Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

1 Jahr Energiewende im Allgäu und Nordschwaben

Nachholbedarf bei Energieeinsparung und Windenergieausbau

01.03.2012

Am 11. März 2012 jährt sich die Atom-Katastrophe von Fukushima zum ersten Mal. Erst dieses schreckliche Unglück war der Anlass, eine Energiewende in Deutschland einzuleiten. Die Bayerische Staatsregierung gab das Ziel aus, bis 2021 über 50% des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien bereitzustellen. 2011 lag der Anteil Erneuerbarer Energieträger in Bayern bei ca. 30%.

„Um die Energieziele zu erreichen sind in Schwaben vor allem Anstrengungen im Bereich der Energieeinsparung und dem Ausbau der Windenergie nötig“, erklärt Richard Mergner, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz. „Beim Ausbau der Wasserkraft und bei der Biogaserzeugung aus Mais sind die Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit allerdings schon erreicht.“

„Wenn die Energiewende im Allgäu und Nordschwaben ein Erfolg werden soll, dann ist die Errichtung einer Energieagentur Nordschwaben, eine Altbausanierungskampagne, die Gründung von Energieteams in allen Städten und Gemeinden und ein zügigeres Fortschreiben der drei Windkraft-Regionalpläne nötig“, fasst Thomas Frey, BN-Regionalreferent für Schwaben, die Hauptforderungen für den Regierungsbezirk zusammen.

„Die Energiewende hat für Schwaben mit einem Schock begonnen“ bedauert Paul Reisbacher, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Augsburg. Denn gerade das besonders gefährliche AKW Gundremmingen hat aus wirtschaftspolitischen Gründen gegenüber dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss eine Laufzeitverlängerung bis 2017 (Block B) und 2021 (Block C) bekommen. „Gundremmingen muss sofort stillgelegt werden“, so Reisbacher.

„Damit die Energiewende ein Erfolg wird, müssen die FDP-geführten Wirtschaftsministerien in Berlin und München ihre Blockadepolitik bei der Energieeinsparung aufgeben und endlich der dezentralen erneuerbaren Energieversorgung den Vorrang vor zentralen Großprojekten geben“, so Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter.

Zahlen zum Ausbaustand Erneuerbarer Energien (vgl. hierzu auch die Diagramme in der download-Datei)

Solarenergie:
Großes Potenzial liegt in Schwaben in der Solarenergie. Der Regierungsbezirk ist eine der sonnenreichsten Regionen Deutschlands. Der Zubau von Photovoltaik war auch im Jahr 2011 auf konstant hohem Niveau. Würde das Zubauniveau von 2011 bis ins Jahr 2021 in Schwaben erhalten, entspräche das einer Vervierfachung der heute installierten Leistung. Damit könnten dann in Schwaben bereits 40% des Stromverbrauchs mit Solarenergie gedeckt werden. Der BN kritisiert deshalb die zwischen Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium vereinbarte Kürzung der Photovoltaik-Vergütung scharf. Die Ziele des Energiekonzeptes der Bayerischen Staatsregierung, die auch eine Vervierfachung des Sonnenstromes bis 2021 vorsehen, sind so nicht erreichbar. Die Solarenergie ist aus Akzeptanz- und ökologischen Gründen weiter zu forcieren. Schon heute liegen die Preise für eingespeisten Sonnenstrom auf dem Niveau für Haushaltsstrom. Die Photovoltaik–Stromerzeugungskosten werden aber in den kommenden Jahren noch deutlich sinken.

Windenergie:
Einig sind sich Bund Naturschutz und Bayerische Staatsregierung, dass bis 2021 ca. 10% des Energieverbrauchs aus Windenergie erzeugt werden können. Um dieses Ziel zu erreichen sind in Schwaben ca. 300 neue Windräder nötig. Bisher sind im Regierungsbezirk 49 Anlagen aufgestellt. Das bedeutet bei 10 Flächenkreisen in Schwaben, dass pro Landkreis ca. 30 neue Anlagen notwendig sind. Im letzten Jahr wurde in Schwaben nur eine Windenergieanlage neu errichtet (Ollarzried in Unterallgäu). Allerdings konnten - nach einer Flaute in den Vorjahren - wieder deutlich mehr Windenergieanlagen genehmigt werden. In Zöschingen im Landkreis Dillingen wurden 10 Anlagen genehmigt, in Buttenwiesen im Landkreis Dillingen 3 Anlagen und in Wildpoldsried im Landkreis Oberallgäu wurde seit der Katastrophe von Fukushima eine Anlage genehmigt. In Bidingen im Ostallgäu stimmten die Bürger in einem Bürgerentscheid für den Bau eines neuen Windrades. Um die Ausbauziele in der Windenergie zu erreichen, sind in diesem Bereich noch deutlich höhere Anstrengungen von Nöten. Als erster Schritt ist dafür eine zügige Fortschreibung der Regionalpläne erforderlich, um weitere mögliche Standorte für Windräder festzulegen. Positiv ist festzustellen, dass die Akzeptanz für Windenergie in ganz Schwaben - auch in den bisher windradfreien Gebieten - gestiegen ist. In allen Teilen Schwabens sprießen seit einem Jahr Initiativen zum Bau von Windrädern.

