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Bund Naturschutz zieht positive "Grüne Bilanz 2005" für Bayern und Schwaben, warnt aber vor Wachstumsgläubigkeit und Dominanz von Konzerninteressen in der Politik

Schwerpunkte 2006 für Schwaben vorgestellt

10.03.2006

Ein vielfältiges Bürgerengagement für Natur- und Umweltschutz hat im Jahr 2005 zahlreiche Landschaften gerettet, neue Wege zum Klimaschutz und Energiesparen aufgezeigt sowie Fehlinvestitionen verhindert. Der Bund Naturschutz, Bayerns größter Umweltverband, zieht daher trotz einiger Rückschläge insgesamt eine positive "grüne Bilanz". Mit Kreativität und Zivilcourage wurden Prestigeprojekte von der geplanten Donaukanalisierung über den Transrapid bis zu Flächen verschwendenden Gewerbegebieten "auf der grünen Wiese" bislang erfolgreich abgewehrt. Der Bund Naturschutz freut sich, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vielen Mitbürgern die Erhaltung von Natur und Heimat den Einsatz von hunderttausenden ehrenamtlichen Stunden wert ist. Dass der Bund Naturschutz auf immer größere Akzeptanz seiner Kernanliegen in der Bevölkerung stößt, beweist der Mitgliederzuwachs auf knapp unter 170.000 zum Ende des Jahres 2005. In Schwaben sind es derzeit 21.636 Mitglieder und Förderer.

Im Jahr 2006 wird der Bund Naturschutz seinen Einsatz für die Erhaltung der freien Landschaft, für umfassenden Klimaschutz, für eine gentechnikfreie Landwirtschaft, für eine umweltverträgliche Verkehrspolitik und für die Donau fortsetzen.

Trotz einiger Rückschläge zieht der Bund Naturschutz insgesamt eine positive Bilanz für das Jahr 2005. Der mit 77 Kreis- und 770 Ortsgruppen stärkste Naturschutzverband auf Landesebene in Deutschland hat wieder erfolgreiche Arbeit für ein lebenswertes Bayern geleistet. Ein von Geldern aus Politik und Wirtschaft völlig unabhängiger Mitgliederverband ist angesichts des drohenden Abbaus von Umwelt- und Bürgerrechten unter dem Deckmantel der "Reform" und des Heilsbringers "Wirtschaftswachstum" ohne Beachtung der natürlichen Lebensgrundlagen notwendiger denn je.
Neue Allianzen für Mensch und Natur
Die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit sowie die Gesprächs- und Demonstrationsbereitschaft des Bundes Naturschutz waren bei der Umsetzung der Jahresschwerpunkte ebenso wie bei der überraschenden Bundestagswahl ein wichtiger Grundpfeiler.

Dass es keine Mehrheit der WählerInnen für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke oder den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft gibt, ist auch ein Erfolg der Aktions- und Informationsarbeit des Bundes Naturschutz. In Bayern gibt es nicht nur die meisten gentechnikfreien Zonen sondern auch die meisten Solaranlagen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Aufstockung des CO2 - Gebäudesanierungsprogramms, die Sicherung des "Grünen Bandes" als Teil des nationalen Naturerbes oder das Bekenntnis zur eigenständigen Entscheidung der Kommunen bei der Wasserversorgung sind weitere positive Ergebnisse.

Die von Teilen der CSU geforderte Kanalisierung der frei fliessenden Donau ist aufgrund des breiten Widerstandes, der inzwischen auch Fischer, Bauernverband und örtliche Sportvereine umfasst sowie dem Einsatz der SPD nicht im Koalitionsvertrag enthalten. Durch das Festhalten der Staatsregierung an den Kanalisierungsplänen wird der Einsatz für den "sanften Donauausbau ein Arbeitsschwerpunkt im kommenden Jahr. Auch die Wachstumsgläubigkeit der großen Koalition, ihre Festlegung auf Prestigeprojekte im Verkehrsbereich oder das geplante Planungsbeschleunigungsgesetz sind große Herausforderungen.

