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Bund Naturschutz fordert den konsequenten Ausstieg aus der Atomenergie - Sofort! Ohne schuldhafts Zögern. Noch in dieser Legislaturperiode in Berlin!

Bayern muss vom führenden Atomstromland zum Vorbild beim Stromsparen und beim effizienten Umgang mit Energie werden!

26.05.2011

Der Bund Naturschutz kritisiert, dass die Staatsregierung im Kabinettsbeschluss vom 24. Mai den Atomausstieg nach hinten verschiebt und fordert „den Sofortausstieg jetzt einzuleiten und die ökologische Energiewende endlich umzusetzen!“ so Prof. Weiger, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern. „Der Atomausstieg ist heute technisch und energiepolitisch machbar, es gibt ausreichend Potentiale, um Strom und Energie einzusparen – und wir müssen diese nutzen. Die Bayerische Staatsregierung verfehlt ihr Ziel, ein neues Energiekonzept vorzulegen, denn die notwendigen Eckpfeiler Energiesparen und Energieeffizienz werden weder konzeptionell mit dem richtigen Nachdruck versehen, noch mit den notwendigen finanziellen Ressourcen untermauert,“ analysiert Weiger .

Die schwarz-gelbe Staatsregierung in Bayern und schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin hatten den mühsam in 2001 entwickelten gesellschaftlichen Kompromiss, die Laufzeiten der AKWs auf ca. 2011 zu begrenzen aufgekündigt. In 2010 wurde durch Schwarz-Gelb die Laufzeitverlängerung für AKWs bis ca. 2035 beschlossen. Ein Zurückgehen der schwarz-gelben Politik in 2011 auf die rot-grüne Laufzeitbegrenzung von 2001 ist völlig unzureichend, vor dem Hintergrund der nuklearen Katastrophe in Fukushima. Zugleich zeigt dieses Hin-und-Her der schwarz-gelben Politik, dass die Entscheidung der Laufzeitverlängerung in 2010 nicht politisch und gesellschaftlich begründet war, sondern eine Unterwerfung der Politik gegenüber den finanziellen Interessen der Atomkonzerne darstellte!

Laut dem Unweltbundesamt produzieren Beginn 2011 in Deutschland 9 von 17 AKWs Strom für den Export. Das Wuppertaler Institut hatte in 2006 im Auftrag der E.ON eine Studie zu Energiedienstleistung erstellt. Auf Basis dieser Studie kam das Umweltbundesamt in 2007 zu dem Schluss, dass bis zum Jahr 2015 insgesamt 110 Milliarden Kilowattstunden (110 Terrawattstunden) pro Jahr Strom eingespart werden könnten, mit einer Kosteneinsparung von fast 10 Milliarden Euro für die Verbraucher. Basis: konsequente Nutzung der wirtschaftlichen Stromsparmöglichkeiten in den Verbrauchssektoren. 110 Terrawattstunden entsprechen einer Leistung von 2100 Megawatt oder der Leistung von 15 großen Atomkraftwerken, mit je ca. 1400 Megawatt Leistung. Verzicht auf Export und Stromsparen ermöglichen also ohne technische Probleme den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland.

Über die Hälfte des Stromverbrauchs entfallen auf die Bereitstellung mechanischer Energie, also Motoren, wie Pumpen, etc. Studien und Erfahrungen der Energieagentur Nordbayern zeigen, dass 10 Prozent unseres Stromverbrauches eingespart werden könnten in Haushalten, Gewerbe und Industrie, wenn unsere Pumpen intelligent und optimal eingestellt werden würden – für das, was sie leisten müssen und nicht Strom durch falsche Regelungen und Einstellungen verschwendet wird.

„Die Bundesregierung muss die Gefahren der Atomkraft so schnell wie möglich beseitigen. Wenn selbst die Reaktorsicherheitskommission zu dem Schluss kommt, alle deutschen Atomkraftwerke haben Sicherheitsprobleme, dann müssen alle Reaktoren umgehend und ohne Wenn und Aber vom Netz. Alle Argumente der Verzögerer und Bedenkenträger lassen sich widerlegen. Jede Hintertür für einen erneuten Ausstieg aus dem Atomausstieg ist Gift für die dringend erforderliche Energiewende“, stellt Prof. Hubert Weiger klar, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern.

