Aktuelle Forschungsergebnisse zu Waldschäden
Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) präsentiert im Rahmen eine Seminars aktuelle Forschungsergebnisse zu Waldschäden an der Weißtanne im Frankenwald. „Eine deutliche Verringerung der Schwefeldioxidbelastung seit den 80zigern führte zur Gesundung und besserem Wachstum der Weißtanne“, berichtet Prof. Wolfram Elling vom Fachbereich Wald und Forstwirtschaft der Fachhochschule Weihenstephan von seinen langjährigen Untersuchungen. Die breit angelegten Untersuchungen zeigen, dass die Weißtanne stark unter dem Schwefeldioxid gelitten hat. Unter dem Druck der Umweltverbände und der Waldsterbensdebatte in den 80zigern hat die Politik 1983 die Großfeuerungsanlagenverordnung beschlossen, die zu einer starken Reduktion der Schwefelbelastung führte. Ohne das damalige große Engagement der Umweltverbände wäre heute mit weitaus schlimmeren Waldschäden zu rechnen.„Wir fordern deshalb heute die Politik auf sich für eine weitere Verringerung der Luftschadstoffeinträge und hier insbesondere beim Stickstoff und Ozon einzusetzen, weil für uns gesunde Wälder und sauberes Trinkwasser unersetzlich sind,“ so Hubert Weiger, Vorsitzender des BN.
Enger Zusammenhang zwischen Schwefelbelastung und Tannenschäden en
Seit mehr als 2 Jahrzehnten forschte Prof. Wolfram Elling zusammen mit Dr. Christoph Dittmar über Verlauf und Ursachen von Schädigung, Absterben und Erholung von Weißtannen. Während es vor 1940 keine Jahrringausfälle, d.h. Wachstumsstopps gab, wird spätestens um 1960 ein starker Zuwachsrückgang der Jahrringbreiten deutlich, der in den 1970er Jahren in einen regelrechten Zuwachszusammenbruch übergeht. Ab etwa 1983 steigen dann die Jahrringbreiten von Tannen wieder deutlich an und zeigen so den Beginn einer Erholung an. Als Ergebnis zahlreicher, ganz unterschiedlicher Untersuchungen steht heute fest: Die Tanne ist einseitig und hochgradig empfindlich gegen eine chronische Belastung durch Schwefeldioxid. Dieses Gas, das in der Luft über weite Strecken transportiert wird, schädigt die Tanne bereits bei Konzentrationen, die unterhalb aller früher und heute festgesetzten Grenzwerte liegen. Die Großfeuerungsanlagenverordnung von 1983 hat durch Entschwefelung bzw. Stilllegung, vor allem von Großkraftwerken, zu einer Entlastung der Tanne geführt. Darauf beruht vor allem der starke Anstieg der Jahrringbreiten ab 1983. Die zunehmende Gesundung der Weißtanne verläuft gegenläufig zu abnehmenden Emissionen an Schwefeldioxid in den alten Bundesländern (siehe Abbildung in Hintergrundinformationen). Die erfreulichen Nachrichten von der Erholung der Weißtanne sind leider nicht auf andere Baumarten zu übertragen.
Erfolge der Luftreinhaltung waren Folge öffentlicher Waldschadensdebatten
Der Wald ist der wichtigste Bioindikator und das auf der gesamten Landesfläche. Damals hat er saure Böden und zu hohe Schwefelkonzentrationen in der Luft angezeigt. Als Folge der Waldschadensdebatten und – berichte wurde die Gefährdung der Wälder damals breit in der Öffentlichkeit diskutiert. Breite Allianzen zum Schutz der Wälder gründeten sich, private Klagen gegen die Bundesrepublik waren anhängig und die verantwortliche Bundespolitik reagierte positiv darauf. Durch die Öffentlichkeitsarbeit und den Druck der Umweltverbände ist 1983 die Großfeuerungsanlagenverordnung zustande gekommen. Dies führte zu einer massiven Verringerung der Schadstoffemissionen vor allem von Schwefeldioxid. Durch Einführung von bleifreiem Benzin, Katalysatoren und Entschwefelung und Entstickung der Kraftwerke konnte in relativ kurzer Zeit und mit großem finanziellen Aufwand deutliche Verbesserungen erreicht werden. Es gelang ein großer umweltpolitischer Erfolg: die sehr hohen Schwefeldioxideinträge wurden markant um 80 % und mehr reduziert. Aufgrund dieser Luftverbesserungen starben die Wälder nicht flächig ab, die Baumart Weißtanne erholt sich deshalb seit Jahren zunehmend.