Fortgesetzt wurde im vergangenen Jahr der Widerstand gegen überflüssige, Natur und Umwelt bedrohende Verkehrsprojekte. Mit massiver Kritik hat der BN auf die Planungen für Regionalflughäfen reagiert und vor einem ökologischen und ökonomischen Desaster gewarnt. Nach der Ablehnung eines Ausbaus von Lagerlechfeld soll nun wider alle wirtschaftliche Vernunft der ehemalige Militärflugplatz Memmingerberg in einen zehn Millionene Euro teuren Regionalflughafen umwandelt werden. Nicht nur die spürbaren Folgen der Klimaveränderung, die drastische Belastungszunahme des Flughafenumlands und die drohende Heimat- und Naturzerstörung erfordern den Verzicht auf die Ausbaupläne. Auch der erforderliche Schulden- und Subventionsabbau sowie die fehlende Notwendigkeit verbieten eine Fortsetzung der Planungen für Regionalflughäfen in der Region Schwaben.

Intensiv kämpft der BN schon seit Jahren für eine Verbesserung des Regionalverkehrs gerade in der Region Augsburg. Die geplante Transrapid-Verbindung vom Hauptbahnhof zum Flughafen und die Auswirkungen auf Augsburg und die Region Ausburg ist nicht vertretbar. Angesichts leerer Haushaltskassen geht es hier um eine Verschwendung von Steuergeldern in Milliardenhöhe für die Erfüllung eines Wunschtraums weniger Befürworter. Erforderlich ist dagegen eine Verbesserung des gesamten öffentlichen Personennahverkehrs, was allen zu Gute käme. Vor allem die BN-Kreisgruppe Augsburg wird zusammen mit den Kreisgruppen in München, Freising und Erding heuer ihre Bemühungen zur Verhinderung dieses Projekts noch verstärken, im Schulterschluss und in enger Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen sowie den betroffenen Kommunen und der Bevölkerung.

Erfolgreicher Widerstand wurde gegen den Erprobungsanbau von gentechnisch veränderten Pflanzen mit Informationsveranstaltungen, zum Beispiel in Memmingen am 3.3 2006 mit über 100 Teilnehmern, einem Infostand und Kundgebung am Marktplatz in Kaufbeuren am 4.3.2006 und weiteren Demonstrationen geleistet. Von den ursprünglich 44 für Bayern geplanten Standorten wurden 30 im Laufe des 1. Halbjahres 2005 von privaten Landwirten wieder zurückgezogen. Bayern ist das Bundesland mit den meisten dieser Initiativen im Bundesgebiet. Die neue Bundesregierung will jedoch die Anwendung der "grünen" Gentechnik massiv fördern und plant eine Änderung des Gentechnikgesetzes. Gegen diesen Kniefall des neuen Landwirtschaftministers Horst Seehofer vor agrochemischen Konzerninteressen zu Lasten der bäuerlichen Landwirtschaft wird der Bund Naturschutz im Jahr 2006 massiv vorgehen. Um die gentechnikfreie Produktion in Bayern auch künftig zu sichern und dem Wunsch der deutlichen Mehrheit der Bevölkerung, die keine Gentechnik im Essen und auf dem Acker haben will, Ausdruck zu verleihen, sind seit Anfang März nicht nur in Schwaben, sondern bayernweit entsprechende Aktionen durchgeführt worden und weitere geplant.

Beim Schutz der Alpen hat die grüne Bilanz Licht und Schatten: In die negative Bilanz fallen die Aufweichung der Genehmigungsgrundsätze für die künstliche Beschneiung sowie weitere Erschließungsmaßnahmen insbesondere für den Wintersport in fast allen Alpen-Landkreisen. Anfang 2005 wurde das "Alpine Trainingszentrum Allgäu", Oberjoch eröffnet nach längjährigen Diskussionen und Konflikten mit dem Deutschen Skiverband. Bund und Freistaat übernahmen zwei Drittel der Kosten in Höhe von etwa 3,5 Millionen Euro, wozu neben Gebäuden auch energiefressende Flutlicht- und Kunstschneeanlagen in eine landschaftlich sehr reizvolle Landschaft gebaut wurden. Aktuell hat die Fellhornbahn GmbH, Oberstdorf, einen Antrag auf Neubau einer 8er Kabinenbahn gestellt, der eine erneute Erschließung auf sensiblen Flächen darstellt, da sie sich in unmittelbarer Nähe zu FFH und SPA-Gebieten befinden. Neu- und Ausbau zu LKW-befahrbaren Wegen im Alpenraum führen zu ökologischen Nachteilen für die Natur und machen als Wanderweg keinen Spaß mehr. Erfolgreich konnte die Planung einer geteerten Straße auf den Grünten durch Einsatz des BN verhindert werden.

