Was interessiert Sie besonders?

Zur Startseite

Eichhörnchen beobachten und melden

Themen

  • Übersicht
  • Klimakrise

Tiere und Pflanzen

Bund Naturschutz belegt: Staustufen sind nicht ausgleichbare Eingriffe in die Natur

BN legt umfangreiches Gutachten über Folgen des Staustufenbaus vor; europäische Studie belegt ökonomische Verluste durch Rückgang der biologischen Vielfalt.

06.09.2006

Kann Technik die Natur ersetzen" Dies grundlegende Frage nimmt in Planungsverfahren für Eingriffe wie den geplanten Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen immer breiteren Raum ein. „Wir stellen mit Entsetzen fest, dass bei vielen Eingriffen in die Natur die Argumentation zunimmt: wir basteln uns die Natur nach dem Eingriff so hin, dass es ihr danach sogar besser geht.“ stellte Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN, fest. „Doch das ist nicht nur eine Anmaßung ohnegleichen, sondern auch eine fachlich falsche und juristisch höchst fragwürdige unhaltbare „grüne Ummantelung“ für zerstörerische Eingriffe.“ Denn die Abläufe der Natur sind so komplex, dass der Mensch die vielfältigen Funktionsbeziehungen technisch auch nicht annähernd sicherstellen kann. Dies gilt insbesondere für hochkomplexe Ökosysteme und Zentren der biologischen Vielfalt wie Auen.

Konkret kritisiert der BN, dass

1. bei bereits gebauten Staustufen der aktuelle Zustand der Natur schöngeredet wird (Beispiele Geisling, Straubing und Vohburg), obwohl sogar die wenig vorhandenen Langzeituntersuchungen das Gegenteil belegen.

2. bei bereits gebauten Staustufen nicht einmal alle im Bescheid verbindlich vorgeschriebenen Ersatzmaßnahmen überhaupt durchgeführt werden (Beispiel Öberauer Schleife an der Staustufe Straubing).

3. mit der Argument der angeblichen Ausgleichbarkeit auch die Variante C/ C2.80 des Ausbaus der Donau zwischen Straubing und Vilshofen mit einer Staustufe (Aicha) genehmigungsfähig gemacht werden soll.

Der BN fordert daher einen Verzicht auf jeglichen weiteren Staustufenbau, insbesondere an der freifließenden Donau zwischen Straubing und Vilshofen. Der BN fordert die Einhaltung geltender Gesetze, denn „sowohl das bayerische Naturschutzgesetz als auch das europäische Naturschutz- und Wasserrecht schreiben vor, dass Eingriffe, die nicht ausgleichbar sind und für die es Alternativen gibt, nicht genehmigt werden dürfen“ so Weiger.

1. Verschlechterung der Natur nach Bau der Staustufen Straubing, Geisling, Vohburg

Homepage der RMD zur Staustufe Straubing: „... stand die ökologische Planung gleichberechtigt neben den technischen Erfordernissen. .... aufwändige ökologische Maßnahmen, eingebettet in ein Gesamtkonzept, das die Technik in den Dienst an der Natur stellte, ließen einen Lebensraum entstehen, der durch seine Struktur- und Artenvielfalt seinesgleichen sucht.“
Diese Aussage wird so oder ähnlich von vielen Staustufen-Befürwortern verwendet.

Doch die Fakten sprechen dagegen:

- Innerhalb der Tiergruppe der Muscheln und Schnecken haben die „Allerweltsarten“ die Aue-Spezialisten verdrängt: „Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass ein deutlicher Artenschwund bereits stattgefunden hat, insbesondere bei den charakteristischen Fluß- und Auebewohnern, die zugleich meist gefährdet sind“ (FOECKLER, DEICHNER, SCHMIDT & JAKOB 2000).

- Die sog. „Ausgleichsmaßnahmen“ in der Öberauer Schleife und in den Deichvorländern haben den Zusammenbruch der Wiesenbrüter-Populationen (dokumentiert für den Großen Brachvogel als Leitart) nicht aufhalten können, obwohl dies erklärtes Ziel war und z.B. von REICHHOLF als für machbar erklärt wurde.

