BUND Naturschutz klagt gegen Abschuss
Nach genauer Prüfung der Allgemeinverfügung inklusive Entnahmebegründung zum Abschuss des Traunsteiner Wolfes (amtlich: Wolf GW2425m) sieht sich der BUND Naturschutz in Bayern in seiner Position gestärkt, dass eine Entnahme nicht rechtmäßig wäre. Der von der Regierung Oberbayern genehmigte Abschuss verstößt daher nach Ansicht des BN gegen das Bundesnaturschutzgesetz und EU-Verordnungen, weshalb der BN gegen die Verfügung klagen wird.
Beate Rutkowski, stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes und Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Traunstein, kommentiert: „Die Sicherheit des Menschen hat auch für uns oberste Priorität. Der Wolf zeigte aber bisher keinerlei Verhalten, das auf eine erhöhte Gefährdung für Menschen hinweist. Auch im Aktionsplan Wolf der Staatsregierung ist für diesen Fall keine Tötung vorgesehen, sondern der Schutz von Weidentieren in Hof- und Siedlungsnähe sowie eine Vergrämung. Von einem Abschuss ist dort nicht die Rede!“
„Der BUND Naturschutz hat großes Verständnis für die Sorgen und den Frust der Weidetierhalter im südlichen Oberbayern. Wäre der besagte Wolf nachgewiesenermaßen eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen oder hätte er wiederholt Weide- oder Stalltiere, die bestmöglich durch wolfssichere Zäune oder Herdenschutzhunde gesichert sind, überwunden, wäre eine Tötung nach europäischem Recht und dem bayerischen Wolfsaktionsplan gerechtfertigt. Dies würde vom BN klar akzeptiert, denn der Schutz des Menschen hat für uns oberste Priorität ebenso wie wir die Weidetierhaltung intensiv fördern“, erklärt der BN-Vorsitzende Richard Mergner. „Diese Bedingungen treffen allerdings nach intensiver Bewertung der staatlichen Unterlagen durch unsere Wolfsexperten im konkreten Fall nicht zu. Wir lehnen daher eine Tötung des Wolfs als Alibiaktion ab! Die von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber geforderten ‚wolfsfreien Zonen‘ und ein Wolfsmanagement mit dem Gewehr sind keine zukunftsfähige Lösung.“
Wolf verhält sich Menschen gegenüber normal
Der BN-Wolfexperte Uwe Friedel betont: „Die Einschätzung in der Entnahmebegründung, dass aufgrund der wiederholten Annäherung an Siedlungsstrukturen zu befürchten ist, dass Menschen zu Schaden kommen könnten, ist falsch. Ein erhöhtes Risiko wäre alleine aus einem ungewöhnlichen Verhalten eines Wolfes gegenüber Menschen abzuleiten, welches aber nicht beobachtet wurde. Der Wolf war stattdessen augenscheinlich auf der Suche nach ungeschützten Schafen und Ziegen. Er wurde zudem seit vier Wochen nicht mehr gesichtet, weder in der Natur, noch in Siedlungsnähe!“ Außerdem ermögliche es die Allgemeinverfügung, im Gebiet bis Ende März einen Wolf nach dem anderen abzuschießen, bis man nachweislich den Wolf GW2425m erlegt hat. Friedel kommentiert das: „Wölfe wandern problemlos 50 Kilometer am Tag, also ist die Wahrscheinlichkeit hoch, einen anderen Wolf oder gar mehrere zu töten, die aus dem angrenzenden Österreich einwandern.“
Die Regierung von Oberbayern begründet ihre Entscheidung mit Aussagen der Expertenkommission, die am 23. Dezember tagte und mit Vertreter*innen der relevanten Behörden besetzt war. Das dem BN vorliegenden Protokoll enthält aus Sicht des BN aber keine Empfehlung für eine Entnahme. Die Kommission stellt vielmehr fest, dass die Bewertung der Einzelereignisse keine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit des Menschen ablesen lasse.
Die Erfahrung von über 20 Jahren Wolfspräsenz in Deutschland mit mittlerweile geschätzten 500 erwachsenen Wölfen zeigt, dass das Verhalten des Wolfes kein Grund für eine Entnahme ist. Während Begegnungen von Wölfen auf kurze Distanz unter 30 Meter relativ häufig sind und in den vierstelligen Bereich gehen, ist daraus nie ein Angriff eines Wolfes auf einen Menschen entstanden. Der Traunsteiner Wolf wäre der erste Wolf in Bayern seit 140 Jahren, der mit staatlichem Segen bzw. auf staatliche Anordnung abgeschossen wird
Der Wolf gehört zu Bayern
Der Wolf gehört als heimisches Wildtier ebenso zu Bayern wie die Weidetierhaltung, der wir vielerorts die Erhaltung seltener Tiere und Pflanzen und landschaftliche Vielfalt und Schönheit zu verdanken haben. An einem ordnungsgemäßen Herdenschutz führt kein Weg vorbei, auch um zu verhindern, dass Wölfe sich in Siedlungsnähe begeben, um dort Schafe und Ziegen zu reißen. Der BN kämpft seit Jahren für eine bessere Unterstützung der Weidetierhalter/innen, u.a. durch finanzielle Förderung der Herdenschutzkosten. Gemeinsam mit Bioland bietet der BN im europäischen Projekt „LIFEstockProtect“ konventionellen und ökologischen Bauern Herdenschutzberatung und eine Praxis-Erfahrungsaustausch mit Weidetierhaltern in Österreich, Südtirol und Bayern an.
Mit der bayerischen Förderrichtlinie für Herdenschutz bekommen Weidetierhalter in Fördergebieten die investiven Kosten zu 100 Prozent erstattet. Der BUND Naturschutz fordert, dass diese Regelung bayernweit angewandt wird, denn in jeder Region kann es in Zukunft durchziehende Wölfe geben. Kein Schafhalter in Bayern darf bei seinen Vorbereitungen auf die Rückkehr der Wölfe allein gelassen werden. Herdenschutz bedeutet auch einen großen Zusatzaufwand im Unterhalt, insbesondere im Almgebiet. Deswegen müssen auch die laufenden Kosten des Herdenschutzes gefördert werden. Auch Behirtung muss gefördert werden, die nicht nur eine Möglichkeit der Wolfsabwehr bietet, sondern auch dem Tierwohl und dem Biodiversitätsschutz dient. Der BN wird sich weiterhin massiv für ein Nebeneinander von Wolf und Weidehaltung einsetzen, das nicht auf Kosten der Tierhalter/innen geht.
LIFEstockProtect: Herdenschutz in Bayern, Österreich und Südtirol