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Dritte Startbahn München – Hintergründe und Fakten
Derzeit liegen die Pläne für eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen auf Eis: ein Bürgerentscheid hat das Vorhaben 2012 gestoppt. In ihrem Koalitionsvertrag hat die Landesregierung aus CSU und Freien Wählern 2018 vereinbart, nicht weiter nach Wegen zu suchen, wie das Bürgervotum zu umgehen sein könnte. Die folgenden Seiten bieten einen Überblick über die Argumente des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) gegen eine dritte Startbahn München und eine Chronologie der letzten Jahre.
Der Bau einer dritten Startbahn am Flughafen München beträfe in jedem Fall ganz Bayern. Er würde Mensch, Natur und Klima schaden, ohne dass die Region oder Bayern davon profitieren würden. Die Flughafen München Gesellschaft (FMG) wollte den Airport ausbauen, um in noch kürzerer Zeit noch mehr Flieger abwickeln zu können. An der FMG sind der Bund, der Freistaat Bayern und die Stadt München beteiligt. So war es 2012 möglich, dass sich die Münchner Bürgerinnen und Bürger in einem Bürgerentscheid gegen die dritte Startbahn München aussprachen und sie damit bisher verhindert haben.
Argumente gegen die Dritte Startbahn München:
Die Kapazitäten der beiden vorhandenen Start- und Landebahnen sind noch lange nicht ausgeschöpft. Damit gibt es weder Bedarf noch Grund, eine dritte Startbahn zu bauen. Selbst der parteiische Gutachter der FMG beziffert die Kapazität des Zwei-Bahn-Systems in München mit deutlich mehr als 480.000 Bewegungen. Der bisherige Spitzenwert in München lag im Jahr 2008 bei 430.000, seither pendeln die Starts und Landungen um 400.000 (2017: ca. 405.000; 2018: ca. 413.000). Der Spielraum nach oben ist groß und könnte durch einen optimierten Betrieb sogar noch weiter gesteigert werden – was aber aus Gründen des Klima- und Anwohnerschutzes nicht sinnvoll ist. Eine dritte Startbahn ist überflüssig.
Gekauftes Wachstum am Beispiel Terminal 2
Deutlich wird das Vorhaben, Wachstum zu kaufen, auch in den Begleitvereinbarungen zwischen FMG und Deutscher Lufthansa AG (DLH) zum Bau des sogenannten Satelliten für den Terminal 2 am Flughafen München. Dort heißt es: „Gleichzeitig wird von der DLH eine Wachstumserklärung abgegeben, in der sich die DLH trotz Inbetriebnahme der 4. Bahn am Flughafen Frankfurt in den nächsten Jahren auf ein weiterhin forciertes Wachstum am Flughafen München entsprechend der aktuellen Intraplan-Verkehrsprognose für die Planfeststellung der 3. Start-/Landebahn verpflichtet. Sollten in dem Zeitraum von 2010 bis 2017 die im Intraplan-Gutachten prognostizierten Passagierzahlen unterschritten werden, leistet die DLH unter bestimmten Prämissen eine finanzielle Ausgleichszahlung von bis zu insgesamt maximal 50 Mio. Euro.“
Das zeigt in aller Deutlichkeit, dass das Wachstum des Flughafens München ein mit allen Mitteln herbeigeführtes künstliches Wachstum ist.
Fluggesellschaften wurden am Flughafen München mit 384 Millionen Euro staatlichen Subventionen unterstützt, um einen höheren Bedarf für eine dritte Startbahn vorzutäuschen.
95 Prozent der ursprünglichen Moore des Freistaats sind heute zerstört. Der Moorkomplex, in dem der Flughafen München liegt, ist Teil eines der beiden größten Niedermoorgebiete Bayerns. Doch es blickt auf eine lange Geschichte der Entwässerung, Zerschneidung und Zerstörung zurück. Der Bau des Flughafens mitten im Nördlichen Erdinger Moos wäre heute nicht mehr genehmigungsfähig. Die noch verbliebenden Reste des Erdinger Mooses sind immer noch sehr wertvoll, aber an der ökologischen Belastungsgrenze angelangt.