- Die Fischfauna hat sich hinsichtlich der Artenzahl und der Bestandsdichten erheblich verschlechtert. Die Öberauer Schleife leistet schon aufgrund der fehlenden Durchströmung keinen Beitrag für einen Ausgleich der Verluste insbesondere an rheophilen Fischarten

Dass dieser Verlust der biologischen Vielfalt auch handfeste negative volkswirtschaftliche Schäden nach sich zieht, zeigt ein neues Gutachten des IEEP im Auftrag der EU-Kommission (Anlage 2). Dieses Gutachten führt eine Reihe von Beispielen auf, in denen mit dem Verlust der biologischen Vielfalt auch viele biologische Funktionen verloren gingen. Mit dem Verlust der Funktionen sind auch sozioökonomische Nachteile und zum Teil hohe Kosten verbunden. Am Fall der Staustufe Straubing wird aufgezeigt, dass nach Staustufenbau

- sich die Gewässergute der Donau von Stufe II (mäßig belastet) auf II-III (kritisch belastet) verschlechtert hat und damit die Selbstreinigungskraft der Donau abgenommen hat, mit der Folge erhöhter Aufwendungen für technische Wasserreinigung,

- die Anzahl der Fische und anderer charakteristischer Fluss- und Auebewohner deutlich zurückging, mit der konkreten Folge, dass der gestaute Bereich fischereilich nicht mehr genutzt werden kann,

- Massenentwicklungen von Stechmücken auftraten mit der Folge, dass diese bekämpft werden und der Wert der Immobilien abnahm,

- sich das Grundwasser verändert hat mit der Folge von Schäden an Häusern und Einschränkungen der Trinkwassergewinnung.

Diese Verschlechterungen sind verursacht durch den Aufstau, die Trennung von Fluss und Aue und den Verlust der natürlichen Dynamik der Donau. Jede andere Darstellung muss als falsch und unverantwortlich beschönigend bezeichnet werden.

Im Raumordnungsverfahren zum Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen wird zudem gerne die Staustufe Vohburg und die dort angeblich funktionierenden Ausgleichsmaßnahmen als Beispiel angeführt. Doch auch hier haben die für das Gutachten des BN ausgewerteten Nachuntersuchungen die Aussagen zur angeblichen Ausgleichbarkeit klar widerlegt (siehe Anlage 1). Zusammenfassend zeigt die Auswertung aller vorliegenden Untersuchungen zu den drei Donau-Staustufen Geisling, Straubing und Vohburg, dass in keinem Fall ein „Ausgleich“ im Sinne des Naturschutzgesetzes erreicht werden konnte. In allen ausgewerteten Beispielen haben sich trotz zum Teil aufwändiger Maßnahmen nach dem Einstau erhebliche Verschlechterungen der biologischen Ausstattung und der Standortbedingungen eingestellt.

2. Verbindlich vorgeschriebene ökologische Maßnahmen werden nicht realisiert

Der Wert der Öberauer Schleife aus naturschutzfachlicher Sicht ist hinlänglich bekannt. Hier fanden sich vor dem Aufstau vielfältige Altwasser und Auetümpel, Verlandungs- und Auwaldbereiche, großflächige Auwiesen mit ausgeprägtem Feinrelief, unterschiedlichen Feuchtegraden und Nutzungsintensitäten mit einer hohen Artenvielfalt an Vögeln (v.a. Wiesenbrüter), Heuschrecken, Amphibien, Libellen, Schnecken, Pflanzen u.a. Die Auwaldbestände und -säume entlang der Donauufer hatten Bedeutung v.a. für Vögel und Kleinsäuger, die Fluss- / Wechselwasserflächen v.a. für Mollusken und Pflanzengesellschaften. Gerade der Wert für Mollusken und Vögel war national bedeutsam.

Landschaftspflegerischer Begleitplan 1987 zum Bau der Staustufe Straubing: „Erhaltung des Lebensraums Flußaue mit seinen charakteristischen Erscheinungen in möglichst großem Umfang. Durch die Maßnahmen soll eine weitgehende Erhaltung des Artenspektrums aller Artengruppen gesichert werden.“ (KAGERER ET AL. 1987, S. 12). Dieses Ziel soll durch eine Reihe von im Land-schaftspflegerischen Begleitplan genannten „Ausgleichsmaßnahmen“ erreicht werden.

Die Fakten zeigen dagegen, dass:

- das Ziel „Erhaltung des Lebensraumes Fluss mit seinen charakteristischen Erscheinungen“ nicht realisierbar war und sich Donau und angrenzende Aue fundamental verändert haben, die Öberauer Schleife wurde von der Donau abgetrennt,

- eine ökologische Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen ( entgegen der Auflage im Planfeststellungsbeschluss von 1991 offensichtlich nicht überprüft wurde, bis heute liegen weder Zwischen- noch Endberichte zur vorgeschriebenen Beweissicherung vor,

- das verbindlich vorgeschriebenes Niedrigwassermanagement bis heute nicht realisiert wurde – wobei die technische Nachahmung der auetypischen Wasserstandsschwankungen als zwingende Minimierungsmaßnahme, nicht aber als vollständiger Ausgleich zu bewerten ist,

- trotz des Fehlens der Beweissicherung aus anderen Untersuchungen bekannt ist, dass einige Artengruppen (Schnecken, wechselwassertypische Pflanzen und Tiere) stark abgenommen haben.

