BUND begrüßt weitere Ansiedlungen der seltenen Pinselohren
Der BUND Naturschutz hat zwischen 1982 und 1989 die Freilassung von insgesamt 17 Luchsen auf dem Gebiet des heutigen Nationalparks Sumava in der damaligen Tschechoslowakei finanziell und organisatorisch unterstützt. Diese Luchse bildeten den Grundstock für die heutige Böhmerwald-Population im Grenzraum von Tschechien, Österreich und Deutschland. Seit Jahren fordert der BUND eine Bestandsstützung in Bayern. Das BUND-Memorandum „Der Luchs soll wiederkommen“ stellt das fachliche Konzept dafür dar. Mehr Informationen: https://www.bund-naturschutz.de/tiere-in-bayern/luchs
Derzeit kommt die Großkatze in Deutschland nur in drei kleinen Populationen im Bayerischen Wald, im Harz und im Pfälzerwald vor.
Große Hoffnung setzt der BUND daher auf neue Projekte zur Bestandsstützung der seltenen Pinselohren. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Projekt im Thüringer Wald, an dem der BUND federführend mitwirkt. „Wir wollen zwischen den Populationen im Harz und im Bayerischen Wald ein drittes größeres Luchsvorkommen etablieren, das die beiden größten deutschen Populationen miteinander vernetzt“, erläutert Dr. Markus Port vom BUND Thüringen. Das Projekt wird vom Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz gefördert.
In Rheinland-Pfalz verlief die Wiederansiedlung im Pfälzer Wald erfolgreich und auch in Baden-Württemberg und Sachsen sollen in den nächsten Jahren Luchse ausgesetzt werden. Das besondere Interesse der Bundesländer an der Erhaltung der Luchse begrüßt der BUND sehr: „Die Bundesregierung hatte 2007 in der Nationalen Biodiversitätsstrategie die Rückkehr des Luchses in den Alpenraum und die deutschen Mittelgebirge angekündigt, danach aber keine Aktivitäten entwickelt. Wir freuen deshalb sehr, dass gleich mehrere Landesregierungen sich nun für den Luchs in Deutschland engagieren“, sagt Thomas Norgall, Naturschutzreferent des BUND Hessen und einer der Koordinatoren des Arbeitskreises Hessenluchs. Damit die Großkatze dauerhaft nach Deutschland zurückkehren kann, müssen die verschiedenen Vorkommen jedoch vernetzt werden. Das ist nach Einschätzung des BUND eine Aufgabe, die die Zusammenarbeit der Landesregierungen sowie einen langen Atem erfordert, weil die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Luchsen gering ist.
Luchse sind wenig wanderfreudig. Sesshafte fortpflanzungsfähige Weibchen bilden das Gerüst einer Luchspopulation. Junge Weibchen siedeln sich im Regelfall nur in der Nachbarschaft anderer Weibchen an und auch die deutlich mobileren Männchen bleiben fast immer im Nahbereich eines Luchsvorkommens oder wandern nach einiger Zeit wieder dorthin zurück. In Verbindung mit einer geringen Nachkommenzahl bestimmt diese Ausbreitungsstrategie das langsame Wachstum der Population und die geringe Ausbreitungsgeschwindigkeit. Zusätzlich wird die Ausbreitung auch noch vom Straßenverkehr beeinträchtigt. Luchse werden oft Opfer des Autoverkehrs und viele Tiere kehren um, wenn sie auf eine größere Straße treffen. „Der weitere Aus- und Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen erschwert das Überleben der Pinselohren. Zur Überwindung bestehender Barrierewirkung durch Straßen brauchen wir dringend mehr Grünbrücken“, fordert die Biologin Dr. Friederike Scholz vom BUND.
Hintergrund
Zahl der Luchse in Deutschland
Der Bestand wurde bei der Tagung „QuoVadisLynx?“am10. Mai 2023 auf rund 200 Tiere geschätzt. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlichte zuletzt die Schätzung für das Monitoringjahr 2019/2020. Danach lebten zum 30. April 2020 etwa 125-135 selbstständige Luchse in Deutschland. Die Gesamtzahl der damals nachgewiesenen Luchse betrug 194. Aktuellere Zahlen wurden für Deutschland nicht publiziert. Der kritische Erhaltungszustand des Luchses in Deutschland wurde bestätigt. Die bereits damals geforderte bundesweit abgestimmte Luchsstrategie gibt es bis heute nicht.