Gestresstes Ökosystem: Erdinger Moos
Als Niedermoor speist sich das Erdinger Moos in erster Linie aus einem hohen Grundwasserstand, d.h. das Wasser fließt hier sowohl im Boden als auch in den Gewässern sehr nahe an der Oberfläche. Die Absenkung des Grundwasserspiegels, die für den Bau des Flughafens nötig war, hat dem Ökosystem daher empfindlich zugesetzt. Ein Blick in die Moorübersichtskarte Bayerns zeigt, wie massiv der Flughafen das Erdinger Moos zerschneidet. Heute ist das Moor an der Belastungsgrenze angelangt, was Flächenverlust, Entwässerung, Schadstoffe und Lärm betrifft.
Der Bau einer dritten Startbahn würde noch mehr Fläche versiegeln. Etwa 3.500.000 Quadratmeter, eine Fläche größer als der Tegernsee, würden unter Beton verschwinden. Insgesamt würde für die Bahn und alle Folgemaßnahmen eine Fläche von 871 Hektar „verbraucht“. Das Grundwasser würde weiter absinken. 4,3 Millionen Kubikmeter Boden würden abgetragen, Gewässer auf 14 Kilometern Länge „umgebaut“. Die Natur würde hier vollkommen zerstört.
Eine der größten Artenvernichtungsaktionen Bayerns
Laut bayerischem Umweltministerium ist das nördliche Erdinger Moos, wo die dritte Startbahn geplant ist, ein ökologisch hochwertiger Lebensraum für Vögel. Deshalb wurde es vom Freistaat Bayern als europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen und geschützt. Das nördliche Erdinger Moos sei „eines der wichtigsten bayerischen Wiesenbrütergebiete, mit einem der größten Brachvogel-Bestände, sehr bedeutenden Brutvorkommen von Kiebitz, Feldlerche, Grauammer, weiteren Arten der Stillgewässer, Röhrichte und Verlandungszonen, wie dem Blaukehlchen.“ Insgesamt 155 Vogelarten kommen hier vor, davon 102 Brutvogelarten. Der Grund ist die enge Verzahnung von Lebensräumen des Niedermoors, der halboffenen Kulturlandschaft, der Talaue (Rand der Isaraue) und ein hoher Gewässerreichtum. Zur Zugzeit bevölkern teils große Schwärme die feuchtesten Wiesen im Norden. Der Wert des Gebietes war vor dem Bau des Flughafens München noch deutlich höher, einige Vogelarten sind seither bereits verschwunden. Der Bau der dritten Startbahn würde wertvolle Restflächen vernichten und wäre daher eine der größten Artenvernichtungsaktionen in Bayern.
Kuriosum: Auch die beiden Start- und Landebahnen des Flughafens selbst sind Teil des Vogelschutzgebietes. Denn Großer Brachvogel, Kiebitz und Grauammer finden hier mit den kurzrasigen offenen Wiesen passenden Lebensraum. Allerdings ist über ihren Bruterfolg nichts bekannt. Insgesamt leben hier aber nur etwa zehn der 155 Vogelarten des Gesamtgebietes. Und auch die Arten im Flughafen brauchen das unverbaute Umfeld.
Nur drei weitere Arten kommen darüber hinaus auch an den Start- und Landebahnen vor (Feldlerche, Wachtel, Kiebitz). Drei weitere Arten (Rebhuhn, Bachstelze, Stockente) brüten dort, diese werden aber nicht im Standarddatenbogen (SDB) der Natura 2000-Gebiete genannt. Weitere 29 (2006), 29 (2007), 34 (2008), 22 (2009) bzw. 25 (2010) Vogelarten kommen meist in nur Einzelindividuen (außer Star, Rauchschwalbe) als Nahrungsgäste vor.
Der Flugverkehr, der vom Flughafen München ausgeht, ist schon ohne die dritte Startbahn der größte Klimakiller in Bayern. Er ist jedes Jahr für 7,5 bis 10 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verantwortlich. Das ist ein Zehntel des Gesamtausstoßes in Bayern. Um diesen Negativrekord zu verheimlichen, hat die FMG versucht, Forschungsergebnisse zur eigenen Klimalast unter Verschluss zu halten.
