Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

Betrieb des Atomkraftwerks Isar 1 illegal

Bund Naturschutz fordert sofortige Abschaltung

06.02.2004

Über ein Jahr nachdem Bundesregierung und Bayerische Staatsregierung über die katastrophalen Folgen eines Angriffs terroristischer Gewalttäter auf das Atomkraftwerk Isar 1 in Ohu bei Landshut Bescheid wissen, läuft der als unsicher qualifizierte Atomreaktor noch immer. Zusammen mit den anderen Reaktoren ist dies – wie keine andere Energietechnik – eine Zeitbombe für die Bevölkerung im dichtbesiedelten Deutschland.

Die Ergebnisse der bisher geheimgehaltenen Sicherheits-Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) haben die seit den 70er Jahren gegen-über dem Bayer. Umweltministerium mehrfach geäußerten Befürchtungen des Bundes Naturschutz (BN) voll bestätigt. Die GRS-Angaben stehen in krassem Widerspruch zu den Sicherheitsregeln, die der Bayer. Umweltminister 1972 bei der Genehmigung des AKW Isar 1 dem Betreiber auferlegt hat.

Damit ist der Betrieb des AKW Isar 1 in Ohu bei Landshut nach Ansicht des Bundes Naturschutz spätestens seit dem Erscheinen der GRS-Studie illegal und muss sofort eingestellt werden.

Die Schuld an diesem skandalösen Zustand liegt genauso bei Bundesumweltminister Trittin, der die Studie nicht veröffentlichte, wie bei Umweltmini-ster Dr. Schnappauf, der für die Betriebsgenehmigung direkt zuständig ist.

Der Bund Naturschutz fordert daher von beiden Behörden die sofortige Stillegung des Atomkraftwerks Isar1 und der weiteren als unsicher eingestuften Atomreaktoren sowie eine grundlegende Neubewertung der Atomstromerzeugung.

Betriebsgenehmigung überholt

In der Betriebsgenehmigung aus dem Jahre 1972 heißt es wörtlich: „Es muß sichergestellt werden, daß auch nach dem Absturz eines Flugzeugs auf das Kernkraftwerk ... die Dosisrichtwerte für außergewöhnliche Bestrahlung nicht überschritten werden.“ Das Reaktorgebäude ist im unteren Teil gegen die Einwirkung eines (damals üblichen) Starfighters, im oberen Teil noch schwächer ausgelegt. Weder nach Einführung von Phantom und Tornado noch im Hinblick auf Verkehrsflugzeuge wie Airbus A340 oder Boeing 747 wurde Isar1 nachgerüstet.

Das oberhalb des Sicherheitsbehälters angebrachte Lagerbecken für abgebrannte Brennelemente (das viel mehr Radioaktivität als der Reaktorkern enthält) ist nach der GRS-Studie das am stärksten gefährdete Kraftwerksteil, wird aber durch die Außenwände so gut wie gar nicht geschützt.

Im August 1979 protestierte der Bund Naturschutz in einem Schreiben an Umweltminister Dick gegen die mangelnde Sicherheit von Isar1: „Der Schutz gegen Einwirkungen von außen entspricht weder heute geltenden Sicherheitsbestimmungen noch dem Stand der Technik“. „Die Auslegung liegt um einen Faktor 7 unter den geltenden Sicherheitsbestimmungen.“

Wie richtig der BN mit dieser Kritik schon vor einem Vierteljahrhundert lag, wird jetzt durch die GRS-Studie bestätigt.

GRS-Studie unvollständig

Bislang drangen nur einzelne Gutachtenteile an die Öffentlichkeit (die unter „Brennpunkte“ auf der homepage www.bund-naturschutz.de zu finden sind). Aber schon aus der Zusammenfassung der Untersuchungsschritte des GRS-Gutachtens geht hervor, dass diese Studie entgegen ihrem Titel den Schutz vor terroristischen Anschlägen alles andere als vollständig behandelt.