Das August-Hochwasser 2005 hat deutlich gezeigt, wie wichtig eine vorsorgende Flächenschutz- und Wasserrückhaltepolitik gerade im Alpenraum ist. Hier sind Schutzwald-Flächen und intakte Moore als Retentionsflächen immens wichtig. Zusätzliche Retentionsflächen zu schaffen ist das Ziel im unteren Illertal, bei deren Realisierung die Kreisgruppe Neu-Ulm des BN sehr aktiv mitwirkt. Im Hochwasserschutzkonzept des BN wurden die möglichen Flächen dargestellt. Infolge des August-Hochwassers entstanden jedoch bayernweit Hochwasserschutzplanungen, die aus Sicht des BN zu technisch orientiert sind. Für 2006 wird daher die Forderung nach ökologisch verträglichen Gesamtkonzepten im Hochwasserschutz im Vordergrund stehen, ebenso das Thema Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen auf den Alpenraum.

Das größte AKW Deutschlands soll noch 15 Jahre weiterbetrieben werden. Dabei ist die Entsorgung der entstehenden über 6000 Tonnen hochradioaktiven Atommülls so ungelöst wir vor 40 Jahren, als die ersten großen AKWs in Deutschland in Betrieb gingen. Im Zwischenlager Gundremmingen soll die Lagerung von 192 CASTOR-Behältern mit Atommüll in nächster Nähe der Bewohner erlaubt werden. Ein einziger CASTOR-Behälter enthält mehr Radioaktivität, als aus Tschernobyl entwich. Der Bund Naturschutz unterstützt die betroffenen Bürger, "Mahnwache Gundremmingen" und den "Verein FORUM gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik" bei ihrer Klage gegen die Betriebsgenehmigung des Atommülllagers und machte dies auch durch Besuch des Landesvorstands öffentlich deutlich.

Unsere Aktion "Bayerns Schönheit bewahren" hat als Motto viele Aktivitäten geprägt, vom Einsatz für Alternativen zu Flächenverbrauch und Landschaftsverschandelung ebenso wie zur Rettung von Kostbarkeiten unserer Heimatnatur. Dennoch ist gerade in Schwaben auch 2005 der Flächenverbrauch weiterhin ungebremst vorangegangen. Sei es die Entwicklung in dem auch im Schwarzbuch des BN vorgestellten neuen Gewerbegebiet in Senden, obwohl Industrieflächen brach liegen und geplante Wohngebiete, die bis in den Auwaldbereich der Iller reichen im Lkr. Neu-Ulm, oder seien es Gewerbegebietsausweisungen im Landkreis Augsburg.

Auch im Bereich des Arten- und Landschaftsschutzes und in der Umweltbildung wurden wieder tausende ehrenamtlicher Stunden und über eineinhalb Millionen Euro in eine Vielzahl von Artenschutzprojekten, Schutzkäufen und Naturerlebnisangeboten investiert. Langjährige Aktivitäten wie das "Waldschafprojekt" der Kreisgruppe Günzburg, die mit der seltenen Rasse "Waldschaf" nicht nur eine bedrohte Haustierrasse erhält, sondern mit den etwa 60 Tieren auch noch Landschaftspflege auf schwerbearbeitbaren Flächen im Naturschutzgebiet "Gundelfinger Moos" betreibt, gehören dazu, wie auch das Projekt "Streuwiesenverbund im östlichen Donauried", das seit 2001 im Rahmen der Initiative Lebensraum Donauried von der Kreisgruppe Dillingen umgesetzt wird. Gerade in Schwaben ist der Schutz international bedeutsamer Lebensräume wie die großen Mooren, Beispiel Mertinger Höll, Magerrasen, Alpenflüsse oder Lebensräume in den Alpen ein Schwerpunkt. Fast flächendeckend wird inzwischen von BN-Kreisgruppen Umweltbildung für Kindergärten und Schulen angeboten. Die Veranstaltungen des BN-Bildungswerkes in Wiesenfelden sowie die Angebote im BN-Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil am Ammersee sind landesweit gefragt.