„CSU und FDP wetteifern nun in Bayern um das „bessere Energiekonzept“. Dem wichtigsten und effektivsten Punkt für ein neues Energiekonzept in Bayern wird kaum Platz eingeräumt: Energiesparen und Stromsparen wird aber kaum behandelt. Dies macht misstrauisch und lässt uns beim Bund Naturschutz am guten Willen dieser schönen Worte zweifeln. Das Energiekonzept der Zukunft lautet vor allem: Sparsamer und intelligenter Umgang mit Energie und vor allem sparsamer Umgang mit der edelsten Form der Energie – dem elektrischen Strom. Energie-Verschwendung ist von gestern und kostet sinnlos Geld! Die Zukunft gehört dem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen“, fordert Weiger.

Die Politik in Deutschland und Bayern spielt auf Zeit. Ein ehrlicher Wille, aus der Atomenergie auszusteigen, ist nicht erkennbar. Der Ausstieg aus der Atomenergie wird von der CSU auf das Jahr 2022 verschoben. Die FDP baut wirtschaftliche Drohungen auf: der Atomausstieg würde unbezahlbar und verschiebt den Atomausstieg auf 2025. Die Atomkonzerne arbeiten im Hintergrund, sie drohen mit der Wiederaufnahme der nuklearen Stromproduktion mit allen Atomreaktoren. Unklar ist, was zwischen dem Ablauf des Atom-Moratoriums Mitte Juni und der Bundestagsdebatte Anfang Juli geschehen wird.

Sowohl die Bundesregierung in Berlin, als auch die Bayerische Staatsregierung in München, geben nun neue Zeiten für den Ausstieg aus der Atomenergie bekannt. Entlarvend ist dabei, dass sie mit den Jahreszahlen 2022 und 2025 eigentlich zur Laufzeitbegrenzung vom Jahr 2001 zurückkehren, die damals als Kompromiss unter der rot-grünen Regierung erarbeitet wurde. Mit den Erfahrungen aus Fukushima 2011 reicht ein Rückzug auf den Stand von 2001 nicht mehr aus. Der Ausstieg muss schneller gehen, fordert der Bund Naturschutz in Bayern. Sofort, das heißt, „ohne schuldhaftes Zögern“, also noch in dieser Legislaturperiode in Berlin.

Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Katastrophe in Fukushima am 11.3.2011 melden sich auch die Atomkonzerne wieder verstärkt zu Wort – und machen gemäß ihren Profitinteresse Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. Sie wollen klar den Ausstieg aus der Atomenergie verhindern. Mit Blick auf die Laufzeitbegrenzung von 2001, die dann in 2010 wieder gestoppt wurde, argwöhnt der Bund Naturschutz dass ein Konzept Atomausstieg bis 2025 letztlich nur die Basis für Schwarz-Gelb sein soll, die Wähler zu beruhigen, auf öffentliches Vergessen zu warten und um dann doch wieder den Atomausstieg in Deutschland zu kippen. Denn wesentliche Punkte in den neuen Energiekonzepten werden nur mangelhaft bearbeitet: das konsequente Energiesparen fehlt in ihren Konzepten.

Der Anteil von Atomstrom in Deutschland betrug in 2010 ca. 22 Prozent oder 130 Milliarden Kilowattstunden (130 Terrawattstunden). Die Zahlen für Bayern können aus dem Anteil von 12 Millionen Menschen in Bayern gegenüber 84 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland mit ca. einem Siebtel abgeschätzt werden.

Diskussion des Energiekonzepts von Umweltminister Markus Söder April 2011:

Zitat 1 „Prognosen zeigen, dass der Stromverbrauch bis 2020 durch den verstärkten Einsatz energieeffizienter Technik mit leicht fallender Tendenz annähernd konstant gehalten werden kann.“

Kritik des Bund Naturschutz: Bereits 2006 ermittelte das Wuppertaler Institut im Auftrag der E.ON die kurzfristigen Einsparpotentiale für Strom zu 110 Terrawattstunden, ohne Mehrkosten. Das sind ca. 20 Prozent unseres deutschen Strombedarfs, also in etwa der Anteil des Atomstroms in Deutschland. Das Bundesumweltamt errechnete bereits in 2007 hieraus ein Sparpotential von 10 Milliarden Euro für die Verbraucher in Deutschland. Wichtigste Beiträge kommen aus optimierten Einsatz von Pumpen mit 48 TWh und über 1,5 Milliarden € Sparpotential, Vermeiden von stand-by Leerlauf durch das vom Netz nehmen elektronischer Geräte mit 25 Terrawattstunden und über 0,8 Milliarden € Sparpotential, sowie Einsparungen von Beleuchtungen in Gewerbe und Industrie mit 28 Terrawattstunden und über 0,8 Milliarden € Sparpotential.

