Bund Naturschutz fürchtet Schwächung im Schutz der Ressource Wasser und des Gemeinwohls durch geplante Verwaltungsreform
Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) sieht mit Sorge, dass die notwendige Überprüfung von Verwaltungsstrukturen unter dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung und Effizienz zu einem Abbau und einer Schwächung der Verwaltungen führen soll, die für die Sicherung des Gemeinwohls und zum Schutz der Ressourcen notwendig sind. Änderungen der Verwaltungsstrukturen sind nur sinnvoll, wenn sie Synergien nutzen, auf einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse aufbauen und in den Nutzen alle Funktionen einbezogen werden, die zum Schutz und zur Sicherung der Ressourcen nötig sind. Der Gesichtspunkt "Einsparpotential" darf keinesfalls zu Lasten der Erfüllung der Gemeinwohlfunktionen gehen.
Anläßlich der heutigen Anhörung im Bayerischen Landtag zur Verwaltungsreform im Bereich der Wasserwirtschaft hat der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) die hohe Bedeutung der überregionalen und unabhängigen fachlichen Arbeit der Wasserwirtschaftsverwaltung betont.
Ziele und Aufgabenspektrum im Bereich der Wasserwirtschaft
Der Themenbereich "Wasser" ist gekennzeichnet durch stetig steigende Aufgaben, deren Erfüllung im allgemeinen öffentlichen Interesse stehen muss. Dazu zählen zunehmend übergeordnete überregionale Aufgaben, die nicht auf Landkreis-Ebene betrachtet werden können, sondern eine übergeordnete Fachbehörde mit Betrachtungsebene des ganzen Einzugsgebietes erfordern. Diese Aufgaben erfordern zunehmend auch Interdisziplinäres Arbeiten.
Hierzu zählen insbesondere:
- Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie der EU;
- Umsetzung eines ganzheitlichen Hochwasserschutzes;
- Fließgewässer- und Auenschutz: die Fehler der Vergangenheit sind erkannt, die negativen Folgen für Natur und Bevölkerung immer offensichtlicher; Bemühungen für Verbesserungen wurden begonnen; die Umsetzung weiterer Maßnahmen und die Umsetzung des "bayerischen Auenprogramms" erfordert verstärkte Anstrengungen;
- Umsetzung des Managements in den NATURA 2000-Gebieten: zahlreiche FFH-Gebiete (und SPA- Gebiete) liegen an Fließgewässern und in Auen, die Erfüllung der Aufgaben (insbesondere Monitoring, Umsetzung Managementpläne, Maßnahmen) ist eng verknüpft mit der Umsetzung von Gewässer-Entwicklungsplänen und erfordert verstärkt interdisziplinäre Arbeit;
- Sicherung der kommunalen Trinkwasserversorgung
- Flächendeckender Grundwasserschutz
Die Erfüllung dieser Ziele und Aufgaben darf im Rahmen der Verwaltungsreform nicht geschwächt, sondern muss verstärkt werden. Diese Aufgaben können weder verlagert, privatisiert noch abgebaut werden. Diese Aufgaben können nicht auf rein administrative Aufgaben reduziert werden, sondern erfordern die zentrale und übergeordnete langfristige und kontinuierliche Sammlung / Erhebung und Auswertung von Daten durch kompetente Fachpersonen aus den verschiedenen Fachbereichen (Hydrologen, Geologen, Biologen, Chemiker etc.) mit sowohl bayernweitem Blick als auch mit hoher Ortskenntnis. Die Ergebnisse der fachlichen wasserwirtschaftlichen Arbeit müssen uneingeschränkt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können und dürfen im Interesse der Allgemeinheit (z.B. Ausweisung Überschwemmungsgebiete) nicht dem Einflußbereich von Lokal-Interessen unterliegen. Hierzu sind unabhängige überregionale Fachstrukturen nötig.