Die Klimalast des Flughafens
Die Klimalast des Flughafens München wurde von zwei Studien untersucht. Dabei zeigen beide Studien, dass der Flughafen in Sachen Klimalast einen Negativrekord hält. Das Wuppertalinstitut stellte im Auftrag des BUND in der Studie „Im Steigflug in den Klimawandel“ bereits 2007 fest, dass dem Flughafen München insgesamt eine Klimalast von 10 Millionen Tonnen CO2-Äqivalenten zuzurechnen ist. Ein CO2-Äquivalent gibt an, wie viel ein Stoff zum Treibhauseffekt beiträgt, wobei CO2 als Vergleichsstoff dient.
2009 kam ein Student der Technischen Universität München im Rahmen einer Semesterarbeit mit Förderung der FMG zu dem Ergebnis, dass der Flugverkehr, der vom Flughafen München ausgeht, 7,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausstößt. Die Semesterarbeit löste einen Skandal aus, weil der Flughafen das Forschungsergebnis der Universität unter Verschluss halten wollte. Der Flughafen ist demnach jedes Jahr für ein Zehntel des gesamten Ausstoßes im Freistaat Bayern mit seinen 12,8 Millionen Einwohner verantwortlich.
Er produziert allein jedes Jahr so viele schädliche Treibhausgase wie der gesamte Freistaat Bayern mit all seinen Einwohnern in eineinhalb Monaten. Um die Emissionen des Flughafens auszugleichen, müsste man jedes Jahr einen Buchenwald von der Fläche Mittelfrankens anpflanzen.
FMG wollte Forschungsergebnisse geheim halten
Als die Semesterarbeit der Universität München im Sommer 2011 drohte, bekannt zu werden, versuchte die FMG, die Arbeit geheim zuhalten, und gestattete nicht einmal anderen Studenten, die Arbeit einzusehen. Auch der Lehrstuhl der Universität gab die Studie zunächst nicht heraus, da es sich – so die Uni – um ein industrie-initiiertes Projekt handelte. Erst auf Druck des Landtagsabgeordneten Christian Magerl und der Öffentlichkeit wurde die Klimalast des Flughafens öffentlich.
Planung ignoriert Klimagefahren
Auf Grund der großen Höhe, in der die Emissionen des Flugverkehrs anfallen, belasten diese das Weltklima wesentlich stärker als Autoabgase. Auch wenn der Anteil der Treibhausgase aus dem Flugverkehr nur auf circa drei Prozent geschätzt wird, trägt der Flugverkehr mit neun bis zehn Prozent zur weltweiten Klimakrise bei („RFI-Faktor“: 2-3).
Der Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern, der den Bau der dritten Startbahn erlaubt, ignoriert den Klimaschutz. Auf gerade einmal einer Seite kommt der Schutz des Klimas vor. Und dort wird lediglich erklärt, warum man den Klimaschutz insgesamt nicht behandelt, sondern nur das sogenannte „Mikroklima“ der Flächen im Umfeld der Startbahn. Begründet wird das mit dem lapidaren Hinweis, dass ein solch regionales Projekt keine direkten Auswirkungen auf das Weltklima hätte und weil die „Zunahme der Erderwärmung lediglich ein allgemeiner öffentlicher Belang ohne rechtlich erheblichen Bezug zu einem konkreten Vorhaben“ sei.
Für den BN ist dies einer der Gründe, die eine Klage gegen den Bau unerlässlich gemacht haben und weshalb er seine laufende Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht dazu aufrechterhält. Ein Blick nach Großbritannien: Anfang 2020 stoppte ein Berufungsgericht die Ausbaupläne des Londoner Großflughafens Heathrow. In der Begründung heißt es, das Vorhaben stünde nicht im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimavertrags, dieser hätte berücksichtigt werden müssen.
