Bund Naturschutz zieht Grüne Bilanz 2003
Die Grüne Bilanz 2003 des Bundes Naturschutz ist hoffnungsvoll im Blick auf das Engagement in der Bevölkerung für die Ziele des Naturschutzes. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Situation findet Natur- und Umweltschutz nach wie vor breite Unterstützung.
Mit Sorge sieht der Bund Naturschutz aber die Vernachlässigung von Naturschutzaufgaben in der Politik. Dies dokumentiert sich nicht nur in drastisch reduzierter staatlicher Förderung sondern vor allem im geplanten Abbau vorsorgender Instrumente der Landes- und Regionalplanung und der Preisgabe schutzwürdiger Landschaften für flächenverbrauchende Wachstumsprojekte. Dieser verringerte Stellenwert der Umweltpolitik erfolgt in einer Zeit, in der immer offensichtlicher wird, dass sich die Missachtung ökologischer Gesetze ökonomisch bitter rächt. Gerade das extreme Trockenjahr 2003 hat dies erschreckende bestätigt. Intelligentes Sparen und die Verknüpfung der Schaffung von Arbeitsplätzen mit Umweltentlastungseffekten ist für den Bund Naturschutz die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre.
Unter dem Leitbild „Bayerns Schönheit bewahren“ hat der größte bayerische Umweltverband auch in seinem 90. Jahr viele Erfolge für die Verbesserung der Lebens- und Umweltqualität im Freistaat erzielt. Herrliche Landschaften ob im Gottesgarten am Obermain oder im oberbayerischen Isental konnten vor gigantischen Straßenbauprojekten bislang bewahrt werden. Die BN-Schwerpunktaktion „Flächenverbrauch stoppen – Zersiedelung vermeiden“ erreichte mit der Vorstellung eines „Schwarzbuch zu Gewerbegebieten“ intensive Diskussionen in allen Regionen. Neue Allianzen zwischen Bauern, Imkern und Naturschützern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft in Bayern oder für den Erhaltung des Staatswaldes als „Bürgerwald“ zeigen das zunehmende Engagement der bayerischen Bevölkerung für Bayerns Natur und Umwelt im vergangenen Jahr.
Im Jahr 2004 wird der Bund Naturschutz offensiv die Auseinandersetzung um sinnvolle Sparkonzepte führen und Investitionen in vorsorgenden Umweltschutz führen. Denn solange in Bayern viermal mehr für die Pflege allein der Staatstraßen als für die Pflege der Natur ausgegeben und für das Prestigeprojekt Transrapid allein an Planungskosten 180 Millionen Euro Steuergelder verschwendet werden sollen, kann von verantwortungsvollem Sparen keine Rede sein.
Trotz einiger Rückschläge zieht der Bund Naturschutz insgesamt eine positive Bilanz für das Jahr 2003. Der mit rund 165.000 Mitgliedern und Förderern in 77 Kreis- und 770 Ortsgruppen stärkste Naturschutzverband auf Landesebene in Deutschland hat wieder erfolgreiche Arbeit für ein lebenswertes Bayern geleistet. Ein von Geldern aus Politik und Wirtschaft völlig unabhängiger Mitgliederverband ist angesichts des drohenden Abbaus von Umwelt- und Bürgerrechten unter dem Deckmantel der Reform und Deregulierung notwendiger denn je.
„Bayerns Schönheit bewahren“
Das 90. Jubiläumsjahr 2003 wurde für den Bund Naturschutz durch viele Festveranstaltungen ebenso geprägt wie durch dramatische Ereignisse vom Dürresommer bis zur aktuellen politischen Zielvorstellung der Staatsregierung, die Gemeinwohl schützenden Verwaltungen in den Bereichen Natur-, Umwelt-, Forst- und Wasserwirtschaft drastisch abzubauen und auch für einen vorsorgenden Naturschutz unverzichtbare und wichtige Förderprogramme zu kürzen. Der Bogen der 90-Jahre-Veranstaltungen spannte sich von Fachkongressen zum Alpenschutz, dem „Grünen Band“ und „Naturschutz im erweiterten Europäischen Haus“ mit befreundeten Naturschutzverbänden aus Sachsen und Thüringen, Österreich, Schweiz und Tschechien bis zu Lindenpflanzungen und kulturellen Höhepunkten wie einem Benefiz-Orgelkonzert in der Klosterkirche Roggenburg als Teil des südbayerischen Naturschutztages.
Auf großen Zuspruch sind auch die Aktionen und Angebote zur Umsetzung des Schwerpunktes „Bayerns Schönheit bewahren – Flächenverbrauch und Zersiedelung vermeiden“ gestoßen. Das im Frühjahr vorgestellte Schwarzbuch zu Gewerbegebieten und das Internetangebot trafen buchstäblich ins Schwarze und hatte eine enorme Medienresonanz. Die Staatsregierung musste das Thema aufgreifen und ein "Bündnis zum Flächensparen" einberufen, in dem der Bund Naturschutz wachsam mitarbeitet. Die Ansiedlung eines riesigen IKEA-Auslieferungslagers mitten in der freien Landschaft im Landkreis Würzburg wurde auch aufgrund der Proteste des Bund Naturschutz, der sich für umweltverträgliche Alternativstandorte ausgesprochen hatte, zurückgezogen.