Quelle: BfN „Luchsvorkommen in Deutschland“ im Monitoringjahr 2019/2020 mit „Erläuterung zur Verbreitungskarte“ https://www.bfn.de/daten-und-fakten/luchsverbreitung-deutschland
Zu geringe genetische Vielfalt
Die zu geringe genetische Vielfalt der Luchspopulationen wurde in den Untersuchungen von
- Bull et al. (2016: The effect of reintroductions on the genetic variability in Eurasian lynx populations: the cases of Bohemian–Bavarian and Vosges–Palatinian populations -
https://link.springer.com/article/10.1007/s10592-016-0839-0 - Mueller et al. (2022: Genome-wide diversity loss in reintroduced Eurasian lynx populations urges immediate conservation management -
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0006320721004948
bestätigt. Das Ergebnis gilt für alle Populationen, die in Europa auf Wiederansiedlungen beruhen und zeigt den dringenden Bedarf weiterer Bestandsstützungen zur Populationsvernetzung und Vergrößerung der genetischen Vielfalt.
Zentrales Ergebnis einer Fachtagung im Harz mit Luchsexpert*innen aus mehreren europäischen Ländern: Ohne weitere Bestandsstützungen ist das Überleben der isolierten mitteleuropäischen Populationen nicht gesichert. Um dem Luchs in Mitteleuropa eine dauerhafte Zukunft zu schaffen, muss es gelingen, die Luchsvorkommen miteinander zu vernetzen. Mehr Informationen: www.luchsprojekt-harz.de/luchsprojekt/de/aktuelles/2023/2023_05_11_Luchstagung/
„Luchsland Deutschland“ - Aktivitäten des BUND
In Thüringen bereitet der BUND bereits seit Jahren in enger Abstimmung mit dem Thüringer Umweltministerium und in Zusammenarbeit mit dem WWF Deutschland die Bestandsstützung vor. Ziel ist die Freilassung der ersten Luchse in 2024. Im „Wildkatzendorf“ in Hütscheroda wurde ein Gehege errichtet, in dem in Gefangenschaft geborene Luchse ohne Kontakt zu Menschen auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet werden. Ob auch Wildfänge aus Rumänien ausgesetzt werden, wird von der Häufigkeit des Luchses in Rumänien abhängig gemacht. Die Bestandserfassung der Luchse in Zusammenarbeit mit rumänischen Forscher*innen ist deshalb ein Teilaspekt des Projektes. Mehr Informationen: https://www.bund-thueringen.de/luchs/thueringer-wald/
In Sachsen macht der BUND vor allem Bildungsarbeit zum Luchs. Um heute über den scheuen Waldbewohner aufzuklären und vor allem Kinder und Jugendliche schon früh für das Thema Biodiversität zu sensibilisieren, hat der BUND Sachsen ein besonderes Konzept zur Umweltbildung entwickelt: den Luchs-Rucksack. Mehr Informationen: https://www.bund-sachsen.de/tier-pflanze/luchs/luchsrucksack/
In Hessen war der BUND einer der Initiatoren des verbandsübergreifenden Arbeitskreises Hessenluchs und stellt mit seinem Naturschutzreferenten Thomas Norgall seit der Gründung einen der Koordinatoren des AK Hessenluchs. Am 8. Novemberv2011 konnte mit einer Fotofalle die erste Reproduktion des Luchses nach seiner Ausrottung in Hessen nachgewiesen werden. Der AK Hessenluchs erstellt im Auftrag des Hessischen Umweltministeriums jährlich den Luchsbericht. Mehr Informationen: https://www.bund-hessen.de/luchs/
In Rheinland-Pfalz war der BUND Kooperationspartner des EU Life-Projektes zur Wiederansiedlung des Luchses im Biosphärenreservat Pfälzerwald/Nordvogesen. Mit der Wiederansiedlung wurde eine wichtige Forderung des BUND erfüllt. Mehr Informationen: https://www.bund-rlp.de/themen/tiere-pflanzen/luchs/
In Baden-Württemberg arbeitet der BUND in der Arbeitsgruppe Luchs und Wolf des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und des Umweltministeriums, die sich fachlich beratend für eine konfliktarme Koexistenz mit dem Luchs in Baden-Württemberg einsetzt, sowie bei der Erarbeitung eines Managementplanes mit. Außerdem beteiligt sich der BUND am Ausgleichsfonds Luchs, der im Schadensfall Ausgleichszahlungen an Nutztierhaltende unbürokratisch auszahlt. Mehr Informationen: https://www.bund-bawue.de/luchs/
Pressekontakt:
Thomas Norgall, stellv. Geschäftsführer des BUND Hessen: Tel. 0170 2277238