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Bayerns Heimat in Gefahr

Bund Naturschutz fordert ausreichend Finanzmittel für den ländlichen Raum und zur Erhaltung der Kulturlandschaft

17.08.2006

In der Auseinandersetzung um die Finanzmittelausstattung für die Programme zur Erhaltung und Entwicklung des ländlichen Raums in Bayern in den nächsten sieben Jahren fordert der Bund Naturschutz klare Signale von der bayerischen Staatsregierung. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN: "Die Zukunft unserer bäuerlich geprägten Kulturlandschaft und Heimat steht auf dem Spiel, wenn ab 2007 allein fast 90 Millionen Euro EU-Förderung im Jahr wegfallen und Bayern nicht bereit ist, die fehlenden Mittel aus dem Landeshaushalt bereitzustellen oder sich für Umschichtungen einzusetzen. Ministerpräsident Stoiber muss ein Machtwort zugunsten des ländlichen Raums sprechen." Der BN warnt davor, dass ohne diese Mittel eine Vielzahl kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe und von Landwirten gepflegte Biotope, welche für das Landschaftsbild und den Naturschutz unersetzbar sind, gefährdet sind.

Die Programmplanung für den neuen EU-Förderzeitraum von 2007 bis 2013 steht in Bayern kurz vor dem Abschluss. Neben den künftigen Inhalten werden augenblicklich auch die Weichen für die finanzielle Ausstattung der einzelnen Schwerpunkte der ländlichen Entwicklung gestellt " mit drohenden schlimmen Auswirkungen auf den Naturschutz und die Wirtschaftsentwicklung des ländlichen Raums. Für Bayern bedeuten die EU-Beschlüsse eine dramatische Kürzung der Finanzmittel in diesem Bereich um ca. 88 Mio. Euro jährlich. Bayern ist das von diesen Kürzungen am stärksten betroffene Bundesland. Dies gefährdet den Bestand erfolgreicher Agrarumweltmaßnahmen, Förderung des ökologischen Landbaus, Vertragsnaturschutzkonzepte und regionaler Entwicklungskonzepte wie Leader und der Dorferneuerung.

So sollen die Fördermaßnahmen im Bereich des bayerischen Umweltministeriums drastisch um 25 % gekürzt werden, obwohl mit der Umsetzung des europäischen Biotopverbundes Natura 2000, der Wasserrahmenrichtlinie sowie der EU-Vorgabe, den Artenschwund bis zum Jahr 2010 umzukehren (Göteborg-Strategie), zentrale und anspruchsvolle neue Pflichtaufgaben anstehen. Außerdem hat sich Bayern selbst im Zuge der Umsetzung des Bayerischen Naturschutzgesetzes verpflichtet, den bayerischen Biotopverbund "BayernNetzNatur" zu schaffen und zu pflegen. Allein für die Sicherung der Natura 2000-Gebiete rechnet das Bayerische Umweltministerium mit einem zusätzlichen jährlichen Mittelbedarf von 9 Mio. EUR an EU-Geldern " da eine zusätzliche Mittelkürzung in diesem Teilbereich aber von ca. 7 Mio. € droht, besteht allein beim Umweltministerium ein Defizit von mindestens ca. 16 Mio "/Jahr. Massive Kürzungen finden auch im Bereich des Landwirtschaftsministeriums statt, hier v.a. im "Kulturlandschaftsprogramm", welches gerade im Mittelgebirge und Alpenraum inzwischen zu einem Existenzsicherungsprogramm für bäuerliche Betriebe geworden ist.

Der BN kritisiert massiv, dass der Freistaat durch neue Fördertatbestände wie Aufstockungsinvestitionen bei Bullenmast und Schweineveredelungs-Ställen eine weitere Schieflage zuungunsten der Mittel für Naturschutz und Landschaftspflege erzeugt. Einigen hundert Bullenmästern sollen neue Großställe finanziert werden, während zigtausende landwirtschaftliche Betriebe Mittel für Naturschutzleistungen verlieren!