Der BN sieht Möglichkeiten einer Effizienzsteigerung, einer Nutzung von Synergien und einer Verstärkung interdisziplinären Arbeitens in der organisatorisch verstärkten Zusammenarbeit zwischen Landesamt für Wasserwirtschaft und Landesamt für Umweltschutz und des Geologischen Landesamtes. Eine intensivierte Zusammenarbeit der Landesämter bedarf nicht zwingend einer räumlichen Bündelung. Die räumliche Nähe der Landesämter zu allen zentralen "Wasserthemen" in Bayern ist aufrechtzuerhalten. Eine wäre Orientierung der überregionalen Struktur an den Gewässer-Einzugsgebieten (nach WRRL) zu prüfen.
Eine Auflösung der Wasserwirtschaftsämter lehnt der BN entschieden ab. Die Konzentration des Fachwissens und die Koordination der fachlichen Interessen auf überregionaler Ebene der Wasserwirtschaftsämter hat sich bewährt. Wasserwirtschaftsämter vereinen in bewährter Weise hohe lokale Ortskenntnis und Präsenz mit überregionaler Kompetenz. Die Koordinationsaufgaben, z.B. auf Ebene der Gewässereinzugsgebiete, werden künftig noch steigen. Gerade im Hochwasserschutz haben die Hochwässer der letzten Jahre die dringend Notwendigkeit einer übergeordneten Betrachtung (auch auf Bundesebene) verdeutlicht. Eine Verlagerung auf die dezentrale Struktur des Landkreises kann den Aufgaben nicht gerecht werden und würde zu einer Vernachlässigung der nötigen überregionalen Betrachtung oder zu einem erheblich verstärkten Abstimmungsbedarf zwischen den Kreisverwaltungsbehörden führen. Auch wären vermehrt Interessenskonflikte zwischen fachlichen Notwendigkeiten und Einzelinteressen die Folge. Folge einer Verlagerung auf die Kreisverwaltungsbehörde könnte somit auch eine wesentlich geringere Wirksamkeit einzelner Maßnahmen sein, wenn diese unkoordiniert und ohne Gesamtkonzept vor Ort durchgeführt werden. Beispielsweise hängt die Beurteilung der Wirksamkeit von Maßnahmen zum Hochwasserschutz in einem Landkreis wesentlich von Maßnahmen im oberliegenden Landkreis ab. Analog muß auch gewährleistet sein, dass Maßnahmen zum Hochwasserschutz in einem Landkreis aus der Sicht des unterliegenden Landkreis betrachtet werden, um eine Verschlechterung für die Unterlieger zu verhindern. Auch die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten darf nicht auf Landkreisebene beschränkt sein. Hierzu bedarf es einer übergeordneten Betrachtung oder einer intensiven Koordination. Dies gilt ebenso für die Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie oder für den Trinkwasserschutz (z.B. Trinkwasserschutzgebiete). Aus den bisherigen Erfahrungen mit leider nach wie vor verbreitetem "Kirchturmdenken" ist die Rolle übergeordneter unabhängiger fachlicher Strukturen wie den Wasserwirtschaftsämtern eher noch zu stärken. Sie sollen im direkten Zuständigkeitsbereich des Staatsministeriums verbleiben. Die Wasserwirtschaftsämter sollten zudem die Zuständigkeit für die Gewässer aller Ordnungen erhalten, insbesondere die Rückverlagerung der Zuständigkeit für die Gewässer III. Ordnung (= Großteil der bayerischen Gewässer) an die Wasserwirtschaftsverwaltung ist nötig. Die Verlagerung der Zuständigkeit auf die Kommunen ist angesichts der zunehmend überregionalen Aufgaben zurückzunehmen. Auch die "Gewässernachbarschaften" für die Gewässer III. Ordnung können die Betreuung nur andeutungsweise und lokal übernehmen.