Andere Angriffswege wie Sprengkörper von außen oder im Inneren des Reaktors, gezielte Fehlbedienung durch eingeschleustes Personal und vieles andere mehr sind in der Studie nicht untersucht worden. Angesichts der welt-politischen Lage sind solche Untersuchungen auch auf bisher als terrorresistent geltende Reaktoren auszudehnen.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind für Isar1 jedenfalls katastrophal: Bei Isar1 führt jede der untersuchten Flugzeugkategorien bei jeder behandelten Absturzgeschwindigkeit zu erheblicher Freisetzung von Radioaktivität, die weitere Beherrschung der Kettenreaktion ist fraglich, es kann also zu einem SuperGAU kommen.

Eine überstürzte Evakuierung im Umkreis bis zu 100 km und eine langfristige Unbewohnbarkeit großer Teile Bayerns wären die Folge.

Abwehrmaßnahmen unwirksam

Wie unsinnig Abwehrmaßnahmen sind (wie z.B. die von Umweltminister Schnappauf vorgeschlagene Vernebelung), zeigte der Absturz eines franzö-sischen Kampfflugzeugs des Typs Mirage am 30. März 1988 nur 1 ½ Flugsekunden vor dem Reaktor. In dieser kurzen Zeit können weder Abwehrge-schütze noch künstlicher Nebel in Stellung gebracht werden.
Sicherheitsstudie Zwischenlager wird ebenso geheimgehalten

Auch zum geplanten Atommüllzwischenlager hat das Bundesumweltministerium eine Terrorsicherheitsstudie der GRS durchführen lassen. Denn das Zwischenlager in Niederaichbach wird gemäß der Planung ein flächenmäßig größeres Ziel mit einem viel größeren Radioaktivitätsinhalt als der Reaktor darstellen. Auch diese Studie wird geheimgehalten, obwohl der Bund Naturschutz im Rahmen des Genehmigungsverfahrens mehrfach die Veröffentli-chung forderte.

Im Gegensatz zur Reaktorsicherheitsstudie, die jetzt an die Öffentlichkeit kam, kommt die Zwischenlagerstudie angeblich zum Ergebnis, dieses Lager sei terrorsicher. Der Bund Naturschutz hegt daran größte Zweifel, denn dann gäbe es ja erst recht keinen Grund für Geheimnistuerei.

Energieversorgung mit Effizienz und Erneuerbaren Energien sichern

Von allen bekannten Energienutzungstechniken übt nur die Atomkraftnutzung eine derartige Attraktion auf terroristische Gewalttäter aus. Weder ein Blockheizkraftwerk noch ein Windrad oder eine Solaranlage sind Ziel terroristischer Angriffe. Dies ist seit über 20 Jahren (z.B. Studie von Präsident Carter 1980) in Wirtschaft, Wissenschaft und der Öffentlichkeit bekannt. Die aktuelle GRS-Studie wird nicht die letzte Untersuchung zu diesem Thema sein.

Atomkraft ist also eine auch für Industriestaaten völlig ungeeignete Technik. Effizienztechnologie und Erneuerbare Energien, die über Jahrzehnte ver-schleppt wurden, um das Geschäft mit den alten Energieträgern Öl, Gas und Uran nicht zu stören, bergen weder technische noch wirtschaftliche Probleme, um in großem Maße als Ersatz für Kernenergie und Kohle aufzutreten.

Ein schneller Ausstieg aus der Atomenergie würde also viele Investitionsmittel in den Maschinenbau, das Baugewerbe und andere Wirtschaftssektoren umleiten und zu einer nachhaltigen und terrorsicheren Energieversorgung führen.

Der Bund Naturschutz ruft die Bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung auf, angesichts der akut drohenden Gefahr endlich eine Neubewertung der seit Jahren festgefahrenen Energiepolitik vorzunehmen und mit der Schließung der Atomkraftwerke die Energiewende einzuleiten.

Landshut, 06.02.2004


gez. Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz,
gez. Paul Riederer, Kreisvorsitzender Bund Naturschutz Landshut,
gez. Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent des Bund Naturschutz.