Obwohl Bayern ohnehin überproportional unter den EU-Kürzungen leidet, verschärft der Freistaat damit selbst die Situation durch zusätzliche Kürzungen und Umschichtungen. Die Kürzungen betreffen knapp 100.000 landwirtschaftliche Betriebe, die an KULAP oder VNP engagiert mitwirken. Es sind gerade die Betriebsstrukturen betroffen, die in noch reich strukturierten Kulturlandschaften Bayerns wirtschaften und damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Erhaltung einer abwechslungsreichen Landschaft leisten, die wiederum Grundlage des Tourismus in Bayern und damit einer entscheidenden Einkommensquelle des Freistaates ist.

Für den Naturschutz zentrale und auf menschliche Nutzung angewiesene Lebensraumtypen können bei der jetzt vorgesehenen bayerischen Ausgestaltung der Finanzmittel nicht weiter gepflegt und erhalten werden. Da ca. die Hälfte der bedrohten Arten Bayerns auf naturschonende und extensive Nutzungen angewiesen sind, drohen dramatische Artenverluste. Der ohnehin bereits anhaltende und in der Roten Liste Bayern überdeutliche Artenverlust in der offenen Agrarlandschaft wird verschärft und der Verlust von tausenden von Hektar bislang noch erhaltene, extensiv genutzter Biotoptypen gerade auch in peripheren Räumen ist abzusehen. Ein weiterer Artenschwund, der Naturschutzzielen der EU völlig zuwiderläuft, ist damit vorprogrammiert.

Der BN fordert daher, die Kürzungen der 2.Säule insbesondere im Bereich naturschutzorientierter Förderprogramme zurückzunehmen und insgesamt den Mitteleinsatz in diesem Bereich im Vergleich zur letzten Förderperiode durch Einsatz von zusätzlichen Landesmitteln auf mindestens gleicher Höhe zu halten. Bayern soll sich zusätzlich auf Bundesebene für die degressive Umschichtung der Finanzmittel für die Landwirtschaft einsetzen, die so genannte "Modulation", über die die einzelne EU Staaten unabhängig entscheiden können. Eine Umschichtung ("Modulation") von "Säule 1", der allgemeinen Flächenprämien, in Säule 2 für Programme für die ländliche Entwicklung, könnte bundesweit 300 Mio. € freisetzen. Diese Umschichtung hätte nach dem Konzept des BN für 93 % der bayerischen landwirtschaftlichen Betriebe keine Auswirkungen in der 1.Säule, würde aber alle Fördermöglichkeiten der für die bayerische Kulturlandschaft entscheidenden 2.Säule erhalten und damit zigtausende von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft sichern.

Setzt sich Bayern nicht für die freiwillige Modulation ein, so profitieren davon die Großbetriebe, die vor allem außerhalb Bayerns ihre Intensivlandwirtschaft betreiben, ohne spezifische Umweltleistungen zu erbringen und weiterhin ohne Obergrenze bezuschusst werden.

Der BN fordert, dass innerhalb der neuen Programme Umwelt- und Tierschutzaspekte sowie Naturschutzförderprogramme bevorzugt mit Mitteln ausgestattet werden. Die Förderung des ökologischen Landbaus muss z.B. einen höheren Stellenwert erhalten als Investitionszuschüsse in Millionenhöhe für wenig energieeffiziente Agrarethanolanlagen.

Hintergrundinformationen:

Von den Fördermittel der Europäischen Union im Bereich der europäischen Landwirtschaft von insgesamt jährlich 54,7 Mrd.€(Stand 2006) gehen derzeit 43,7 Mrd. € v.a. in direkte Zahlungen an die Landwirte (= in die sogenannte "1. Säule") zu der auch sonstige marktbezogene Maßnahmen wie Exporterstattungen (z.B. für Getreide, Zucker, Wein, Gemüse) gehören. Diese Mittel der "1. Säule" sind also im Wesentlichen direkte Flächenprämien für pflanzliche und tierische Erzeugnisse ohne nennenswerte Umweltauflagen. Die Ausgaben der 1. Säule kommen vornehmlich Großbetrieben zu Gute, die keine wirksamen ökologischen Kriterien einhalten müssen und keine Arbeitsplätze schaffen. In Bayern erfolgen jährliche Direktzahlungen der EU aus der 1. Säule in Höhe von 838 Mio. €(Stand 2004) an 119.000 Betriebe (mit ungleicher Verteilung: 103 Großbetriebe erhalten ebensoviel wie 28.000 Betriebe!).