Bürgernähe muss gewährleistet sein durch eine transparente und öffentliche Darstellung der Fachdaten und "pläne, wie es in jüngster Zeit durch den Ausbau der Internet -Informationen bereits begonnen wurde. Die einheitliche Darstellung und Aufbereitung der digitalen Daten erfordert in jedem Fall die Koordination eines Landesamtes, und zur lokalen Aufbereitung die Koordination auf Ebene des Einzugsgebietes bzw. derzeit auf Ebene der Regionen. Die Darstellung im Internet gewinnt zunehmend an Bedeutung als Informationsquelle und ist daher auszubauen. Der bürgernahe direkte Zugang zu den Fachinformationen der Wasserwirtschaft kann über die Kreisverwaltungsbehörden gewährleistet sein, indem das dortige Fachpersonal als lokaler Ansprechpartner zur Verfügung steht. Auch Umweltbildung muss vor Ort realisiert werden und bedarf personeller Kapazitäten. Sie wird und kann vermehrt durch die Wasserwirtschaftsämter wahrgenommen werden, ist aber wesentliche Aufgabe vor allem der Umweltstationen.
Eine Aufteilung der Matrixorganisation der Wasserwirtschaftsämter auf andere Verwaltungen wäre kontraproduktiv und würde der verstärkten Erfordernis einer interdisziplinären Betrachtung des Themas "Wasser" völlig widersprechen. Nötig ist vielmehr eine Stärkung anderer Fachbereiche in der Wasserwirtschaft. Die Ausrichtung der Wasserwirtschaftsbehörde (Wasserwirtschaftsamt, Landesamt für Wasserwirtschaft) muß künftig verstärkt ganzheitlich sein, d.h. insbesondere bei Maßnahmen im Hochwasserschutz, der Gewässerpflege und der Umsetzung der Wasserrahmen-Richtlinie nicht nur den technischen Anforderungen genügen, sondern auch den gesamtgesellschaftlichen und gesamtökologischen Anforderungen " durch eigene Kompetenz in diesen Bereiche und engere Zusammenarbeit mit den entsprechenden anderen Fachbehörden. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis und die Arbeits-Effizienz kann bei einer Aufteilung auf Kreisverwaltungsbehörden nur negativ sein. Ein Einsparpotential durch die Verlagerung ist massiv zu bezweifeln, da die übergeordneten Aufgaben " insbesondere Wasserrahmen-Richtlinie " eine intensive Koordination zwingend vorschreiben und somit eine Verlagerung auf Kreisverwaltungsbehörden mit einem erheblichen Abstimmungsaufwand verbunden wäre.
Ein neues "Wasser-Bewusstsein"
Nötig ist ein neues "Wasser-Bewusstsein", d.h. das Bewusstsein über die Verantwortlichkeit der gesamten Gesellschaft im Umgang mit dem Wasser. Für nötige Verhaltensänderungen brauchen wir sowohl über kommunale Grenzen als auch über Ressort-Grenzen hinweg denkende und handelnde Ämter, die auch vor Ort neue Allianzen für den Wasserschutz aufbauen. Statt eines Krisenmanagements muss der Umgang mit der Ressource Wasser im Sinne einer langfristig vorsorgenden tatsächlich nachhaltigen Kreislauf-Nutzung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden. Unabhängige landkreisübergreifende und hoheitliche Strukturen sind hierzu eine zwingende Voraussetzung.
Vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit für ein neues "Wasser-Bewusstsein" leistet zum Beispiel die Aktion "Wasser für Unterfranken", die auch der Sicherung der Wasserversorgung auf kommunaler Basis dient. Ortsnahe Trinkwasserversorgung ist die Grundlage für eine hohe Trinkwasserqualität und entspricht auch dem Prinzip einer hocheffizienten und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft.
Nur die Kommunen mit einer eigenen Wasserversorgung können mit der Bürgerschaft die notwendige Verantwortung für einen Grundwasserschutz "vor der eigenen Haustür" entwickeln damit Akzeptanz für den dringend notwendigen flächendeckenden Grundwasserschutz schaffen. Hierzu ist allerdings auch die inhaltliche Neuausrichtung der Wasserwirtschaftsverwaltung in Richtung eines ganzheitlichen Grund- und Hochwasserschutzes sowie angepasster, dezentraler Systeme statt der einseitigen Bevorzugung von zentralen Konzepten der Fernwasserversorgung und Abwasserentsorgung bzw. der rein technischen Hochwasserschutzmaßnahmen voranzutreiben.