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Tiere und Pflanzen

Bund Naturschutz kritisiert fortgesetztes Wettrüsten in den bayerischen Skisportorten auf Kosten der Natur

BN fordert strikte Beachtung der Alpenkonvention und des Bergwald-Beschlusses

02.08.2005

Jeder redet über die Klimaveränderung und klamme Kassen der Kommunen, die Zahl der Skiläufer stagniert – und gleichzeitig wird von Staat und Kommunen munter in den alpinen Skisport, neue Lifte mit immer höheren Kapazitäten, neue Beschneiungsanlagen investiert. Genehmigungsgrundsätze werden aufgeweicht. „Eine schizophrene Situation“ kommentiert dies Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN). Dass sich der BN schon seit Jahren stark gegen diese Fehlentwicklungen wendet, liegt an der damit verbundenen Zerstörung von Lebensräumen und Natur, am hohen Verbrauch wertvoller Ressourcen (v.a. Wasser, Energie) und an dem Bestreben des Naturschutzes, einen naturverträglichen Tourismus zu fördern, von dem Mensch und Natur profitieren. Insbesondere die ständigen Verstöße gegen den Beschluss des Bayerischen Landtages zum Schutz des Bergwaldes von 1984, wenn für diese Maßnahmen laufend Bergwald gerodet werden muss, empört den BN. „Damit geht nicht nur Lebensraum für Tiere und Pflanzen verloren, sondern auch Schutz vor Lawinen, Muren und Hochwasserschutz. Das ist verantwortungslos und ein klarer Verstoß gegen die Alpenkonvention.“ so Hubert Weiger.

Am Beispiel der aktuellen Planungen in den Skigebieten Garmisch-Partenkirchens hat der BN die Folgen für die Natur aufgezeigt: allein nach den jüngsten Planungen an der Hornabfahrt sollen 9,5 ha Bergwald gerodet werden, erst vor kurzem war die Rodung von 2 ha für einen neuen Speicherteich genehmigt worden. Nach Ansicht des BN sind die Genehmigungsverfahren hier völlig unzureichend. „Ein Verfahren jagt das andere, es fehlt ein Gesamt-Konzept und eine ehrliche Prüfung auf Verträglichkeit mit dem Alpenschutz – denn die finanziellen Zuschüsse der Sportförderung fließen angeblich nur, wenn alle aktuellen Planungen genehmigt sind“ kritisiert Marlies Keller vom BN Garmisch-Partenkirchen den Aufbau von Sachzwängen. Mit 9,5 ha Bergwaldrodung wird zudem die UVP-Pflicht umgangen (gilt ab 10 ha). Gerade mit dem Argument „Ski-WM“ oder „Olympiade“-Bewerbung werden in Garmisch immer neue angeblichen Sachzwänge aufgebaut. Auch der jüngste Antrag für den Ausbau der Kandaharabfahrt mit 9,5 ha Bergwald-Rodung läuft „im Hinblick auf die Kandidatur ... für die Alpine Ski WM 2011“ (Antragsunterlagen). Bekannt sind zudem weitere Planungen massiver Kapazitätserhöhungen an der Hausbergbahn. „Hier kommt nicht nur die Ökologie unter die Räder, sondern auch die Ökonomie – die Ski-WM 2004/5 in Oberstdorf wurde zum finanziellen Debakel für Oberstdorf, auch hier ist die Goldgräberstimmung mittlerweile einer Katerstimmung gewichen.“ kritisiert Dr. Christine Margraf, Alpenreferentin beim BN. Eine Ursache für diese Fehlentwicklungen sieht der BN in der unzureichenden Genehmigungspraxis. „Nötig ist eine Definition der Grenzen der Belastbarkeit der Alpen und eine Umsetzung der vorliegenden Skipistenuntersuchungen“ fordert Werner Fees, stellv. Sprecher des BN-Arbeitskreises Alpen.

Garmisch ist kein Einzelfall. Ähnliches läßt sich beispielsweise auch für den Landkreis Miesbach aufzeigen (Anlage 2), oder für die Entwicklung des Fellhorngebiets (Anlage 3) und der Bau des Alpinen Leistungszentrum am Oberjoch im Landkreis Oberallgäu oder für die bisherige Entwicklung des Götschen im Landkreis Berchtesgaden, für den noch dazu jüngst Pläne bekannt wurden, den Götschen nun auch noch zum „Snowboardmekka“ mit entsprechenden Großereignissen auszubauen.

Allein die Entwicklung der letzten drei Jahre zeigt deutlich die Notwendigkeit eines Gesamtkonzeptes, der Verschärfung von Genehmigungsverfahren und der Überprüfung der Subventionen auf ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Alpenkonvention!