Leider nur 11 Mrd. € des EU-Agraretats (= 20%) werden für die "2.Säule" aufgewandt, mit denen Biotoppflege, Naturschutz und die ländliche Entwicklung gefördert werden. Ausgerechnet dieser Bereich, den v.a. kleinere Betriebe in strukturreichen Kulturlandschaften nutzen, ist durch Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels zum Finanzhaushalt der EU und Beschlüsse der Bundesregierung überproportional von Kürzungen betroffen.

Bayern erhielt in der letzten Förderperiode 2000-2006 1,72 Mrd. € EU-Mittel für die 2. Säule, entspricht 245 Mio. € im jährlichen Durchschnitt.

Für die neue Förderperiode 2007-2013 werden für Bayern derzeit nur noch 1,1 Mrd " EU-Mittel erwartet, entspricht jährlich nur noch 157 Mio. € und damit einem Verlust von jährlich 88 Mio. €!
Daraus werden in Bayern finanziert:

Bayerisches Kulturlandschaftsprogramm (KULAP), Ausgleichszulage,
Marktstrukturförderung, Flurneuordnung,
Dorferneuerung, Diversifizierung landwirtschaftlicher Tätigkeiten,
forstwirtschaftliche Maßnahmen, LEADER-Förderprogramme,
Vertragsnaturschutz (VNP), Landschaftspflege, Naturparkmittel und präventiver Hochwasserschutz.

Innerhalb dieser "2.Säule" sind die beiden zentralen Förderprogramme des bayerischen Naturschutzes das Vertragsnaturschutz und das Landschaftspflegeprogramm. Für die Förderung umweltschonender Bewirtschaftungsformen hat das Kulturlandschaftsprogramm für Landwirte eine zentrale Bedeutung.

Im "Vertragsnaturschutzprogramm" (VNP) zahlen die bayerischen Naturschutzbehörden an Landwirte, die freiwillig wertvolle Lebensräume wie Hutanger, Feuchtwiesen, Streuobstbestände oder naturnahe Teiche pflegen und erhalten jährlich mehrere Hundert Euro pro Hektar Biotopfläche. Mit jährlich 23 Mio. Euro ist es eine zentrale Säule des bayerischen Naturschutzes, die der BN Anfang der 80er Jahre durch eine Petition an den Bayerischen Landtag mit initiiert hat und die nicht nur ungezählte Biotope und Arten vor dem Verschwinden gerettet hat, sondern die ganz wesentlich zu einem verbesserten Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz beigetragen hat. Landesweit bestehen im Rahmen des VNP ca. 28.500 Verträge mit Land-, Forst- und Teichwirten für Flächen mit insgesamt 50.000 ha. Ob Feuchtwiesenorchideen auf gemähten Streuwiesen des Voralpenraumes, die Silberdistel am von Schäfern gepflegten Jurahang oder breite Röhrichtzonen am extensiv bewirtschafteten Fischteich in der Oberpfalz " das Überleben etwa der Hälfte der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten Bayerns hängt unmittelbar vom Vertragsnaturschutzprogramm ab!

Während dieses Programm durch die Aufrechterhaltung behutsamer Bewirtschaftungsformen eher den Zustand bestehender Biotope sichert, ermöglicht das "Landschaftspflege-Förderprogramm" die Neuanlage und Verbesserung von Biotopen, so die Pflanzung neuer Streuobstbestände, die Erstpflege überalterter Hecken, Amphibienschutzmaßnahmen oder die Wiedervernässung von Mooren. Dieses investive und jährlich bislang mit ca. 6 Mio. € ausgestattete Förderprogramm, dient also der Schaffung einer "grünen Infrastruktur" im Lande. Ca. 330 modellhaften Umsetzungsprojekte des Naturschutzes (BayernNetzNatur-Projekte) stehen und fallen mit diesen Mitteln " ebenso die 50 in Bayern aufgebauten Landschaftspflegeverbände.

Vom bayerischen Landwirtschaftsministerium wird zur Unterstützung von extensiver Grünlandnutzung, z.B. der Beweidung von Hutangern, für Grünlanderhaltung, Wasserschutz aber auch zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft das "Kulturlandschaftsprogramm" (KULAP) eingesetzt. 74.000 landwirtschaftliche Betriebe nehmen in Bayern an den KULAP-Programmen teil. Es war in den letzten Jahren mit ca. 190 Mio. € jährlich (EU-, Landes- und Bundesmittel) ausgestattet.