In Augsburg wurde das größte Biberprojekt in Bayern auf ehrenamtlicher Basis gestartet. Über 70 freiwillige Helfer meldeten sich auf einen Aufruf der Kreisgruppe Augsburg hin und machen nun beim Kartieren des Bibers mit. Im November konnte der BN das Buch "Die Rückkehr der Burgherren" vorstellen " nach über 50 Jahren das erste umfassende Buch zur Biologie des Bibers und zu einer erfolgreich wieder zurückgekehrten Art. Es basiert auf den Erfahrungen des seit 1998 laufenden Biberberater-Projektes des BN, das in Schwaben sehr erfolgreich läuft.

Die Internationale Zusammenarbeit wird nicht nur für die Weltstaatengemeinschaft beim Klimaschutz sondern ebenso für den Bund Naturschutz immer wichtiger. Die Partnerschaften zur Rettung der Donau, die auch in Osteuropa von Stau und Kanalisierung bedroht ist, wurden weiter ausgebaut. Zudem werden die Aktivtäten zur Rettung des Grünen Bandes in Deutschland und des "Grünen Bandes Europa" von vielen anderen Naturschutzverbänden, wie z. B. in Österreich engagiert aufgegriffen. Mit Partnern wie den "Müttern gegen Atomkraft" und friends of the earth in Tschechien und Österreich, der Kooperation mit Euronatur zur Lobbyarbeit in Brüssel oder der Zusammenarbeit im Bereich der Alpen, der beiden Nationalparke und der Flussallianzen versuchte der Bund Naturschutz, den globalisierten Strukturen der Naturzerstörung die positiven Beispiele einer tatsächlich zukunftsfähigen Wirtschafts- und Lebensweise entgegen zu setzen.

Rückschläge für den Naturschutz sind das weitere Beharren der verantwortlichen Politik in Bund und Land auf umweltzerstörenden Infrastrukturgroßprojekten, wie dem Transrapid, der Erweiterung des Großflughafens München, der ICE-Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt oder neuen Autobahnen. Während im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs weitere massive Sparmaßnahmen angekündigt sind, werden mit voller Hand Schulden finanzierte Milliardenbeträge "zum Fenster hinausgeworfen".

Mit Sorge sieht der Bund Naturschutz die Entwicklung im Staatswald, die letztlich auf eine völlige Kommerzialisierung zu Lasten der Gemeinwohlleistungen hinaus laufen. Auch die Verzögerungstaktik des bayerischen Innenministeriums bei der Gesundheitsgefährdung durch Lärm und Feinstaub sowie das Festhalten der Staatsregierung an der lebensbedrohenden Atomenergie und den Atommüllzwischenlagern sind Negativpunkte in der grünen Bilanz.

Als unabhängiger Mitgliederverband wird der Bund Naturschutz sein überparteiliches Gewicht im Jahr 2006 umso stärker für eine ressourcen- und klimaschonende Naturschutzpolitik einsetzen. Der sichtbare Klimawandel zeigt, dass nur konsequenter Naturschutz nachhaltig sparen hilft, eine Missachtung der Natur aber alle teuer zu stehen kommt. Mit Investitionen für natürliche Flußauen, für Breitwasser statt Hochwasser, für stabile Mischwälder statt Monokulturen, für Energieeinspartechnik und erneuerbare Energien statt Atomkraftwerke, für Bus und Bahnen statt Autobahn und Transrapid werden Arbeitsplätze vor Ort gesichert statt Kapital in Prestigeprojekten fehl investiert.