Der BN sieht in den aktuellen Planungen sowohl einen Verstoß gegen die Alpenkonvention, gegen den Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags von 1984, gegen das Naturschutzgesetz und zahlreiche fachliche Zielaussagen. Zudem kritisiert der BN die unzureichende Ausnutzung des Raumordnungsgesetzes, da nur für die wenigsten Planungen Raumordnungsverfahren durchgeführt werden.

Aktuellste Fehlentwicklungen:

Neben der kritisiert der BN insbesondere folgende Entwicklungen der letzten Monate:

- Weitere Aufrüstungen der Infrastruktur für den Alpinskisport, verbunden mit umfangreichen Bergwaldrodungen und massiven Eingriffen in Natur und Landschaft (siehe Anlagen).

- Zunehmende Fixierung auf und Kampf um Großveranstaltungen in einem Wettbewerb, in dem Ökologie und Ökonomie verlieren.

- „Übersömmerung“ von (Kunst)schnee als neueste Verrücktheit im Kampf der Skiorte um den Schnee.

- Aufweichung der Genehmigungsgrundsätze für die künstliche Beschneiung. Möglichkeit der finanziellen Förderung für Beschneiungsanlagen im Landtagsbeschluss am 30.11.2004:
Der BN bewertet dies als Einknicken gegenüber dem Verband deutscher Seilbahnen. Die Kosten für die Installation und den Unterhalt der künstlichen Beschneiung sind immens. Viele Bergbahnen sind bereits überschuldet, in Frankreich sind die meisten von Ihnen mittlerweile in Besitz von Banken. Im Landkreis Miesbach ist beispielsweise die örtliche Kreissparkasse und Schörghuber beteiligt. Bereits jetzt leisten viele Gemeinden einen großen finanziellen Anteil zu Modernisierungen und Betrieb von Skigebieten, einige Bergbahnen sind sogar ganz in kommunaler Hand. Angesichts knapper Gemeindekassen und Verschuldungen wird es bald heißen „Schneekanone oder Hallenbad“ - Ob die Steuerzahler einverstanden wären, dass ihre Gelder in einer perspektivlosen Technik regelrecht verpulvert werden " Klimaveränderung und leere Kassen der Gemeinden sorgen zunehmend für Schlagzeilen. Was liegt näher, als Einsparmöglichkeiten für Klimagase und für öffentliche Gelder zu verbinden. Eine dieser Möglichkeiten ist der Verzicht auf Kunstschnee.

- Unzureichende Anwendung des Raumordnungs- und Landesplanungsgesetzes, da kaum übergeordnete Prüfungen und Genehmigungsverfahren stattfinden.

- Unzureichende Beteiligung der Naturschutzverbände durch Anwendung von einzelnen getrennten Verfahren in Salamitaktik, teilweise ohne Beteiligung der Naturschutzverbände.

- Der Bund Naturschutz fordert deshalb:

- Erstellung eines Gesamtkonzeptes für den Bayerischen Wintersport, das die regionalen Auswirkungen der Klimaveränderung und die ökologischen Belastungsgrenzen der Alpen berücksichtigt.

- Keine Genehmigung der aktuellen Planungen wie in Garmisch-Partenkirchen oder an der Sutten (Lkr. Miesbach).

- Verschärfung der Genehmigungsverfahren bzw. strengere Anwendung übergeordneter Verfahrensmöglichkeiten und umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit und der Naturschutzverbände.

- Strikte Beachtung des Bergwald-Beschlusses des Bayerischen Landtages von 1994, d.h. keine Bergwaldrodung für Skigebiets-Infrastruktur.

- Aussetzen der Arbeit zur Umsetzung des Landtagsbeschlusses bezüglich der Änderung der Genehmigungsgrundsätze für die künstliche Beschneiung, keine weiteren Genehmigungen.

- Umsetzung der Skipisten-Untersuchung, Abbau von Belastungen.

- Förderung und Stärkung von fantasievollen, natur- und umweltverträglichen Alternativangeboten zum Alpin-Skifahren und des Urlaubserlebnis ohne Alpinski.

