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Aventura Kiefersfelden: Generalangriff auf die Landschaft und regionale Betriebe

Bund Naturschutz (BN) lehnt das geplante Einkaufs- und Spaßzentrum im Inntal bei Kiefersfelden wegen massiven negativen Folgewirkungen entschieden ab

26.07.2010

Der Bund Naturschutz (BN) sieht in dem Projekt „Aventura Kiefersfelden“ einen weiteren Angriff auf Natur, Landschaft und Kultur im bayerischen Inntal. Für das Vorhaben besteht kein Bedarf, der die schädlichen Auswirkungen auf diese Schützgüter rechtfertigen könnte. Zudem wären durch das geplante multifunktionale Center mit dem Focus auf Outdoorsport erhebliche, nachteilige Folgewirkungen für die entsprechenden regionalen Firmen und Geschäfte vorprogrammiert. Weiterhin ist das Vorhaben nicht mit den Festlegungen der Alpenkonvention zu vereinbaren und steht eindeutig im Widerspruch zu den Zielen der Landes- und Regionalplanung hinsichtlich einer nachhaltigen ökologischen und ökonomischen Entwicklung der Region und des Naturraums. „Wir erwarten daher von der Regierung von Oberbayern eine klare Ablehnung des Projekts bereits im Rahmen des Raumordnungsverfahrens“, erklärte Hubert Weiger, der Landesvorsitzende des BN. „Durch eine landesplanerisch negative Beurteilung muss diesem Großprojekt im Inntal bereits jetzt eine unmissverständliche Absage erteilt werden“, sagte Weiger.

Erhebliche Beeinträchtigungen der regionalen Wirtschaft

Für das Einzelhandelsprojekt „Aventura Kiefersfelden“ ist, außer den Investitions- und Gewinninteressen des Antragstellers kein Bedarf  erkennbar. Im vorgesehenen Einzugsbereich liegen mehrere Oberzentren und zentrale Orte mit völlig ausreichendem Angebot im Sportartikel- und Beherbergungsbereich. Das neue Großprojekt konzentriert das diesbezügliche Angebot dagegen zu Lasten des vorhandenen regionalen Angebots.

Dies ergibt sich durch das in den Unterlagen dargestellte Einzugsgebiet, das Nachfragevolumen, das geplante Angebot (z.B. Sportshops mit rund 7.200 m²) und die Zahl der erfassten projektrelevanten Betriebe. In der Auswirkungsanalyse kommt deutlich zum Ausdruck, dass in zahlreichen Orten nachteilige Auswirkungen für die entsprechenden Einzelhandelsfirmen nicht auszuschließen, wahrscheinlich oder sicher sind und z.T. sogar eine Gefährdung prognostiziert wird. Dies gilt insbesondere für Kolbermoor, Raubling, Oberaudorf, Kiefersfelden und Brannenburg. „Das Projekt läuft somit allen Anstrengungen zur Erhaltung zentralörtlicher Strukturen und zur Stärkung der regionalen Wirtschaft zuwider“, kritisierte Ernst Böckler, der Vorsitzende der BN Kreisgruppe Rosenheim. Er wies außerdem darauf hin, dass die mit dem neuen Projekt erwarteten Arbeitsplätze in Bezug auf die drohenden Arbeitsplatzverluste in der Gesamtregion durch Umsatzeinbußen bestehender Betriebe mindestens aufgewogen werden.

Drastische Verkehrszunahme vorprogrammiert

„Aventura Kiefersfelden“ soll Kunden aus einem Umkreis von bis zu 100 km anlocken – fast ausschließlich über die Inntalautobahn, die bereits jetzt mit durchschnittlich 43.000 Kfz pro Tag belastet ist. Im Einzugsbereich leben in einer Entfernung von maximal 90 Minuten etwa 5,9 Mio. Menschen. „Wenn man bei den geplanten 640 PKW-Parkplätzen nur von einem zweimaligen täglichen Wechsel ausgeht, würde dies eine Zunahme des Verkehrs auf der Inntalautobahn von rund 2.400 Fahrzeugen pro Tag verursachen, was einem Zuwachs von rund 5 % auf der ohnehin überlasteten Transitstrecke entspricht“, erklärte Georg Dudek von der Inntal Gemeinschaft.

