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Königssee: Falkensteiner Wand unversehrt – St. Bartholomä ohne "Mammutrestaurant"

Was für eine Schnapsidee: Einen riesigen assyrischen Löwen wollte man in die Falkensteiner Wand am Königssee einmeißeln, zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg – 1916, als der mörderische Krieg noch im vollen Gang war. Aber ein mahnender Brief des Gründungsvorsitzenden des BUND Naturschutz (BN), Carl Freiherr von Tubeuf, brachte die Verantwortlichen offenbar zur Einsicht und schließlich zur Umkehr. Die unschuldige Felswand blieb unverschandelt – und der BN hatte seinen ersten größeren Erfolg und zugleich seinen "Gründungsmythos". Drei Jahre später gelang es von Tubeuf auch, einen massiven Ausbau der Gastronomie auf der idyllischen Halbinsel von St. Bartholomä zu verhindern.

Wer glaubt, aberwitzige Ideen seien ein hervorstechendes Merkmal unserer Zeit, sollte noch einmal nachdenken: Im Jahr 1916 wurde ernsthaft erwogen, in die Falkensteiner Wand einen assyrischen Löwen einzumeißeln, um an den (damals noch nicht verlorenen) Ersten Weltkrieg zu erinnern. Diese imposante Felswald bestimmt das Bild, wenn man von Schönau, also von Norden aus auf den See blickt. Von dort wäre der erste Eindruck vom Königsee vielleicht nicht für immer, aber doch für lange Zeit von diesem fragwürdigen Denkmal bestimmt gewesen.

Was assyrische Löwen mit dem Ersten Weltkrieg zu tun haben, erschließt sich heute nicht mehr, ebenso wenig der tiefere Sinn des Vorhabens. Doch ein mahnender Brief des Gründungsvorsitzenden des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN), Carl Freiherr von Tubeuf, bewirkte offenbar einen Sinneswandel. Die unschuldige Felswand blieb unverschandelt – und der BN hatte seinen ersten größeren Erfolg und zugleich seinen "Gründungsmythos": Die erste Geschichte, die man sich seither über das Wirken und die Wirkung des Verbands erzählen konnte.


Kein Massentourismus in St. Bartholomä

Für den Arten- und Biotopschutz wäre es wahrscheinlich irrelevant, ob in die Felswand ein Löwe eingemeißelt worden wäre; vielleicht hätte ein solches Relief sogar zusätzliche Biotope geschaffen. Doch hat von Tubeuf den nachfolgenden Generationen viel Kopfschütteln erspart, indem er das martialische Kriegsmonument verhinderte.

Bedrohlicher für die Ökologie des Königssees und seine Ufer waren ohne Zweifel die wiederkehrenden Bestrebungen, das kleine Paradies von St. Bartholomä für den Massentourismus auszubauen. Einen ersten Vorstoß, dort ein riesiges Restaurant zu bauen, konnte von Tubeuf schon 1921 abwehren. Zahlreiche weitere Anläufe folgten in den Jahren danach, doch bis heute gibt es dort weder Hotels noch Seilbahnen, und auch der Gastronomiebetrieb hält sich in einem noch akzeptablen Rahmen.

Zum 60. Verbandsjubiläum schrieb Dr. Artur Steinhauser in den "Blättern für Natur- und Umweltschutz" (Heft II 1973):

"1916 reichte noch ein Brief in zurückhaltender Art, Einsicht und schließlich Umkehr zu erreichen. So gelang es dem ersten Vorsitzenden des Bundes Naturschutz, Prof. Dr. Freiherr von Tubeuf, daß man den grotesken Gedanken wieder aufgab, in einer der schönsten Felswände am Königssee zur Kriegserinnerung einen assyrischen Löwen in riesigen Ausmaßen auszumeißeln.

Tubeuf konnte auch drei Jahre später den Plan verhindern, die trauliche Gaststätte auf dem lieblichen Delta zu St. Bartholomä in ein lukratives Mammutrestaurant auszubauen.

Tubeuf ging noch einen Schritt weiter, er stellte Antrag bei den beteiligten Staatsstellen, den Ministerien des Innern, für Kultus, der Finanzen sowie der Krongutsverwaltung, das Gebiet wirkungsvoll zu schützen, das nach den Worten von Alexander von Humboldt zu den drei schönsten Gegenden der Welt zählt.

Der Initiative des Bundes Naturschutz ist es zu verdanken, daß heute ein 20.576 ha großes Gebiet am Königssee unter Schutz gestellt ist. Damit ist eine reine Hochgebirgsnaturlandschaft erhalten geblieben. Ferner wurde die Voraussetzung für die Errichtung eines echten Nationalparks in den Alpen geschaffen."


BN-Engagement für den zweiten deutschen Nationalpark

Tatsächlich weitete sich der Einsatz für den Königssee im Laufe der Jahre immer mehr zu einem Einsatz für einen Nationalpark Berchtesgadener Alpen aus, der zum 1. August 1978 nach langem Ringen realisiert wurde.

Auch der Einsatz für den See und St. Bartholomä begleitet den BN seither: Anfang der 1980er-Jahre kämpfte die lokale BN-Kreisgruppe dagegen, dass der Klärschlamm der Gaststätte von St. Bartholomä im Schuttfächer des in den Königssee mündenden Eisbachs "entsorgt" wurde. Ende der 1980er-Jahre erreichte sie schließlich, dass eine Abwasserleitung durch den See gebaut und in Schönau ans Kanalnetz angeschlossen wurde.

Trotzdem musste die Kreisgruppe 2022 gegen die Erneuerung dieser Abwasserleitung klagen, weil die Umweltverbände darüber im Vorfeld nicht ausreichend informiert worden waren. Die Klage konnte im Februar 2023 zurückgezogen werden, nachdem man die Beteiligung nachgeholt hatte und der BN sich von der Sachgerechtigkeit der Lösung überzeugen konnte.

Die Geschichte zeigt zweierlei: Erstens, dass der BN, wenn es notwendig ist, auch vor dem Kampf gegen Löwen nicht zurückschreckt. Zweitens, dass man trotz des Nationalpark-Status' nicht darauf vertrauen darf, dass nun automatisch alles gut ist. Der BN und seine Kreisgruppe Berchtesgadener Land bleiben wachsam.