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Der alte Mann und der Strom

Der frühere Abt des Benediktinerklosters Niederaltaich, Emmanuel Jungclaussen, galt als „Schutzpatron der frei fließenden Donau“. Viele Jahren setzte er sich gegen eine Kanalisierung des Flusses mit Staustufen ein. Mit seinen jährlichen Donausegnungen und Mahnungen an die Verantwortlichen verlieh der Altabt dem Engagement für die Donau wie kaum ein anderer Autorität und Würde. Sein Lebensinhalt war die Liebe zur Natur. Emmanuel Jungclaussen verstarb im Dezember 2018.

Ein Portrait von Karl-Heinz Paulus

Emmanuel Jungclaussen (Jahrgang 1927), Abt des Klosters Niederalteich von 1989 bis 2001, ist einer der ganz wenigen Gottesmänner in unserer Zeit, der für sein herausragendes Engagement für unsere Schöpfung gleich mehrere Auszeichnungen, so unter anderem 1998 den Hans-Lechner-Naturschutzpreis und 2008 den Bayerischen Naturschutzpreis des BUND Naturschutz, erhalten hat.

Die Begeisterung und die Liebe zur Natur wurden ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt. Vor allem haben ihn die vielen Streifzüge mit seinem Vater durch die Naturräume seiner Heimat, Frankfurter an der Oder, geprägt. So war er schon von Kindheit an an allem interessiert, was blühte und Früchte trug oder was „kreuchte“ und „fleuchte“. Begierig ließ er sich in die vielfältigen Wunder der Natur einführen. Und stetig wuchs in dem noch jungen Mann der Respekt vor dem Kreislauf der Natur, ihrer sinnerfüllten Gesetzmäßigkeit und vor allem Leben, insbesondere auch in Fauna und Flora.

Später war der Altabt außerordentlich dankbar dafür, dass ihm dieser Weg vorgegeben wurde, denn: „Wer an der Natur keine Freude hat, der wird auch im Leben nicht richtig froh.“

Die Sprache Gottes in der Schöpfung hören

Emmanuel Jungclaussen brachte diese Erkenntnis aufgrund seiner fundierten Lebenserfahrung auch immer wieder in seinen Predigten, unter anderem bei seinen „Donau-Gebeten“ in Niederalteich oder sonst sich bietenden Gelegenheiten, zum Ausdruck. Wiederholt habe ich dabei aus seinem Munde den ebenso beeindruckenden wie ermutigenden und – wie ich meine – hochaktuellen Ausspruch vernommen: „Wir müssen dafür eintreten, dass die Sprache Gottes in der Schöpfung deutlich vernehmbar bleibt.“

Ab 1994 nahm Emmanuel Jungclaussen viele Jahre am Fest der Taufe Christi in Niederalteich die Donausegnung vor. Und schon damals tat er seine feste Überzeugung kund: „Dort, wo es um Natur geht, geht es um Schöpfung. Und wo es um die Schöpfung geht, da geht es um Religion.“

Freie Donau: Lebensader, wie Gott sie gewollt hat

Jesus hat schon gesagt: „Seht die Lilien auf dem Felde.“ Die Schönheit der Natur sehen, sich an ihr erfreuen, das soll der wesentliche Teil eines sinnerfüllten Lebens sein. Margot Käßmann, die Altabt Jungclaussen sehr schätzte und für eine sehr kluge Frau hält, schwärmt ebenfalls von der Schöpfung: „Und das kann doch auch der Mensch im 21. Jahrhundert unmittelbar empfinden, am Meer, bei einem Waldspaziergang, auf einer blühenden Blumenwiese, beim Anblick eines Sonnenuntergangs: Die Schöpfung ist wunderbar!“

Über solche Bekenntnisse war der Altabt hoch erfreut und diese Freude wäre noch verstärkt worden, wenn möglichst viele Zeitgenossen – und natürlich auch die Mitbrüder im Herrn – eine derartige Sensibilität an den Tag gelegt hätten. Natürlich fand er es gut, wenn Erzbischof Reinhard Marx feststellte: „Es tut der Seele gut, in einer Gemeinde zu leben, in der der Sinn für das Schöne lebendig ist.“ Und Emmanuel Jungclaussen fand in diesem Zusammenhang die frei fließende Donau nicht nur schön, er sah sie vor allem als Lebensader und zwar in der Weise, wie der Schöpfer sie gewollt hat.

