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Atomausstieg und Bürgerenergiewende in Bayern vor dem Scheitern?

BUND Naturschutz stellt mit innovativen Unternehmen Wege aus der Sackgasse vor.

07.02.2014

„Seit Herbst 2013 droht die Bayerische Staatsregierung die Energiewende in die Sackgasse zu führen: Mit überdimensionierten, schematischen Abstandsregelungen macht Ministerpräsident Horst Seehofer fast alle auch ökologisch vertretbaren Standorte für Windkraftanlagen unmöglich. Damit wird das Engagement tausender Menschen, die sich in Bürgerenergiegenossenschaften für die Energiewende engagieren ad absurdum geführt. Das Wirtschaftsministerium blockiert die Flexibilisierung bestehender Biogasanlagen als virtuelle Ersatzkraftwerke. Mit dem berechtigten Unmut der Menschen in Bayern zum Vorhaben „Gleichstromtrasse Süd-Ost“ Amprion bekommt die bayerische Staatsregierung nun die Quittung für ihren Schlingerkurs gegen die „Energiewende von Unten“, so Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern. „Wir fordern die dezentrale Energiewende als die bessere Alternative und deshalb nicht die Blockade, sondern den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien in Bayern“.

Die Pläne der Bundesregierung und die jüngsten Kehrtwende-Beschlüsse der Staatsregierung auf Druck von Ministerpräsident Seehofer bringen den Atomausstieg und die dezentrale Bürgerenergiewende in größte Gefahr. Ebenso droht innovativen mittelständischen Unternehmen, welche die Energiewende mit Energieeinspar- und Energieeffizienztechnik in Bayern voranbringen das Aus.  Der BUND Naturschutz  warnt daher massiv vor einem weiteren Arbeitsplatzabbau im Bereich der erneuerbaren Energien.

Die bisher geltende Rechtsgrundlage für Abstände von Wohnungen zur Windenergie ist der Lärmschutz, da Windenergieanlagen technische Anlagen sind. Das Bundesimmissionsschutzgesetz legt fest, welcher Lärm in Deutschland zumutbar ist. Aus dem Gesetz ergeben sich so für Windräder knapp 800 Meter Abstand zu Wohnbebauungen, eine solide Grundlage für die Regionalplanung Wind. Statt auf dieser Grundlage die Regionalpläne zu beschleunigen und zur raschen Festlegung von Vorranggebieten Wind zu kommen, wurde im Kabinett mit „10H“, also 2000 Meter und mehr Abstand ein neuer Wert festgelegt.

„Es gibt für diesen Wert „10H“ als Abstand Windrad zu Wohnungen keine sachliche Begründung, außer dem Ziel, die Windenergie, und damit die Energiewende in Bayern zu stoppen. Auch wenn nun von Vertrauensschutz und möglichem Konsens in den Kommunen gesprochen wird – klar ist nun, dass die Bayerische Staatsregierung die Energiewende in Bayern ablehnt, gegen das Engagement der bayerischen Bürgerinnen und Bürger“, kritisiert Richard Mergner, Landesbeauftragter beim BUND Naturschutz. „Mit mehr Windenergie in Bayern bräuchten wir deutlich weniger Höchstspannungsleitungen quer durch’s Land“, so Mergner.

Im Frühjahr 2012 hatte der BUND Naturschutz seine Position zur Nutzung von Biogas vorgestellt, mit Kritik an der Vermaisung der Landschaft, aber auch Beschreibung der großen Potentiale: Abfallnutzung, Wärmenutzung, Flexibilisierung. Der Biogas-Anlagenbauer Agrikomp GmbH hatte das Thema in die Bayerische Staatsregierung getragen – der Bayernplan Biogas wurde am Staatsministerium für Landwirtschaft diskutiert. Heute wäre dies eine Aufgabe am Bayerischen Wirtschaftsministerium – dort aber liegt das Thema auf Eis.