Dies zeigt nicht nur die massive Entwertung der vor dem Staustufenbau höchst bedeutsamen Flusslandschaft, sondern auch die grobe Missachtung von verbindlichen Auflagen aus dem Planfeststellungsbescheid bei Durchführung des Staustufenbaus.


3. Eine Staustufe an der Donau zwischen Straubing und Vilshofen ist nicht ausgleichbar und daher nicht genehmigungsfähig.

Die Genehmigungsfähigkeit der von der bayerischen Staatsregierung für die Donau zwischen Straubing und Vilshofen geforderten Ausbauvariante C / C2,80ist laut landesplanerischer Beurteilung der Regierung von Niederbayern an mehrere Voraussetzungen gebunden, unter anderem daran, dass die durch die Staustufe verursachten Eingriffe in den Naturhaushalt nach Art. 6a BayNatSchG (Untersagung; Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) zulässig sein müssen. Das Bayerische Naturschutzrecht setzt voraus, dass alle möglichen Vermeidungsmaßnahmen berücksichtigt wurden und die Eingriffswirkungen vollständig ausgeglichen werden können.

Aus der Untersuchung bereits durchgeführter „Ausgleichsmaßnahmen“, einer objektiven Analyse der durch eine Staustufe bei Aicha verursachten Veränderungen und die durch die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich erreichbaren Kompensationswirkungen ergibt sich aber,

- dass bisher an keiner bereits gebauten Staustufe auch nur ein annähernder Ausgleich erreicht werden konnte.

- dass auch die an der Staustufe Aicha geplanten und vergleichbaren Maßnahmen dementsprechend keinen Ausgleich sicherstellen können werden. Sie stellen im Gegenteil oft selbst wiederum ausgleichspflichtige Eingriffe dar. In vielen Fällen umfassen die geplanten Kompensationsmaßnahmen Flächen, für die aufgrund der bereits bestehenden hohen ökologischen Qualität keine nennenswerte Aufwertung mehr möglich ist.

- dass für die Variante C / C2,80 auch keine anderweitigen oder zusätzlichen Maßnahmen denkbar sind, die einen ausreichenden Ausgleich der beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushaltes sicherstellen könnten.

Der BN fordert daher die Einhaltung des bayerischen Naturschutzgesetzes, nicht ausgleichbare Eingriffe in die Natur dürfen nicht genehmigt werden.


gez. Prof. Dr. Hubert Weiger
Landesvorsitzender des BN

gez. Andreas Molz
Kreisvorsitzender des BN Straubing

gez. Dieter Scherf
Kreisvorsitzender des BN Deggendorf



Für Rückfragen:

Dr. Christine Margraf, Leiterin BN-Fachabteilung München, Pettenkoferstraße 10a/I, 80336 München, Tel.: 089/548298-89, Fax: -18, christine.margraf@bund-naturschutz.de

Dieter Scherf, Vorsitzender BN-Kreisgruppe Deggendorf, Maria-Ward-Platz 5, 94469 Deggendorf, Tel.: 0991/32555, bund-naturschutz@degnet.de

Andreas Molz, Vorsitzender BN-Kreisgruppe Straubing, Ludwigsplatz 14, 94315 Straubing, Tel.: 09421/2512, straubing@bund-naturschutz.de



Anlagen (siehe download-Datei):

Anlage 1: Zusammenfassung aus:

Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), 2006: Zur Ausgleichbarkeit von Eingriffen in Fluss und Aue durch die Errichtung von Staustufen. Gutachten von Kestel G., Margraf Chr. im Auftrag des BN, 86 S.


Anlage 2 (eigenes handout): Auszüge aus:

Institute for European Environmental Policy, 2006: Value of Biodiversity. Documenting EU examples where biodiversity loss has led to the loss of ecosystem services. Final report June 2006.
Fallstudie 2 (Annex 2): Loss of ecosystem services provided by river basins – case study of the Danube River basin and delta (Germany and Romania), part 1: The upper Danube: impounded Danube between Regensburg and Straubing, Bavaria, Germany.

pfd zum download: www.ieep.org.uk/publications/
oder in Kürze auf der BN-homepage