Für Rückfragen:
Werner Fees, stell. Sprecher des BN AK Alpen, stell. Vorsitzender BN-Kreisgruppe Miesbach, Tel.: 08025/6658
Marlies Keller, BN-Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen, Geschäftsstelle Tel.: 08821/78651
Dr. Christine Margraf, Leiterin Fachabteilung München, Tel.: 089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de
Richard Mergner, Landesbeauftragter, Tel.: 0911/81878-0, richard.mergner@bund-naturschutz.de



Anlage 1:
Aufrüstung der Skisport-Infrastruktur im Markt Garmisch-Partenkirchen

Zur Erinnerung: Nach den großen Ausbauten der Skiabfahrten an der Kreuzeckbahn 1978 anläßlich der Skiweltmeisterschaften hieß es: „Jetzt ist die Erschließung angeschlossen“ Doch die Ruhe dauerte nicht lange.Zunächst begann die Installation von Schneekanonen an der Kandahar-Abfahrt und am Gudiberg. Damit waren entsprechende Wünsche am Hausberg. Es folgten Lifterweiterungen mit Kapazitätserhöhungen (Kreuzeckbahn, Hexenkassellift, Längenfelder Lifte), weitere Beschneiungsanlagen und ein erster Speicherteich „Kandahar“ mit Bergwald-Rodung – alles ohne Gesamtkonzept.

Neue Goldgräberstimmung trat im Jahr 2003 bei der Bewerbung um die Ski-WM 2009 auf: massive Ausbaupläne der Kandahar-Abfahrt mit einer geplanten Bergwald-Rodung von 25 ha. Die Pläne wurden zwar auf 7 ha Bergwald-Rodung verkleinert und nach Absage der WM fallen gelassen, dann wurde am 23.03.2004 ein Antrag eingereicht auf:

- technische Beschneiung Drehabfahrt (Kochelbergabfahrt) (15,7 ha) [und Hornabfahrt (12,5 ha)] und Skiweg Bayernhaus (1,5 ha)

- Errichtung eines Speicherteiches am Hausberg im Bereich Adamseck (62.000 m³, 250 m x 85 m) mit 1,9 ha Bergwald-Rodung.

- Pistenaus- und Umbau an Kochelberg [und Hornabfahrt] mit Bergwald-Rodungen von 0,4 ha (Kochelbergabfahrt) [und 2,7 ha (Hornabfahrt)] und einer Erhöhung der Pistenfläche an der Hornabfahrt von derzeit 6,5 ha auf 11 ha].

- Gesamt-Kosten von ca. 9. Mio. €, wovon 4 Mio. € die Kommune zahlt, den Rest zahlen Bund und Land aus Mitteln der Sportförderung.

Wegen massiver Proteste wurden zunächst die Maßnahmen an der Hornabfahrt herausgenommen und am 16.03.2005 „nur“ die Beschneiung, der Speicherteich Adamseck (Hausberg) und Veränderungen an der Drehabfahrt (Kochelberg) genehmigt. Das Genehmigungsverfahren zu den Maßnahmen am Horn wurde mit verändertem Antrag vom 07.02.2005 fortgeführt. Zwar wurden die Maßnahmen reduziert:

- technische Beschneiung von ca. 12 ha (identisch)

- Bergwald-Rodung von 1,78 ha (1 ha weniger als ursprünglich)

- Pistenausbau mit Erhöhung der Pistenfläche von derzeit 6,5 ha auf 12 ha (sogar mehr als ursprünglich !)

Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Am 08.07.2005 wurde nun auch die technische Beschneiung und der Pistenausbau an der „Kandaharabfahrt“ beantragt – nun „im Hinblick auf die Kandidatur des Marktes Garmisch-Partenkirchen für die Alpine Ski-WM 2011“:

- künstliche Beschneiung , Wasserbenutzung aus den bestehenden bzw. genehmigten Speicherteichen

- Pistenausbau mit 9,34 ha Bergwald-Rodung, Erweiterung der Pistenfläche von derzeit 18,5 ha auf ca. 27,5 ha.

Der BN hat alle diese Planungen als Verstoß gegen die Alpenkonvention, gegen den Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags von 1984, gegen das Naturschutzgesetz und zahlreiche fachliche Zielaussagen strikt abgelehnt.

Allein die Entwicklung der letzten drei Jahre zeigt deutlich die Notwendigkeit eines Gesamtkonzeptes, der Verschärfung von Genehmigungsverfahren und der Überprüfung der Subventionen auf ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Alpenkonvention!