Biomasse/Biogas:
Bei der Biomasseverstromung nimmt Nordschwaben schon heute eine Spitzenposition ein. Allerdings ist diese mit einem dramatisch ansteigenden Anteil an Mais-Monokulturen und damit einhergehenden Grünlandumbruch ökologisch teuer erkauft. Die ökologische Belastungsgrenze durch Maisanbau ist in den nordschwäbischen Landkreisen schon überschritten. Innerhalb von 5 Jahren wurden in einigen nordschwäbischen Landkreisen über 10% des Grünlandes umgebrochen.  Der Bund Naturschutz sieht deshalb kein zusätzliches Potenzial für Biogasanlagen auf Maisbasis. Durch güllebasierte Anlagen im Allgäuer Grünlandbereich kann der Anteil an der Stromerzeugung nur noch leicht ausgebaut werden. Die bestehenden Biogasanlagen sollten für den Einsatz von Regelenergie umgebaut werden. Eine verstärkte Nutzung von Gülle ist anzustreben.

Wasserkraft:
Zur Wasserkraft liegen keine nach Landkreisen aufgeschlüsselten Daten vor. Der Anteil der Wasserkraft lag in Bayern 2010 bei ca. 14%.

Damit ist das theoretisch mögliche Wasserkraftpotenzial in Bayern schon zu über 90% ausgenützt. Neue Wasserkraftwerke würden die letzten freifließenden Abschnitte unserer Bäche und Flüsse zerstören. Aktuell sind beispielsweise Planungen für neue Wasserkraftwerke im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen oder im Naturschutzgebiet Stadtwald Augsburg bekannt.

Naturnahe Fluss-Ökosysteme gehören zu den gefährdetsten Labensraumtypen überhaupt. Deswegen spricht sich der Bund Naturschutz gegen einen Neubau von Wasserkraftwerken in diesen Schutzgebieten aus. Durch Effizienzsteigerungen an bestehenden Wasserkraftwerken ist in Schwaben noch ein zusätzlicher Ertrag von ca. 15 Mio. kWh/a möglich, was allerdings nur ca. 0,1% des schwäbischen Stromverbrauchs entspricht.

Notwendige Weichenstellungen

Energieeinsparung

  1. Energieagentur Nordschwaben: notwendig ist der Aufbau einer Energieagentur Nordschwaben nach dem Vorbild des Energie- und Umweltzentrums Allgäu (eza!). Dadurch kann auch in Nordschwaben eine flächendeckende Energieberatung, Energiemanagement für Kommunen oder Fortbildung für Bau- und Handwerksbetriebe angeboten werden.
  2. Energieteams und Energiemanager in allen Gemeinden: um Energieeinsparung und Erneuerbare Energien vor Ort voranzubringen sind Kümmerer in allen Kommunen hilfreich. Von Energieagenturen betreute Energieteams können diese Aufgabe erfüllen, wie Erfahrungen aus dem Allgäu zeigen.
  3. Altbausanierungskampagne: die Sanierungsquote von Altbauten muss deutlich erhöht werden. Dazu ist eine von den regionalen Energieagenturen durchgeführte Altbausanierungskampagne erforderlich, innerhalb derer Energieberater aktiv auf Hausbesitzer zugehen.
  4. Energiemanagement in Betrieben: riesiges Einsparpotenzial findet sich bei Gewerbe und Industrie. Durch intensiviertes Energiemanagement könnte hier die Energieeffizienz massiv gesteigert werden. Das Kompetenzzentrum Umwelt in Augsburg (KUMAS) bietet beste Voraussetzungen für flächendeckende Projekte zur Energieeinsparung in Betrieben.