Während des Planungsverfahrens haben sich viele Bürger gegen die dritte Startbahn gewehrt. Ein Grund dabei war auch die Nähe zu Atomkraftwerken. Die Bauherren fühlten sich nicht zuständig und verwiesen an andere Behörden. Fakt ist, dass die Anflugrouten über die beiden AKW ein Risiko darstellen, das mit dem Bau der dritten Startbahn zunehmen würde.
Mehr Flugverkehr über den AKW Isar I und II
Durch die dritte Startbahn würde der Flugverkehr nördlich des Flughafens zunehmen, also in Richtung Landshut und Niederaichbach. Schon heute gibt es an 60 bis 70 Prozent der Tage im Jahr Landeanflüge über die AKW Isar I und II hinweg. Mit steigendem Flugaufkommen würde sich auch die Gefahr von Kreuzungen, Ausweichmanövern und Unfällen in der Luft über den AKW erhöhen.
Standort mit hohen Risikopotenzialen
Befürworter und Gegner der dritten Startbahn bewerten das Risiko eines Absturzes über Isar I oder II unterschiedlich. Für den BUND Naturschutz ist die Gefahr bereits heute zu groß. Denn zum einen zeigen die Erfahrungen aus Tschernobyl und Fukushima, dass selbst das kleinste Risiko zu hoch ist. Dabei birgt der AKW-Standort Niederaichbach gleich drei Gefahrenquellen: den inzwischen abgeschalteten, aber immer noch strahlenden Reaktor von Isar I, ein Atommüll-Zwischenlager und den bis 2022 aktiven Reaktor Isar II. Zum zweiten liegt das Absturzrisiko in der Nähe von Flughäfen signifikant höher.
Kostenexplosion am Flughafen
Der Flughafenbau kam die bayerischen Bürger teuer zu stehen. Zu Beginn der Planungen des Flughafens im Erdinger Moos während der 1960er-Jahre war von 800 Millionen Mark die Rede, die der Bau kosten sollte. Im Jahr 1969 war in einem Kabinettsbeschluss bereits von 1,6 Milliarden Mark die Rede. 1986, ein Jahr nach Baubeginn, war die Schätzung bei 4,6 Milliarden Mark angelangt, bei der Inbetriebnahme 1992 waren es dann 8,55 Milliarden Mark.
Dass es beim Ausbau des Flughafens durch eine dritte Startbahn mit rechten Dingen zugehen sollte, hätte nur ein Finanzkonzept darlegen können. Das wurde jedoch nicht offiziell vorgelegt, es gab lediglich eine Schätzung von 1,25 Milliarden Euro. Wie viel die dritte Startbahn am Ende kosten würde, ist daher völlig offen, ohne dass geklärt wäre, wer dafür aufkommt. Bis 2012 waren bereits 175 Millionen Euro in das Projekt geflossen, was die Öffentlichkeit erst auf eine Nachfrage im bayerischen Landtag erfuhr.
„Die dritte Startbahn ist doch gut für Wirtschaft und Arbeitsplätze“ mag mancher denken. Doch das entpuppt sich als Scheinargument: Seit Jahren erfreut sich die Region Freising niedrigster Arbeitslosenquoten, kaum eine andere bayerische Region steht so gut da. Der Flughafen hat dafür keine Bedeutung. Die Landkreise Freising und Erding hatten schon lange vor dem Bau des Flughafens eine der niedrigsten Arbeitslosenquote bundesweit. Im Arbeitsamtsbezirk Freising lag die Arbeitslosenquote 1991 – ein Jahr vor der Inbetriebnahme des Flughafens – bei 2,4 Prozent, 2004 bei 4,7 Prozent und im Jahr 2011 bei 2,9 Prozent. Im Oktober 2011 sank die Arbeitslosenquote auf 1,8 Prozent. Für Freising stellen zusätzliche Arbeitsplätze keinen Vorteil mehr dar.