„In einer Studie des Fraunhofer-Institutes für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel wurde errechnet, dass die bestehenden Biogasanlagen in Bayern und zusätzlich die Nutzung von Gülle und Mist aus unseren Viehbetrieben bei richtiger Fahrweise und Vermarktung bis zu 5500 Megawatt elektrischer Leistung für das Stromnetz in Bayern bieten könnten – das entspräche der Leistung der noch laufenden  bayerischen Atomkraftwerke. Und das dezentral und mit lokaler Wertschöpfung in Bayern“, so Robert Bugar,
Inhaber der Firma Agrikomp GmbH in Mittelfranken, Merkendorf.

Flexible Biogasanlagen als dezentrale Ersatzkraftwerke können Netzstabilität bieten und sind eine dezentrale Alternative zum überdimensionierten Netzausbau.

Der BUND Naturschutz hatte das zentralistische Energiekonzept von Bundes- und Staatsregierung, das die Interessen der großen Strom- und Kohlekonzerne mit neuen Stromautobahnen bedient, bereits in den Jahren 2012 und 2013 massiv kritisiert und dezentrale Alternativen gefordert. Ein dezentrales Energiesystem bietet mehr Versorgungssicherheit und bringt Wertschöpfung vor Ort. Ebenso wurden die Parameter der Netzentwicklungspläne und Stromautobahnen wiederholt kritisiert: Zu teure off-shore Windanlagen im Norden, zu viel Braunkohlestrom im Nordosten und Nordwesten, zu wenig dezentrale Energiewende, kein Energiesparen, kein Ausbau der Windkraft nach Qualitätsplanung und keine flexiblen Biogasanlagen in Bayern. Die Alternativen-Prüfung wurde in Berlin verweigert – mit Zustimmung Bayerns. Natürlich wird ein neues dezentrales Energiekonzept auch neue Stromleitungen erfordern, vor allem der Ausbau der Verteilernetze muss vorangehen. Hierzu fordert der BUND Naturschutz eine Offenlegung der Szenarien ebenso wie eine Alternativen-Betrachtung für die zukünftige Stromerzeugung.

„Ein falsches Energiekonzept führt zu falschen Stromautobahnen, daher lehnen wir die „Thüringer Strombrücke“ und den Korridor D, die „Gleichstromtrasse Süd-Ost“ von Halle nach Meitingen, ab. Denn damit würde vor allem Braunkohlestrom transportiert werden, gegen den Klimaschutz“, kritisiert Weiger.

In einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Staatsregierung von Baden-Württemberg hatte Ministerpräsident Seehofer im Januar zwar die Forderung zu Kürzungen bei der EEG Vergütung für on-shore Wind an Land abgemildert. Die Untergrenze für die Vergütung soll nun mit 60 – 80 Prozent des Referenzertrages an bayerische Verhältnisse angepasst werden – so der neue Vorschlag aus der „Südachse“.

Nach Fukushima hatte die Bayerische Staatsregierung erste Schritte in Richtung eines dezentralen Energiekonzepts und in Richtung „Energiewende von Unten“ unternommen. Der Ausbau der Windenergie mit fachlich fundierter Regionalplanung wurde gestartet, Studien zur flexiblen Nutzung des Stroms aus Biogas mit dem Ziel einer dezentralen Stabilisierung der Stromnetze wurden gestartet, Stromsparen bis minus 50 Prozent wurde diskutiert. Klimaschutz würde Investitionen und Arbeitsplätze schaffen. Und dies vor allem in kleineren Betrieben. Arbeitslöhne und Gewinne könnten in Bayern verbleiben. Die Menschen in Bayern würden von einer dezentralen Energiewende profitieren. Die Bayerische Staatsregierung scheint diesen Weg einer breiten regionalen Wertschöpfung nun mit dem Argument der mangelhaften Versorgungssicherheit abzulehnen. Deshalb droht im nächsten Jahr die Diskussion um die Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld.

Für Rückfragen:                                                                                        

Richard Mergner, BN -Landesbeauftragter, 0171-6394-370