Das Projekt würde zu einer erheblichen Steigerung des Kfz-Verkehrs beitragen und damit zum Mehrverbrauch von Energie, sowie zur Zunahme der Kohlendioxid-Emissionen, von Schadstoffen und Lärm. Das Inntal und dessen Bewohner sind jedoch bereits jetzt von den negativen Folgen des Straßenverkehrs ganz massiv betroffen. „Das Vorhaben widerspricht allen Anstrengungen zur Verringerung der Belastungen für die betroffene Bevölkerung, zur Abwendung klimatischer Beeinträchtigungen und letztlich auch der Einsparung von Verkehrsinvestitionen“, betonten auch die Vorsitzenden der BN Ortsgruppen im südlichen Inntal, Robert Haidacher, Georg Binder, Brunhilde Rothdauscher und Adalbert Busch.

Inakzeptable Verschandelung der Inntallandschaft

Die für das Projekt vorgesehenen Grundstücke (4 Hektar) liegen zwar an der Autobahn A 93, waren aber bis vor kurzem noch Bestandteil des seit 1952 bestehenden Landschaftsschutzgebietes (LSG) „Inntal Süd“. Im Regionalplan der Region Südostoberbayern ist das Areal noch als landschaftliches Vorbehaltsgebiet ausgewiesen. In diesen Gebieten kommt den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege eine besondere Bedeutung zu. Die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und das Landschaftsbild sollen nachhaltig gesichert werden. Weiterhin soll die Charakteristik der Landschaft und ihrer Teilbereiche erhalten und größere Eingriffe in das Landschaftsgefüge vermieden werden.

Auch wenn der vorgesehene Standort für diesen Großkomplex inzwischen aus dem LSG „herausgeschnitten“ wurde, grenzt die Fläche praktisch immer noch an das bestehende Schutzgebiet an. Durch die Errichtung des überdimensionierten Fremdkörpers „Aventura“ würde der wesentliche Schutzzweck des LSG, das Landschaftsbild, und der einmalige freie Blick auf den Wilden Kaiser und die Innauen massiv beeinträchtigt. Nach Ansicht des BN ist das Vorhaben daher auch aus übergeordneten Gründen, bzw. den grundsätzlichen Vorgaben des Regionalplans zum Schutz der Landschaft in diesem Raum abzulehnen.

Die besonders auffällige Gestaltung des 23 m hohen Gebäudekomplexes stört das Orts- und Landschaftsbild des vom Kaisergebirge dominierten Inntals und der historisch wertvollen Stadt Kufstein. „Schon die in den Verfahrensunterlagen beigefügten Bilder zeigen eine inakzeptable Dominanz des Bauwerks gegenüber den landschaftsprägenden Bergen“ erklärte Ernst Böckler. Er kritisierte zudem, dass die beabsichtigte „marktschreierische“ Architektur des Projekts jeden Respekt vor Landschaft und Kultur des Inntals vermissen lässt und ein weithin sichtbares, störendes Element im Siedlungsbereich von Kiefersfelden darstellt.

Im bayerischen Inntal sollte sich nicht wiederholen was im tiroler Bereich leider vielfach festzustellen ist: Landschaftsbild zerstörende und unmaßstäbliche Eventarchitektur als Ausdruck einer um sich greifenden brutalen Kommerzialisierung des Alpenraums, betonten alle örtlichen BN-Vertreter. Nach den Angaben des Antragstellers in den vorliegenden Unterlagen soll das Projekt zudem gerade die sportliche und touristische Vermarktung des umgebenden Alpenraums fördern. Auch dies geht deutlich zu Lasten von Naturhaushalt und landschaftlicher Qualität und ist zum Schutz dieser wertvollen Lebensgrundlagen abzulehnen.