Auch im Bereich des Arten- und Landschaftsschutzes wurden wieder mehr als 200.000 ehrenamtlicher Stunden und über zwei Millionen Euro in eine Vielzahl von Artenschutzprojekten und Schutzkäufen investiert. Dass Schutz und Nutzung in Einklang kommen können, zeigten wir mit Aktionsvorschlägen für Streuobstinitiativen und ökologische Landwirtschaft oder Allianzen für die Bewahrung der Schöpfung auf Kirchengrundstücken. Wie phantasievoll und bestens nachgefragt die Umweltbildungsaktivitäten des Verbandes sind, hat der Zuspruch zu den vielen Angeboten der Veranstaltungen des BN-Bildungswerkes, in den BN-Ökostationen und des wiedereröffneten Naturschutz- und Jugendzentrums Wartaweil am Ammersee gezeigt. Die überwältigende Vielfalt der Kreisgruppenarbeit vor Ort zeigen die auch Zahlen im Bereich der schulischen Umweltbildung: Rund 20.000 Schüler und Jugendliche konnten 2003 bei fast 1400 BN-Veranstaltungen hautnah Geheimnisse und Reiz der Natur erleben.
Mit der bevorstehenden EU-Osterweiterung ist die grenzüberschreitende Arbeit im internationalem Rahmen zu einer besonderen Herausforderung geworden. Der Bund Naturschutz war daher wieder zusammen mit der Partnerorganisation „Euronatur“ in Brüssel vertreten, um an Weichenstellungen mit-zu-wirken, welche die Naturschutzpolitik vor Ort zum Beispiel bei der erfolgreich durchgesetzten FFH-Nachmeldung ebenso wie im Agrar- und Verkehrsbereich immer mehr bestimmen.
Dank der Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden in Tschechien und Österreich bestehen gute Chancen, die faszinierende Idee des BN – ein „Grünes Band Europa“ entlang des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“ vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer – unter Schirmherrschaft von Michail Gorbatschow in den nächsten Jahren umzusetzen.
Diese neuen Allianzen und die bewährten Partnerschaften von den Bündnissen für die Erhaltung der frei fließenden Donau, für den Bürgerwald, für Bürgersolardächer, für die kommunale Trinkwasserversorgung oder für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft in Bayern waren auch in diesem Jahr wichtige Bausteine der Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit. Erstmalig in der Geschichte demonstrierte in München eine breite Allianz aus über 10.000 Waldbauern, Förstern, Waldarbeitern, und Naturschützern aus allen Regionen gemeinsam für Rettung des Waldes in Bayern. Der Bund Naturschutz ist hoffnungsvoll, dass die Privatisierung des Staatswaldes und ein Kahlschlag in der Waldberatung verhindert werden kann, wenn die Unterstützung weiter anhält.
Die Fehler der geplanten Kürzungen wird auch offenkundig, wenn in Kürze, am Heilig-Drei-Könige, Schafherden am Odeonsplatz in München weiden werden und die bayerischen Landschaftspflegeverbände gemeinsam mit Schafhaltern und Naturschützern für die Erhaltung bewährter Naturschutzprogramme demonstrieren. Diese Programme erhalten nicht nur Tausende auf schonende Nutzung und Pflege angewiesene Tier- und Pflanzenarten, sondern auch das Gesicht der traditionellen Kulturlandschaft Bayerns, und damit das entscheidende Grundkapital der bayerischenFremdenverkehrswirtschaft. Bestandteile beliebter Urlaubsgebiete, z.B. die Buckelwiesen um Mittenwald, die Wacholderheiden im Altmühltal oder das Biosphärenreservat hohe Rhön, könnten künftig nicht mehr gepflegt werden und würden mit ihrem landschaftlichen Reiz auch ihre touristische Attraktivität verlieren.
Rückschläge für den Naturschutz waren die Genehmigung der drei atomaren Zwischenlager in Bayern, mit denen der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke gesichert werden soll, der Kuhhandel zwischen Bundesverkehrsminister Stolpe und der Staatsregierung für ein paralleles Raumordnungsverfahren für Staustufen an der Donau und das Festhalten an riesigen, autobahnnahen Gewerbegebietsplanungen speziell in den Landkreisen Würzburg, Amberg-Sulzbach, Hof und Ansbach.
Der für alle spürbare Klimawandel im Dürresommer 2003 zeigte, dass nur konsequenter Naturschutz nachhaltig sparen hilft, eine Missachtung der Natur aber alle teuer zu stehen kommt. Mit Investitionen in natürliche Flußauen für Breitwasser statt Hochwasser, stabile Mischwälder statt Monokulturen, Energieeinspartechnik und erneuerbare Energien statt Atomkraftwerke, Bus und Bahnen statt Autobahn und Transrapid werden Arbeitsplätze vor Ort gesichert statt Kapital in Prestigeprojekten fehl investiert. Auch wenn die von Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber noch vor der Wahl öffentlich betonte Bedeutung des Natur- und Umweltschutzes für eine zukunftsfähige Entwicklung Bayerns schon kurz nach der Wahl vergessen scheint, wird der Bund Naturschutz sein überparteiliches Gewicht im Jahr 2004 umso stärker genau für diese Ziele einsetzen.