Weiterer Zuzug belastet die Region
Auch die Flughafen München Gesellschaft (FMG) räumt ein, dass zusätzliche Beschäftigte vor allem aus der weiteren Umgebung kommen müssten, da es diese Arbeitskräfte im näheren Umfeld gar nicht gibt. Angesichts der niedrigen Arbeitslosenquote in den Landkreisen Freising und Erding könnte der Bedarf an neuen Arbeitskräften am Flughafen nur dadurch gedeckt werden, dass weitere Arbeitsuchende in die Region ziehen. Im Landkreis Freising waren 1993 etwa 137.100 Menschen gemeldet, 2010 waren es bereits 166.400 Menschen. Das ist ein Zuwachs von 29.287 Menschen, ein Plus von 21 Prozent in nur 18 Jahren. Bis 2030 wird die Zahl der Einwohner wahrscheinlich sogar auf 180.400 zunehmen. Ähnliche Prognosen gibt es auch für die anderen Landkreise der Region und für die Landeshauptstadt.
Ein weiterer Zuzug würde die Region stark belasten. Der Wohnungsmarkt in Freising ist stark angespannt, die Wohnungsnot ist ähnlich hoch wie in München. Daher und aufgrund der hohen Belastungen mit einer 3. Bahn lehnen praktisch alle Bürgermeister um den Flughafen die dritte Bahn ab, viele von ihnen sind wie auch der BN dagegen vor Gericht gegangen.
Vernünftige Strukturpolitik sieht anders aus
Es müssten also in die eh schon aus allen Nähten platzende Flughafenregion noch mehr Menschen ziehen – mit allen negativen Folgen. Niemand gibt eine Antwort auf die Frage, wo in München und im Umland bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden soll und kann. Schon jetzt können sich Leute mit einem durchschnittlichen Lohn die Wohnungen in der Region nicht mehr leisten. Und viele Arbeitsplätze am Flughafen sind dem Niedriglohnsektor zuzuordnen.
Eine vernünftige Strukturpolitik schafft Arbeitsplätze, wo sie benötigt werden, und nicht in einer Gegend, die ohnehin aus allen Nähten platzt. Es gibt andere strukturschwache Regionen in Bayern und Deutschland, die neue Arbeitsplätze viel dringender nötig hätten.
Während die Münchner Parteien den Bürgerentscheid akzeptieren, suchten die bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung in den vergangenen Jahren nach Wegen den Bürgerwillen zu umgehen. Dabei waren die Zahlen des Entscheids eindeutig: 54,3 Prozent der Wähler sprachen sich gegen den Bau der dritten Startbahn aus. Die Wahlbeteiligung von 32,8 Prozent war für einen Bürgerentscheid hoch. An dieses Ergebnis ist die Stadt München juristisch ein Jahr lang gebunden. Das heißt: Als eine von drei Gesellschafterinnen der FMG musste die Stadt in der FMG-Gesellschafterversammlung gegen den Bau der Startbahn stimmen. Da die Gesellschafter – die Stadt München, der Freistaat Bayern und der Bund – noch keinen tatsächlichen Baubeginn beschlossen haben und dieser Beschluss einstimmig sein müsste, ist der Bau bis auf weiteres gestoppt. Der SPD-Bürgermeister der Stadt München hat mehrfach erklärt, dass er sich auch über das juristisch verpflichtende Jahr an den Bürgerentscheid gebunden fühlt.
Das Geld wird anderswo dringender benötigt
Neben allen schlagkräftigen ökologischen Argumenten: Die Investitionen für das künstliche Wachstum am Flughafen München und den Bau der unsinnigen dritten Startbahn würden an anderer Stelle fehlen. Das für die dritte Startbahn vorgesehene Geld sollte besser für eine vernünftige Bürgerbahn in Bayern, einen verbesserten ÖPNV in der Region München und Infrastrukturprojekte in anderen Landesteilen Bayerns, die wegen Finanzmangels auf Eis liegen, eingesetzt werden. So werden Straßen zunehmend nur noch gelegentlich geflickt, wo eine grundhafte Erneuerung notwendig wäre. Ein gewaltiger Sanierungsstau ist aufgelaufen.
Wieder 24.808 Einwendungen gegen die geplante 3. Start- und Landebahn am Flughafen München!