Anlage 2: Aufrüstung des Skigebietes Spitzingsee, Gemeinde Schliersee, Lkrs Miesbach

Schon im Jahr 1958 schrieb Walter Pause in „Ski-Heil“: „Am Spitzingsee über Schliersee wimmelt und wurlt es, das halbe München ist an schönen Wintersonntagen anwesend und teilt sich, wie von höherer Gewalt gelenkt, in zwei Welten. Die faulen Halbgenießer, lärmvergiftet in der Großstadt, streben den Liften um den Stümpfling zu und der Firstalm um dort fleißig hübsch Pisten zu betonieren und nebenbei am heiteren Gewühle teilzuhaben... die anderen zweigen energisch nach links ab, hinauf zur stillen Rotwand...“ Seitdem kam es in den letzten 50 Jahren zu einer Entwicklung, welche nie geahnte Belastungen und Probleme ganz verschiedenere Art mit sich brachte. Die Entwicklung dieses Wintersportgebietes lief in gewissen Wellen der „Erschließung“, die nun 2004 einen neuen Höhepunkt zu finden scheint. Die neugegründete „Alpenbahnen Spitzingsee GmbH (Fa. Schörghuber und Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee) will den Skibetrieb grundlegend „modernisieren“:

„Sanierung“ des Skigebietes am Stümpfling, Spitzinggebiet (Genehmigungsverfahren Frühjahr 2004 begonnen, Bau abgeschlossen)

- Neubau der Stümpflingbahn (4er-Sesselbahn) mit Kapazitätserweiterung von 700 auf 2100 Pers./h.

- Neubauten von Berg- und Talstation,

- ein neues Gastronomiegebäude auf dem Stümpfling,

- Erweiterung von Pisten um ca. 4 m mit Bergwaldrodung (z.T. Schutzwald).

- eine Lastwagen-befahrbare Bau- und Versorgungsstraße auf den Stümpfling

- Parkplatzerweiterung nötig "

- Beschneiungsanlage angekündigt.

Das Vorgehen sowohl der Betreiber als auch der Genehmigungsbehörden sind dem BN völlig unverständlich, da die stark belastenden Eingriffe in das Landschaftsschutzgebiet einzeln – in Salamitaktik – durchgebracht wurden und ein vom BN gefordertes Raumordnungsverfahren unterlassen wurde. Zum Vergleich: Vor genau 20 Jahren wurde von derselben Firma unter demselben Betriebsleiter die „Sanierung des Skigebietes Wallberg“ betrieben. Damals wurde ein ROV durchgeführt, wegen das Vorrangs der Tourismusinteressen der eine Piste in einem Wildbachgraben genehmigt – und der Skibetrieb nach wenigen Jahren eingestellt.

Auch die Suttensesselbahn (Genehmigungsverfahren Frühjahr 2005, erteil, in Bau) soll erweitert und ihre Transportkapazität von 1000 Pers/h auf 2200 Pers/h erhöht werden, eine Beschneiungsanlage soll errichtet werden. Mögliche Bergwaldrodungen für evtl. nötig werdende Ausbauten an Piste und am Parkplatz "
Neu liegt auch ein Antrag des „Kurvenliftes“ mit Kapazitätserweiterung von 1200 Pers./h auf 2200 Pers/h vor (Genehmigungsverfahren Anfang 2005 eingeleitet).



Weiter ist im Lkr. Miesbach die Neuaufstellung eines Schleppliftes am Hirschberg (Gemeinde Kreuth) geplant. (Genehmigungsverfahren seit Sommer 2005 laufend)



Anlage 3: Chronik der Aufrüstung des Fellhorns von 1972 - 2000

1972:
Bau der Fellhornbahn, großflächige, z. T. ungenehmigte Planierungen der Gebirgslandschaft am damals „schönsten Blumenberg Deutschlands“.

1982:
Bau eines neuen Sesselliftes parallel zur unteren Sektion der „größten Kabinenbahn Deutschlands“, dadurch Verdopplung der Beförderungskapazität auf dieser Strecke und Schaffung eines Engpasses an der Mittelstation – was später als Argument für den Bau des Scheidtobelliftes herangezogen wurde.

1987:
Errichtung der ersten Beschneiungsanlage in den Bayerischen Alpen (10 ha).

1995:
Bau des Scheidtobelliftes am NSG „Allgäuer Hochalpen“ als Zubringer in das hintere Skigebiet. Diese Maßnahme war die strategische Voraussetzung für die jetzt genehmigte massive Expansion im hinteren Skigebiet.

1996:
Beschneiung der Brantweinpiste unterhalb der Mittelstation, des Zufahrthanges zum Scheidtobellift und der Umgebung um die Mittelstation (3. Ausbaustufe Beschneiungsanlage).

1999:
Ausdehnung der Beschneiung auf mehr als das doppelte der Fläche (4. Ausbaustufe).

1999:
Ersatz zweier Schlepplift-Verbindungen (Fellhornlifte und Wanklift) durch zwei Sesselbahnen (Vierer- und Sechser-Sesselbahn) im hinteren Skigebiet. Beim Wanklift nahezu Verdreifachung der maximalen Beförderungs-Kapazität (von 1050 auf 3000 Personen/h).