Computer werden vom Verbraucher nahezu im Jahresrhythmus erneuert. Würden anstatt Stromfressern in Zukunft nur noch Strom-sparende Geräte wie sparsamere Laptops gekauft, würde zusätzlich mehrere Terrawattstunden Strom gespart, entsprechend mehreren Atomkraftwerken.

Papierherstellung ist eine extrem stromintensive Industrie. Die Bundesbürger verbrauchen pro Kopf 236 Kilogramm pro Jahr Papierprodukte. Mit einem Stromeinsatz von 2,3 Kilowattstunden pro Kilogramm Papier sind dies 520 Kilowattstunden Strom pro Jahr, die in unserem Papierkonsum stecken – das ist viel, verglichen mit dem mittleren Stromverbrauch von 2000 Kilowattstunden pro Bürger in Deutschland.

 Zitat 2 „Die wegfallenden Leistungen der Kernkraftwerke werden durch fossile Energieträger, insbesondere durch Gaskraftwerke ersetzt, soweit dies durch den Ausbau der Ökoenergien nicht geleistet werden kann. … Gaskraftwerke sind flexibel, … und eignen sich gut für Kraft-Wärme-Kopplung.“

Kritik des Bund Naturschutz: Aber – auch die modernsten Gas- und Dampfkraftwerke setzen nur die Hälfte der eingesetzten primären Energie in Strom um – die andere Hälfte wird als Abwärme verschwendet. Gas ist ein fossiler Brennstoff und setzt das Treibhausgas Kohlendioxid frei. Die vollständige Nutzung der Energie im Gas muss daher zwingend gesetzlich vorgeschrieben werden: Kraftzwärmekopplung und Fernwärmenutzung. Gelingt dies nicht in Deutschland, muss Bayern dies durch Ordnungsrecht verbindlich regeln. Gaskraftwerke laufen 40 – 50 Jahre. Gaskraftwerke auf der „grünen Wiese“, wo auch in Zukunft keine Potentiale für Fern- und Nahwärme existieren, dürfen in Bayern weder genehmigt noch gebaut werden. Negatives Beispiel wäre das Gaskraftwerk Haiming: dort besteht langfristig kein Potential, die geplanten 636 Megawatt Abwärme auch nur annährend in Zukunft zu nutzen.

Zitat 2 „Ausbau von Pumpspeicherkraftwerken. Pumpspeicherkraftwerke liefern einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze und zur optimierten Nutzung schwankender Wind- und Solarenergie. In Bayern sind acht PSW vorhanden mit insgesamt 526 MW installierter Leistung und einer Jahresarbeit von 600 Mio. kWh.“

Kritik des Bund Naturschutz: Das Problem mit bayerischen Pumpspeicherwerken ist, dass diese nur eine Speicherdauer von 10 – 15 Stunden aufweisen – das ist deutlich zu wenig, um Windstrom von einem windreichen November für Flauten im Juli zu speichern. Pumpspeicherwerke sind eine veraltete Technologie und sind ungeeignet, die Erneuerbaren Energien zu unterstützen. Die gespeicherte Energie aller acht Pumpspeicherkraftwerke in Bayern sind 0,6 Terrawattstunden – wir benötigen aber in Bayern 8 Terrawattstunden Speicherenergie für 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien. Das hieße in Bayern über 70 neue Pumpspeicherwerke – das ist viel zu teuer und die Fläche hierzu gibt es nicht.

 Diskussion des Energiekonzepts von Wirtschaftminister Martin Zeil April 2011:

Zitat 1: „Der Umbau der Energieversorgung ist aber nicht kostenneutral zu schaffen. Er wird die Energiepreise erhöhen und zu einer deutlich steigenden finanziellen Belastung für die Wirtschaft und für die Verbraucher führen. Der schrittweise Verzicht auf die kostengünstige Stromproduktion aus Kernenergie macht erhebliche Investitionen in neue Kraftwerke und Stromnetze sowie den Einsatz teurerer Erzeugungsanlagen erforderlich.

Kritik des Bund Naturschutz: „Das ist eine unverhohlene Drohung eines Atomstromlobbyisten. Herr Minister Zeil unterschlägt die versteckten Kosten des Atomstroms, die die Gesellschaft tragen muss„! so Richard Mergner, Landesbeauftragter des Bund Naturschutz.