Jährlicher Waldschadensbericht unersetzlich um Waldgesundheit zu garantieren
Der BN kritisiert in diesem Zusammenhang den Beschluss des Bundestages den bislang jährlichen Waldschadensbericht nur alle 4 Jahre zu veröffentlichen. Angesichts der immensen Bedeutung der Wälder für die Daseinsvorsorge (Trinkwasser, Luft, Klima, Hochwasserschutz, Boden- und Lawinenschutz, Erholung u.a.m.) ist es eine unersetzliche Aufgabe des Staates, seine Bürgerinnen und Bürger über den Zustand der Wälder in Deutschland in einem jährlichen Bericht zu informieren. Der BN fordert deshalb, dass der Waldzustandsbericht weiterhin jährlich veröffentlicht und um die Erfassung der aktuellen Veränderungen der Waldböden erweitert wird. Denn in den Waldböden tickt aufgrund der Säuren- und Stickstoffeinträge eine Zeitbombe, die zur Gefährdung unserer Trinkwasserversorgung führen kann, die bisher weitgehend auf den sauberen Grundwässern aus den Wäldern ruht. „Die Bundes- und Landespolitik muss sich deshalb auch in Zukunft jährlich mit den Waldschäden und dem Waldzustand befassen,“ fordert Hubert Weiger.
Weißtanne - eine Baumart mit Zukunft
Olaf Schmidt, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, ging im Rahmen des Seminars auf die große Rolle der Tanne im Frankenwald ein. Während die Tanne früher im Frankenwald sehr verbreitet war, wachsen seit etwa 80 Jahren kaum mehr Tannen nach. Zur Zeit höchster Luftschadstoffbelastungen sind im Trockenjahr 1976 massenhaft Alttannen abgestorben. Auch in den Jahren danach wurden viele geschädigte Tannen oft „vorsorglich“ entnommen, bevor sie abgestorben waren. Nach den Ergebnissen der Waldzustandsaufnahme und nach ersten Messungen von Jahrringbreiten hat dagegen die Tanne das Trockenjahr 2003 weitgehend schadlos überstanden. Diese Baumart findet nach der Verringerung der Luftschadstoffe wieder zu ihrer ehedem bekannten Widerstandsfähigkeit gegen Trockenheit zurück. Wenn es infolge des Klimawandels wärmer und trockener wird, dann ist die Weißtanne eine Baumart mit Zukunft. Allerdings müssen die weithin überhöhten Wildbeständen abgesenkt werden, damit junge Weißtannen überhaupt aufwachsen können.
Dr. Ralf Straußberger
Waldreferent Bund Naturschutz
Tel. 0911/81 87 8-21, Fax 0911/86 95 68, Handy 0171/7381724
E-Mail: ralf.straussberger@bund-naturschutz.de
Hintergrundinformationen
Grundlage dieser Untersuchungen ist die Erfassung des Jahrringbaus von älteren Tannen durch Messung der Jahrringbreiten anhand von Bohrkernen. In zahlreichen Diplomarbeiten und mehreren Forschungsprojekten sind über 1000 Tannen aus Bayern und Baden Württemberg (hier vor allem aus dem Schwarzwald) untersucht worden. Aus dem Jahrringbau geht die Krankheitsgeschichte der Tanne hervor: Spätestens um 1960 wird ein starker Rückgang der Jahrringbreiten deutlich, der in den 1970er Jahren in einen regelrechten Zuwachs-Zusammenbruch übergeht. Das wird dadurch unterstrichen, dass Tannen in dieser Zeit zahlreiche Jahrringausfälle erlitten haben. Jede 3. Tanne ist davon betroffen. Auf einem Bohrkern können im Extremfall mehr als 20 Jahrringe fehlen. Diese kann man natürlich nicht sehen. Man weist sie nach durch die Methoden der Dendrochronologie: Die Breite einzelner Jahrringe wird über dem Jahr aufgetragen, in dem diese gebildet worden sind. So entsteht eine zackige Jahrringbreitenkurve. Die Abbildung unten zeigt eine solche als Mittelwert der Jahrringbreiten von über 1000 Tannen aus Süddeutschland. In der richtigen zeitlichen Lage greifen Jahrringkurven einzelner Bäume in eine solche Standardkurve ein wie ein Sicherheitsschlüssel ins Sicherheitsschloss. So läßt sich auch die Anzahl fehlender Jahrringe zuverlässig feststellen, denn vor 1940 gibt es bei der Tanne keine Jahrringausfälle. Ab etwa 1983 steigen dann die Jahrringbreiten von Tannen wieder deutlich an und zeigen so den Beginn einer Erholung an.
Grafik "Durchschnittliche Jahresringbreite der Tanne und Schwefelbelastung" siehe Download.