 

Begeisterung für den "Strom des Lebens"

Altabt Emanuel Jungclaussen bedauerte gleichzeitig, dass nicht wenige Menschen in unserer schnelllebigen und wachstumsorientierten Zeit der Blick für das Schöne und Erhaltenswerte verlieren. Das hat zu seiner Zeit allerdings auch schon Adalbert Stifter beklagt, den Jungclaussen sehr verehrt und auf dessen Spuren er früher oft, zusammen mit seiner Schwester, die als Bibliothekarin in Linz gearbeitet hat, gewandert ist. Auch Rainer Maria Rilke schlug schon in die gleiche Kerbe: „Die meistern Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist und wie viel Pracht sich in ihr offenbart.“

Altabt Emmanuel Jungclaussen hat diese Pracht der Natur in Form der noch freifließenden Donau an seinem Altersruhesitz, dem vor 1270 Jahren gegründeten Kloster Niederalteich, vor der Klosterpforte. Und er spricht von „seiner“ Donau – mit ihren 2.857 Kilometern zweitlängster Strom Europas nach der Wolga – begeistert und respektvoll zugleich vom „Strom des Lebens“. Darum fand er den Kernsatz des ehemaligen Umweltministers Markus Söder in dem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 11. Dezember 2008: „Wir müssen im Einklang mit der Donau leben“ vollkommen richtig und sagte, dieser stimme ihn hoffnungsvoll und optimistisch.

 

Lasst die Donau fließen

Das gesamte Donaugebiet zwischen Straubing und Vilshofen ist aus europäischer Sicht hochgradig naturschutzwürdig. So eine Kostbarkeit der Natur darf man keineswegs einer widersinnigen Kanalisierung und Stauhaltung opfern. Altabt Jungclaussen war nach zahlreichen Gesprächen mit Fachleuten überzeugt, dass naturverträgliche, flussregulierende Maßnahmen, die darüber hinaus nur einen Bruchteil kosten, für ein Funktionieren der Schifffahrt völlig ausreichend sind.

Dass er damit Recht hatte, beweisen die Verhältnisse in der Wachau. Vor nunmehr 28 Jahren leisteten die Wachau-Gemeinden und ein eigens gegründeter Arbeitskreis heftigen Widerstand gegen einen Donauausbau in ihrer prächtigen Kulturlandschaft. Zur Belohnung verlieh man 1994 diesem naturbelassenen Donauabschnitt von europäischer Bedeutung das „Europäische Naturschutzdiplom“. Das gleiche Ziel visiert im Übrigen auch der „Bayerische Heimattag“ an. Er beabsichtigt, den Flussabschnitt von Regensburg bis Passau in die Tentativliste (Vorprüfungsliste) zum UNESCO-Welterbe als Natur- und Kulturerbe aufnehmen zu lassen.

 

Guter Hoffnung für die Donau

Altabt Jungclaussen segnete 1995 das am Flussufer in Niederalteich aufgestellt Donaukreuz. Für ihn ist es ein Symbol der Hoffnung, dass sein „Strom des Lebens“ auch künftig in seinem freien Fließen nicht durch ein Prestige-Projekt (im Fachjargon: „Variante C/C 280“ ) aus Beton behindert wird. Ganz im Sinne von Thomas von Aquin, der in der Ursprünglichkeit der Schöpfung das Wesen Gottes erkannte. Er orientierte sich inhaltlich an dem Kerninhalt des Schöpfungsgebetes: „Mach uns zu treuen und sorgsamen Verwaltern deiner Erde, dass wir aufhören, sie zu schänden oder auszubeuten“,  den der Altabt in seinen Predigten anlässlich der Donaugebete wiederholt zitierte.

Emmanuel Jungclaussen ist kein Eiferer und schon gar nicht der „Savonarola des Danubius“. Er ist ein Naturfreund und speziell ein Freund „seines“ großen Stromes, der Donau, aus Leidenschaft und Überzeugung. Und er stimmt mit Honoré de Balzac völlig überein: „ Die Liebe zur Natur ist die einzige, welche die Hoffnungen der Menschen nicht trügt.“ Altabt Jungclaussen war optimistisch und guter Hoffnung, dass „sein“ „Strom des Lebens“ auch in Zukunft frei fließen kann und er hat an seinen Gestaden weiterhin dafür gebetet, solange er es vermochte.