BN und GLOBAL 2000 warnen vor weiterer Flusszerstörung in Deutschland und Österreich
In Österreich und Bayern gibt es aktuell zwei Hotspots: die Ötztaler Ache und die Salzach, die durch geplante Wasserkraftprojekte bedroht werden. Konkret fordern BN und GLOBAL 2000 eine Absage des Ausbauprojekts Kraftwerk Kaunertal und des Wasserkraftwerks im Tittmoninger Becken. Ihr Appell geht an die Bayerische Staatsregierung und die Tiroler Landesregierung, sich für den Schutz der heimischen Biodiversität stark zu machen und eine naturverträgliche Energiewende voranzutreiben.
„Die Ökosysteme von Flüssen in ganz Europa wurden durch Begradigung, Wasserkraftprojekte und andere Eingriffe bereits stark beeinträchtigt. Die geplante Wasserkraft entlang der Salzach und im Kaunertal würde weitere Zerstörung bedeuten und notwendige Renaturierungsbemühungen konterkarieren. Wir setzen uns gemeinsam für den Schutz dieser wichtigen Flussgebiete ein“, erklären die Teilnehmer*innen.
Reinhard Scheiber ist Obmann des Vereins „Unser Wasser“ und wäre direkt vom Ausbau des Kraftwerks Kaunertal betroffen. Für das Ausbauprojekt sollen bis zu 80 Prozent der Venter und Gurgler Ache abgeleitet werden - dies sind die wichtigsten Zuflüsse der Ötztaler Ache. Der Landwirt und Touristiker aus dem Ötztal zeigte heute in der Pressekonferenz auf, welche Auswirkungen die Ableitung des Wassers für ihn und die Region hätte: “Die Auswirkungen würden alle Lebensformen, wie Landwirtschaft, Tourismus, Wasserhaushalt, Erholungswert und nicht zuletzt die Biodiversität, im Ötztal betreffen. Sämtliche Organisationen im Ötztal haben sich bereits gegen die Pläne ausgesprochen. 96 % der Bürger*innen der Gemeinde Sölden haben bei einer Volksabstimmung dagegen gestimmt. Wir fordern den sofortigen Stopp der geplanten Wasserableitungen aus dem Ötztal!”
Der österreichische Biodiversitätsrat warnte bereits in der Vergangenheit vor weiterer Flusszerstörung durch den übermäßigen Ausbau der Wasserkraft, er sprach sich auch speziell gegen das Ausbauprojekt Kraftwerk Kaunertal aus. Der Gewässerökologe und Mitglied des Biodiversitätsrates Prof. Dr. Gabriel Singer erklärt, warum der Schutz der letzten intakten Flüsse so relevant ist: “Nur zwei Kennzahlen fassen die Situation für Österreich treffend zusammen: Der Anteil freifließender Flüsse liegt bei kümmerlichen 17% und mehr als die Hälfte der heimischen Fischarten sind ausgestorben. Die Situation ist allerdings auf gesamteuropäischer Ebene kaum besser. Wir müssen uns einer Krise des Klimas stellen, aber auch dem heute dramatischen Biodiversitätsverlust. Der dringend notwendige Ausbau erneuerbarer Energie muss also naturverträglich erfolgen. Und unsere Flüsse müssen Klimawandelfit bleiben oder -gestaltet - also renaturiert werden. Für Fließgewässer bedeutet das, natürliche Systeme möglichst zu belassen aber auch jegliches Renaturierungspotential zu nutzen und keinesfalls einzuschränken.”
Martin Geilhufe, Sprecher internationale Umweltpolitik BUND, BN-Landesbeauftragter: “Die Energie, die das geplante Kraftwerk an der Salzach erzeugen würde, könnte auch von zwei oder drei Windrädern bereitgestellt werden. Der Beitrag zur Energiewende ist also sehr gering. Dafür wird aber das Ökosystem des Flusses massiv geschädigt. Energieertrag und Schädigung stehen in keinerlei Verhältnis!”
Gerhard Merches, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Altötting, ergänzt: “Das durch die Begradigung in Mitleidenschaft gezogene Flussbett und die Aue werden in Österreich schon seit einigen Jahren saniert. Auch in Bayern wurde begonnen, die Ufer naturnah aufzuweiten, damit artgerechte Lebensräume für Flora und Fauna entstehen. Das angeblich ökologisch harmlose Kraftwerk mitten im Schutzgebiet würde das Ende für eine naturnahe Weiterentwicklung der Salzach bedeuten – finanziert aus Steuergeldern, mit dem Segen der bayerischen Staatsregierung.”
Viktoria Auer, Klima- und Energiesprecherin von GLOBAL 2000: “Die Energiewende sollte naturverträglich umgesetzt werden, sonst führt das nur zu einer Problemverlagerung. Die Klimakrise kann nur bewältigt werden, wenn auch natürliche Ökosysteme geschützt werden. Denn diese werden durch die Auswirkungen der Klimakrise immer relevanter. Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle sollte jetzt die Verantwortung übernehmen und den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal mitsamt der Wasserableitung aus dem Ötztal ein für alle Mal absagen.”