Beschleunigung der Regionalplanfortschreibungen Windenergie
In allen drei schwäbischen Planungsregionen werden derzeit die Regionalpläne für Windenergie zur Ausweisung vor Standorten für Windkraftanlagen fortgeschrieben. Regionalplanung ist wichtig, um die aus ökologischen und ökonomischen Gründen besten Windenergiestandorte zu finden. Allerdings geschieht dies in Schwaben auf sehr unterschiedlichem Niveau. Während in der Planungsregion Donau-Iller (Landkreise Neu-Ulm, Günzburg und Unterallgäu) fachlich fundiert und bürgernah der Fortschreibungsprozess schon weit fortgeschritten ist, steckt man in den Planungsregionen Allgäu und Augsburg noch in den Startlöchern.
Der Bund Naturschutz fordert daher:

  1. Mehr politische Entschlossenheit in den Planungsregionen Augsburg und Allgäu bei der Fortschreibung der Regionalpläne.
  2. Ein Sofortprogramm für mehr personelle Ressourcen in den Planungsverbänden Allgäu und Augsburg.

Gundremmingen sofort abschalten
Im schwäbischen Gundremmingen steht Deutschlands größtes Atomkraftwerk, Deutschlands größtes Atommülllager, Deutschlands Plutoniumzentrum und Deutschlands letzte Siedewasserreaktoren (Typ Fukushima). Gerade dieses besonders gefährliche AKW hat im Rahmen der Energiewendebeschlüsse aus rein wirtschaftspolitischen Gründen statt der rot-grünen Ausstiegsbeschlüsse eine Laufzeitverlängerung bis 2017 (Block B) und 2021 (Block C) zugestanden bekommen.

Der Bund Naturschutz fordert eine sofortige Abschaltung des AKW Gundremmingen:

  1. Aus Sicherheitsgründen, denn nach einem GAU in Gundremmingen wären große Teile Schwabens unbewohnbar.
  2. Um Alternativen nicht zu blockieren, da das AKW Gundremmingen Investitionen in alternative Kraftwerke, wie beispielsweise das geplante GuD Kraftwerk Leipheim, unwirtschaftlich macht.
  3. Der Bund Naturschutz (zusammen mit anderen Organisationen) ruft daher für den 11. März zu einer Großdemonstration in Gundremmingen auf.



Der Bund Naturschutz ist aktiv für die Energiewende

  1. Umweltbildung: der Bund Naturschutz ist Bayerns größte Umweltbildungseinrichtung. In zahlreichen Veranstaltungen und Projekten wird über die Energiewende informiert und diskutiert. Herausragend ist dabei das Projekt Energieführerschein, bei dem Drittklässler aus dem ganzen Regierungsbezirk einen verantwortlichen Umgang mit Energie erlernen.
  2. Mitarbeit bei der Energiewende vor Ort: BN-Aktive engagieren sich in zahlreichen Energieteams in ihren Städten und Gemeinden und initiieren Erneuerbare Energieanlagen. So wird durch den Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Aichach-Friedberg, Helmut Schenke, gerade ein Windpark in Pöttmes auf den Weg gebracht. In internen Fortbildungen (z.B. Workshop Rechtsformen für Windkraftgesellschaften, Weiterbildung Energiegenossenschaften gründen, etc.)  befähigen wir Interessierte, die Energiewende vor Ort umzusetzen.
  3. Rahmenbedingungen für die Energiewende setzen: der Bund Naturschutz beteiligt sich auf allen Ebenen an der Definition von Rahmenbedingungen für die Energiewende. So arbeiten beispielsweise BN-Aktive vor Ort an der Aufstellung von Energienutzungsplänen mit, nehmen detailliert Stellung bei der Ausweisung von Windkraft-Vorranggebieten oder arbeiten in zahlreichen Arbeitskreisen bei der Ausarbeitung der politischen und fachlichen Rahmenbedingungen mit.

Die bayernweite Arbeit des Bund Naturschutz, dem mit etwa 180.000 Mitgliedern größten bayerischer Umweltverband, wird von der Bevölkerung honoriert. In ganz Schwaben nahmen die Mitgliederzahlen 2011 von 22.500 auf 23.100 um fast 600 Personen zu. Davon waren Ende 2011 9700 in den Allgäuer Landkreisen und Städten Mitglied (Anfang 2011: 9500 Personen).

Für Rückfragen:
Thomas Frey
Bund Naturschutz Regionalreferat Schwaben
089-548298-64 oder 0160-95501313
Thomas.frey@bund-naturschutz.de