Ein Unfall an einem Atomreaktor kann nie in Gänze ausgeschlossen werden – das ist technisch unmöglich. Allein die Sachschäden bei einem Atomunfall betragen mehrere Tausend Milliarden Euro Schaden, dies lehren die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima. Die Versicherungssummen für die Atomkonzerne liegen bei 5 Milliarden Euro – den Rest zahlen wir Verbraucher selbst. Nach Schätzungen des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft wird Atomstrom durch öffentliche Gelder mit ca. 4,5 €Ct/kWh gefördert.

„Die Leistung aus Energiesparen und den Erneuerbaren Energien hingegen sind Wertschöpfung in der Region durch gespartes Geld, durch Einnahmen aus Erneuerbaren Energie und Schaffung neuer Arbeitsplätze – immerhin bislang über 350.000 in Deutschland, in Zukunft zusätzlich eine Million neuer Arbeitsplätze, davon viele in Bayern“, so Mergner.

Zitat 2: „Für kommunale Gebäude soll der "Investitionspakt Bund-Länder-Kommunen zur energetischen Sanierung (auf Neubauniveau) sozialer Infrastruktur" mit jeweils 30 Mio. € jährlicher Förderung von Bund und Bayern fortgesetzt werden. Das bayerische Städtebauförderungsprogramm soll um jährlich 15 Mio. € aufgestockt werden.“

Kritik des Bund Naturschutz: „Die Bayerische Staatsregierung plant über 700 Millionen Euro für den Fernstraßen und Staatstraßen Neubau und über 500 Millionen Euro in die Straßenpflege zu investieren. Würde das für den Neubau vorgesehene Geld statt in die Naturzerstörung in Energiesparen und Erneuerbare Energien investiert, würde dies der Energiewende Bayern einen neuen und notwendigen Schub verleihen“, so Mergner.

Zitat 3: „Die sog. Kleinwasserkraft soll dabei durch den Neubau von Kraftwerken an vorhandenen Querbauwerken sowie die Modernisierung bestehender Anlagen ebenfalls zur Steigerung der regenerativen Stromerzeugung beitragen. Dazu wollen wir die Modernisierung und die Nachrüstung bestehender Anlagen unterstützen, mit der allein an den großen bayerischen Flüssen Donau, Iller, Lech, Wertach, Isar, Inn und Main eine zusätzliche Stromerzeugung von rund 700 Mio. kWh/Jahr ermöglicht werden kann.“

Kritik des Bund Naturschutz: „700 Millionen Kilowattstunden (0,7 Terrawattstunden) sind nur ein Hundertstel des Bayerischen Strombedarfs von über 73 Terrawattstunden pro Jahr. Vergleicht man den immensen Aufwand für Wasserkraftwerke mit den ökologischen Schäden und dem geringen Energieertrag – dann muss man sagen, Gewinner dieses Plans wäre die Bauindustrie – der Stromverbraucher hätte wenig davon!“ Dies ist die Einschätzung von Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie beim Bund Naturschutz in Bayern.

Zitat 4: „Unter Voraussetzung einer gesteigerten öffentlichen Akzeptanz sowie der preislichen Marktfähigkeit könnte der Stromertrag aus bayerischer Windenergie in den nächsten zehn Jahren von rund 0,6 Mrd. kWh auf rund 5 Mrd. kWh im Jahr auf einen rein rechnerischen Anteil von 5,9 % erhöht werden und damit nahezu verzehnfacht werden.

 Kritik des Bund Naturschutz: „Dieses Ziel ist viel zu kurz gegriffen und geht an der Realität vorbei. Die zentrale Studie des Umweltbundesamtes vom Juli 2010 zu „100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energie im Jahr 2050“ fordert über 60 Prozent Strom aus Wind in Deutschland und über 30 Prozent Windstrom am Land. Das heißt Bayern muss von heute unter einem Prozent Windstrom in den nächsten Jahren auf deutlich über 20 Prozent Strom aus Wind steigern!“, fordert Barthel.

„Am Samstag den 28.5. Mai werden bundesweit in 21 Städten Zehntausende gegen das Zaudern der Bundesregierung in Sachen Atomausstieg auf die Straße gehen. Nehmen Sie teil und machen Sie machtvoll demokratisch von der Straße aus Druck, für einen Atomausstieg in Bayern,“ so Barthel.

 

Für Rückfragen:

Dr. Herbert Barthel,

Referent für Energie und Klimaschutz, Tel.: 0911-81878-17

herbert.barthel@bund-naturschutz.de