Die Flughafengesellschaft München (FMG) musste 2010 nachbessern – ein erster Erfolg von BN und den 60.000 EinwenderInnen im bisherigen Verfahren. In einer Ergänzung zum laufenden Planfeststellungsverfahren (1. und 2. Tektur) wurden 1/3 der bisherigen Unterlagen überarbeitet. 24.808 Bürgerinnen und Bürger der Region und ganz Bayerns haben bis 26.05.2010 ihre Einwendung gegen die Planung erneuert und teilweise auch zum ersten mal neu eingewendet. Damit wird sich die Zahl der 60.000 Einwendungen in diesem größten derzeit in Deutschland laufenden Verwaltungsverfahren noch vergrößern.
Hier die Stellungnahme des Bund Naturschutz vom 25.05.2010 zu diesem ergänzenden Verfahren (1. und 2. Tektur). Die von der FMG erstellten überarbeiteten / neuen Unterlagen dazu erhalten Sie auf Anfrage bei der FMG.
Trotz der hohen Zahl der neuen Einwendungen und zahlreicher neuer Erkenntnisse hat sich die Regierung von Oberbayern entschieden, keine neuen Erörterungstermine durchzuführen. Der BN hat dies massiv kritisiert. Ende Januar 2010 wurden den Naturschutzverbänden überraschend 30 Gutachten zum Naturschutz zur Stellungnahme übersandt. Darunter auch ein aktuelles und neues Gutachten, das deutlich belegt, dass der Bestand an Brachvögeln und Kiebitz deutlich geringer ist als bisher angenommen. Hier die Stellungnahme des BN vom 01.03.2011 dazu. Der BN hat erneut die Durchführung neuer Erörterungstermine gefordert.
Kurze Zeit später kam es dann zu einer offiziellen Tektur im Verfahren: Mitte April wurde den Naturschutzverbänden die 3. und 4. Tektur der Planung übersandt, mit einer Frist zur Stellungnahme innerhalb von 14 Tage - und das über die Osterfeiertage. Angesichts der bisherigen Einwendungen des BN sowie neuer Urteile wurden von der FMG teilweise neue Berechnungen zur Auswirkung der Lärm- und Stickstoff-Emissionen auf die Natur vorgelegt. Der BN hat darauf mit einer Stellungnahme vom 05.05.2011 reagiert und auch darin erneut einen ergänzenden Erörterungstermin gefordert.
Ohne Durchführung neuer Erörterungstermine hat die Regierung von Oberbayern jedoch am 26.07.2011 den Planfeststellungsbeschluss erlassen. Der BN arbeitete daraufhin intensiv an der Klage. Da die 3. Bahn jederzeit auch durch eine politische Entscheidung gestoppt werden kann, wird der BN zudem auf politischer Ebene weiter gegen die 3. Bahn und für Menschen-, Natur- und Klimaschutz kämpfen.
Fast 60.000 Bürgerinnen und Bürger aus ganz Bayern haben 2007 im Planfeststellungsverfahren Einwendungen gegen den Ausbau des Flughafens München mit einer dritten Start- und Landebahn bei der Regierung von Oberbayern eingereicht. Wir danken allen, die mit ihrer Einwendung dazu beigetragen haben, dass wir dieses Projekt verhindern können, die sich vor ihre Heimat, vor Klimaschutz und Naturschutz und gegen Größenwahn im Luftverkehr stellen.
Von 11. November 2008 bis Ende März 2009 wurden diese Einwendungen von der Regierung von Oberbayern mit dem Antragsteller „erörtert“. Die Bilanz ist sehr positiv: ca. 4.500 Teilnehmer, davon alleine bei den Privatterminen ca. 3.200. Neben den Kommunen, Landkreisen und Verbänden (allein der BN hatte vier Verhandlungstage) haben ca. 470 Privatpersonen sehr fundierte Argumente vorgebracht, warum sie gegen die 3. Bahn sind und sie unnötig ist.
Fazit des Bund Naturschutz zu den Erörterungsterminen: FMG überzeugt nicht.