Vorgaben der Alpenkonvention müssen beachtet werden

In der Präambel der Alpenkonvention wird darauf hingewiesen, dass „Art und Intensität der Nutzung des Alpenraums in den letzten Jahrzehnten in weiten Gebieten zu unwiederbringlichen Verlusten an erhaltenswerten Bestandteilen von Landschaft, Biotopen und Arten geführt haben und bei unveränderter Fortführung zu weiteren Verlusten führen werden“ und dass „in einigen Gebieten des Alpenraums namentlich durch die Konzentration von Verkehr, Tourismus, Sport, Siedlung, Entwicklung der Wirtschaft, Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft eine Überbelastung von Natur und Landschaft entstanden ist oder entstehen kann“.
Im Inntal sind alle diese Belastungen „beispielhaft“ vorhanden. Eine Fortführung des bisherigen Entwicklungen ist daher nicht akzeptabel. Die Belastungen dürfen nicht weiter erhöht werden sondern müssen verringert werden. Das Projekt „Aventura“ passt nicht in dieses Szenario! Es ist eine absolut „vermeidbare Belastung“.

Das Vorhaben ist auch mit den Festlegungen des Verkehrsprotokolls der Konvention  nicht zu vereinbaren. Hier ist  u.a. eine Senkung des inneralpinen und alpenquerenden Verkehrs vorgegeben, auf ein Maß, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträglich ist. Die mit dem Großprojekt vorprogrammierte Verkehrszunahme und Steigerung der Belastungen für die Anwohner (z.B. Lärm, Schadstoffe) widerspricht diesen Vorgaben eindeutig. Gleiches gilt hinsichtlich des Protokolls „Raumplanung und nachhaltige Entwicklung“, in dem beispielsweise folgende Ziele festgelegt sind: „Harmonisierung der Raumnutzung mit den ökologischen Zielen und Erfordernissen“ sowie „sparsame und umweltverträgliche Nutzung der Ressourcen und des Raums“. Die Lage des „Aventura-Projekts“ im ehemaligen Landschaftsschutzgebiet, seine Dimension und das nicht in den Naturraum passende dominante Erscheinungsbild, widersprechen dieses Zielen eklatant.

Flächenverbrauch im Inntal eindämmen   

Vor Jahren haben sich die Bayerische Staatsregierung, der Bund Naturschutz, die Bayerische Architektenkammer und viele andere Organisationen im „Bündnis zum Flächensparen“ zusammen getan und sich verpflichtet, alles dafür zu tun, um den nach wie vor sehr hohen Flächenverbrauch in Bayern (16,4 Hektar pro Tag) drastisch zu verringern. Es ist allgemein bekannt, dass der Verlust von Freiflächen auch eine der Hauptursachen für den nach wie vor anhaltenden Rückgang der biologischen Vielfalt ist. Es ist daher notwendig gerade bei solchen Projekten wie „Aventura-Kiefersfelden“ den Bedarf und die Notwendigkeit und auf die Vermeidbarkeit des Eingriffs in Natur und Landschaft zu prüfen.

Das Projekt „Aventura“ braucht - außer dem Investor – niemand. Die Erwartungen der Gemeinde Kiefersfelden müssen vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Vorhabens auf die regionale Wirtschaft, den Verkehr sowie die Landschaft, den Naturhaushalt, das Klima und somit auf das allgemeine Wohl reflektiert und kritisch hinterfragt werden. Offensichtlich ist jedenfalls, dass dieses Vorhaben den auch den Zielen des „Bündnis zum Flächensparen“ eindeutig widerspricht und im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung völlig überflüssig ist.

 

Für Rückfragen:

 Kurt Schmid, BN Regionalreferent für Südost-Oberbayern

Tel.: 089/548298-88, kurt.schmid@bund-naturschutz.de

 

Bilder:

Gruppenbild mit BN-Transparent  (Bild 1):

von rechts: Hubert Weiger, BN Landesvorsitzender, die Vorsitzenden und Aktiven aller BN Ortsgruppen im südlichen Inntal, Georg Dudeck von der Inntalgemeinschaft und Ernst Böckler (ganz links), Vorsitzender der BN Kreisgruppe Rosenheim

 

Inntallandschaft mit Bilderrahmen (Bild 2):

von rechts: BN Landesvorsitzender Hubert Weiger, Josef Fortner, Vorsitzender der BN Ortsgruppe Samerberg/Frasdorf/Rohrdorf, Ernst Böckler, Vorsitzender der BN Kreisgruppe Rosenheim und Georg Dudek, Inntal Gemeinschaft