Nähe anzusehen.
Im gesamten Naturschutzgebiet gilt daher ein Wegegebot. Es wird von der Naturschutzwacht kontrolliert, der auch Aktive der Kreisgruppe angehören: Nicht als Schikane, sondern weil es notwendig ist, wenn wir die empfindlichen Pflanzen nicht im Laufe der Zeit verlieren wollen.
Im späteren Frühjahr blühen dort auch die Sonnenröschen, deren Verbreitungsschwerpunkt eigentlich der Mittelmeerraum ist. Im Naturschutzgebiet Grainberg-Kalbenstein-Saupurzel kommt nicht nur das Gewöhnliche Sonnenröschen vor, das auch bei uns häufiger zu finden ist, sondern auch das Graue und das Apenninen-Sonnenröschen.
Geologische Besonderheiten am Kalbenstein
Ein besonderes geologisches Highlight ist das Muschelkalkprofil am Kalbenstein nahe Gambach. Dieser Berg im Norden des Schutzgebiets heißt nicht nur Kalbenstein, er kalbt tatsächlich – genauer, er tat es 1784, als ein gewaltiger Bergrutsch seine Flanke freilegte. Geologisch Interessierten erlaubt das nun einen spannenden Einblick in den sonst verdeckten Aufbau des Gesteins.
Der Hintergrund – oder Untergrund – dieses Bergrutsches ist, dass der Muschelkalk überall im Maintal auf älterem Sandstein aufsitzt. Weiter westlich, etwa im Spessart, verschwindet der Muschelkalk; dort ist der Sandstein die dominierende Gesteinsart. Er hat es an sich, dass er nach langer Durchfeuchtung glitschig wird – und dann kann die Muschelkalkauflage ins Rutschen kommen. Ältere Einheimische sind sich daher sicher: Da kommt noch mehr – irgendwann.
Unerwünschter Nachbar im Süden
Ein Risiko ganz anderer Art besteht am südlichen Ende des Naturschutzgebietes: Da droht nach wie vor eine Beeinträchtigung durch die sogenannte Westumfahrung von Würzburg alias B26 neu. Sie ist ein "Zombie-Thema", das schon seit den siebziger Jahren diskutiert und mal verworfen, mal wieder hervorgekramt wird.
Zwischenzeitlich war sie aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen, später wurden aber wieder neue Planungen und Streckenvarianten aus dem Zylinder gezaubert. Die Kreisgruppen Main-Spessart und Würzburg wie auch der Landesverband kämpfen von Beginn an gegen diese ebenso landschaftszerstörerische wie nutzlose und verschwenderische Straßenplanung. Sollte das Planfeststellungsverfahren für den ersten Bauabschnitt Arnstein (Lkr. MSP), wie angekündigt, positiv abgeschlossen werden, wird die Kreisgruppe Main-Spessart in jedem Fall dagegen klagen.
Dass eine Straßentrasse das Naturschutzgebiet durchschneidet oder Teile davon abzwackt, scheint inzwischen eher unwahrscheinlich. Dennoch wäre die Westumfahrung mit ihren Ausbaumaßnahmen und ihrem Verkehrsaufkommen ein Nachbar, den weder die Ortsgruppe Karlstadt noch die Kreisgruppe Main-Spessart am Rande "ihres" Naturschutzgebiets haben wollen.
Das NSG Grainberg-Kalbenstein und Saupurzel erwandern
Im Prinzip kann man das NSG bequem vom Bahnhof Karlstadt aus erreichen, man muss nur irgendwie an den westlichen Stadtrand kommen. (Und dafür nach Möglichkeit einen Weg finden, der attraktiver ist als die Bundessstraße 26, die in der Stadt Arnsteiner Straße heißt. Am besten ganz am Beginn der Arnsteiner Straße nach links in die Gartenstraße und dann nach rechts der Johann-von-Korb-Straße folgen.)
Im Gelände kann man nach Lust und Laune dem Verlauf der Wege und Trampelpfade folgen, muss sich nur bewusst sein, dass das Schutzgebiet zwar relativ groß und lang ist, aber stellenweise recht schmal. Nach dem Erklimmen des Saubürzels (Seil und Haken nicht vergessen!) kann man zum Beispiel zum "Edelweiß" gehen: einem prosaischen, aber großen Blechedelweiß, das man schon von weitem sieht und das ganz in der Nähe des sehenswerten Muschelkalkprofils des Kalbensteins liegt.
Ausgangspunkt: Bahnhof Karlstadt oder Parkplatz an der B26 (oder beim Eiskeller)
Länge/Dauer: nach Belieben
Höhenunterschiede: Steigungen innerhalb des Hanges
Wegcharakter: Trampelpfade und befestigte Wege
Einkehr: Karlstadt