Die Diskussionen im Ballhausforum Unterschleißheim mit den etwa 20 Gutachtern der FMG offenbarte große Schwächen der Planung. Beim Bedarf, bei der Länge der Bahn, beim Naturschutz, aber auch bei den Schadstoffen konnten viele Argumente des BN und anderer Einwender nicht überzeugend widerlegt werden. Nahezu sprachlos waren die Gutachter, als die ehemalige Vorsitzende des BN Erding und Kinderärztin ihre Erfahrungen mit lärmbelästigten Kindern vortrug.
Noch während des Anhörungsverfahrens wurden auch die Auswirkungen der Konjunkturkrise auf den Flugverkehr immer deutlicher, die abstürzenden Fluggastzahlen sprechen für sich und führen die Bedarfsprognose mehr denn je ad absurdum.
Hier erreichten wir einen ersten Erfolg: die Regierung von Oberbayern ließ die Bedarfsprognose überprüfen und die FMG musste ihre Prognose korrigieren. In einem ergänzenden Verfahren reichte sie 2010 eine neue Bedarfsprognose ein, kurz gesagt wurden die ursprünglich für 2020 prognostizierten Passagierzahlen nun für 2025 prognostiziert - an der Methodik hat sich nichts geändert.
Stark engagierten sich auch die Kommunen. Kein Wunder, wissen sie doch aus eigener Erfahrung, dass der Flughafen mehr Schatten als Licht bringt. Begeisternd brachten ab Januar sehr vieler Privateinwender ihre Argumente vor. Viele hatten sich hervorragend vorbereitet und stundenlang mit den Gutachtern der FMG diskutiert und sie in die Enge getrieben. So gelang es aufgeMUCkt an einigen Tagen auch, den großen Saal in Unterschleißheim mit mehreren 100 Leuten zu füllen. Besonders der Tag, an dem viele Kinder und Jugendliche kamen, wird vielen in Erinnerung bleiben. Da zeigte sich überdeutlich, dass die FMG überhaupt nicht versteht, warum es geht: Sogar gegen die Angst des Heimatverlustes und gegen die Ängste der Kinder vor dem Lärm antworteten sie mit Paragrafen und dem Vorwurf, Eltern würden ihre Kinder für den Protest missbrauchen. Kein Wunder, dass es dann hoch herging. Für Zündstoff sorgte auch die Ankündigung des Verhandlungsleiters der Regierung, über bestimmte Themen nicht mehr reden zu wollen und Redezeitbegrenzungen einzuführen. Ein seltsames und sehr bürgerfeindliches Rollenverständnis der Regierung: die Anhörung dient ja nicht (nur) dazu, dass die Regierung von uns neue Informationen bekommt, sondern dass jeder, der diese 3. Bahn aus guten Gründen nicht will, seine Einwände und Ängste deutlich machen kann – die Erörterungstermine sind die einzige Möglichkeit, dies direkt und mündlich und ausführlich zu tun. Und überhaupt: wer ein derartiges Monster im Moos plant, muss es schon aushalten, dafür monatelang den geballten Ärger der Bevölkerung abzubekommen. Und die Betroffenen Flughafenanwohner haben die Regierung an ihre Aufgabe erinnert, für das Wohl der Bürger zu sorgen.
Eines hat das Erörterungsverfahren deutlich gezeigt: Trotz zahlreicher Schikanen der Regierung für die Flughafengegner (Ort und Zeiten der Anhörung) ist der Widerstand ungebrochen, fachlich hochqualifiziert und von einer großen Masse getragen – und die Chancen auf Erfolg stehen besser denn je.
Den BN vertreten hatten vor allem Dr. Christine Margraf (BN Freising, BN-Landesverband), Dr. Christian Magerl (BN Freising 1. Vorsitzender) und Manfred Drobny (BN Freising und Erding Geschäftsführer), unterstützt von vielen BNlerInnen aus dem BN FS, ED, DAH, LA u.a. und zeitweise auch vom BN-Landesvorsitzenden Prof. Dr. Hubert Weiger und unserem Rechtsanwalt Dr. Ulrich Kaltenegger.