Bundeswaldinventur II: Euphorie verfrüht!
Die unterzeichnenden Naturschutz- und Waldnutzerverbände warnen davor, den Zustand der deutschen Wälder aufgrund der Ergebnisse der Bundeswaldinventur (BWI) II schön zu reden. Die Ergebnisse belegen einige positive Entwicklung, machen aber auch klar deutlich, dass es noch eine Reihe von Defiziten gibt und dass die Forstwirtschaft erst am Anfang eines Weges zu naturnahen Wäldern steht. Diesen Weg gilt es aus der Sicht der unterzeichnenden Naturschutz- und Waldnutzerverbände konsequent fortzusetzen.
Grundsätzlich wird die BWI II als wichtiges Monitoring-Instrument für die Waldentwicklung in Deutschland begrüßt. Im Vergleich zur BWI I aus dem Jahr 1987 können so Veränderungen festgestellt werden, die für den Waldnaturschutz wie für die naturnahe Waldwirtschaft gleichermaßen wichtig sind.
Bei einigen der im Rahmen der BWI II erfaßten Kriterien, wie der Bewertung der Naturnähe der Baumartenzusammensetzung, der Methodik der Tot-holz-aufnahme und der Verbissaufnahme weist die BWI II allerdings so gravierende Mängel auf, dass dadurch die gesamte Inventur Gefahr läuft, diskreditiert zu werden. Die Verbände fordern deshalb, dass diese fehlerhaften Bewertungen und Aufnahmemethoden sowie die z.T. gravierenden und unplausiblen Abweichungen gegenüber Ergebnissen der Länderinventuren überprüft und korrigiert werden. Diese Fehler haben bereits zu massiven Fehlinterpretationen geführt.
Die Ergebnisse der BWI II belegen einige positive Entwicklungen, wie eine Zunahme der Holzvorräte oder der Laubbaumanteile. Es werden aber auch Defizite deutlich, wie die 2,8 Mio. ha Monokulturen oder der sehr geringe Anteil alter Laubwälder im deutschen Wald. Die Verbände warnen deshalb davor, aus den Zunahmen bei den Holzvorräten in den deutschen Wäldern undifferenziert einen höheren Holzeinschlag zu fordern und den Wald gesund zu reden. Nach der Waldschadensinventur geht es dem Wald so schlecht wie nie zuvor. Es ist beim Wald wie bei der Ernährung: ein dicker Heranwachsender ist nicht unbedingt gesund. Und der deutsche Wald ist zwar jung und verzeichnet hohe Zuwächse. Diese Zuwächse sind jedoch unnatürlich hoch, bedingt durch anthropogene Stickstoffeinträge und bedrohliche Klimaveränderungen. Die Diagnose muss leider lauten: Das Waldökosystem ist krank! Aus diesem Grund und vor dem Hintergrund der Ergebnisse der BWI II ist es unerlässlich, die Reform des Bundesjagdgesetzes und Bundeswaldgesetzes anzupacken, damit Rahmenbedingungen für naturnähere und gesündere Wälder geschaffen werden können.
Die Verbände kritisieren, dass lange Zeit nur Teilaspekte ausgewertet worden sind, über die dann von Seiten verschiedener Akteure undifferenziert berichtet worden ist. So ist ein ziemlich verzerrtes Bild vom Zustand der deutschen Wälder entstanden. Begrüßt wird, dass nach langer Zeit mittlerweile ein großen Datenpool für differenzierte Auswertungen zur Verfügung steht. Eine übersichtliche, allgemein verständliche Zusammenstellung ist allerdings nach wie vor nicht erhältlich. Die Verbände fordern das BMVEL auf, die wesentlichen Ergebnisse aufzuarbeiten, damit die dringend notwendige Schlußfolgerungen von der Politik gezogen werden können.
Aufbauend auf den Ergebnissen eines Workshops des Bundes Naturschutz in Bayern am 16.03.2005 in Würzburg und nachfolgenden Fachgesprächen wurde beiliegende Position zur BWI II formuliert. Die unterzeichnenden Verbände erwarten, dass sich daraus eine weitere Diskussion über die Ergebnisse der BWI II und den Zustand der deutschen Wälder entwickelt.
gez. Ralf Straußberger
Waldreferent Bund Naturschutz
Position von Naturschutz- und Waldnutzerverbänden
zur Bundeswaldinventur II
Grundsätzlich begrüßen die unterzeichnenden Naturschutz- und Waldnutzerverbände die Bundeswaldinventur (BWI) II als wichtiges Monitoringinstrument für die Waldentwicklung in Deutschland. Im Vergleich zur BWI I aus dem Jahr 1987 können so Veränderungen festgestellt werden, die auch für den Waldnaturschutz wichtig sind. Im Rahmen eines Workshops des Bundes Naturschutz in Bayern am 16.03.2005 in Würzburg wurden positive, aber auch negative Entwicklungen in Deutschlands Wäldern deutlich.
Vorratsanstieg: Die Zunahme wird positiv gesehen, weil höhere Vorräte an älteren Bäume v.a. bei den Laubbäumen ein entscheidender Parameter für die Artenvielfalt in den Wäldern sind, ein Hinweis auf die Naturnähe der Wälder sein können und wesentlich durch die Kohlenstoffbindung als CO2-Senke wirken. Bestrebungen aus der Forst- und Holzindustrie, den höheren Holzvorrat beschleunigt abzubauen, wird entschieden entgegen getreten (Starkholzproblem). Die Urwaldforschung zeigt, dass natürliche Waldaufbauformen etwa doppelt so hohe Holzvorräte aufweisen wie derzeit in Deutschland der Fall. Gerade das Prinzip der Nachhaltigkeit verlangt zum einen die umfassenden Nutzungsmöglichkeiten für künftige Generationen beizubehalten und nach Möglichkeit zu steigern. Zum anderen muss die Nachhaltigkeit auch in ökologischer Hinsicht gewährleistet sein, und hier gibt es bekanntermaßen die größten Defizite bei den Tier- und Pflanzenarten alter, vorratsreicher Wälder. Da eine Verzinsung des Vorratskapitals nicht üblich und nicht sinnvoll ist, gibt es keine wirtschaftlichen Nachteile eines höheren Vorrats. Im Gegenteil die Kulturkosten sinken, und Vorteile - auch finanzieller Art - der biologischen Automation können genutzt werden. Die in allen Bundesländern als forstpolitische Leitlinie anerkannte naturnahe und nachhaltige Waldwirtschaft erfordert somit eine weitere Vorratserhöhung des starken und wertvollen Holzes.
Begrüßt wird auch die leichte Zunahme des Laubbaumanteils, auch wenn er vielerorts auf kurzlebige Baumarten wie Weiden, Birken und Aspen zurückgeht, die sich kurzfristig auf großen Kahlflächen nach Sturmwürfen angesiedelt haben, mittelfristig aber wieder Wirtschaftsbaumarten weichen müssen. Der aktuelle Laubbaumanteil in Deutschlands Wäldern liegt mit ca. 40 % allerdings nach wie vor weit unter den Werten einer natürlichen Waldbestockung, die zu über 95% von Laubwaldgesellschaften geprägt wäre.
Mit der Zunahme der Laubbäume ist auch i.d.R. eine Zunahme der Naturnähe verbunden. Positiv zu erwähnen ist, dass mit der BWI II erstmalig ein Versuch gemacht wurde, eine fundierte Datengrundlage für die Bewertung der Naturnähe deutscher Wälder zu schaffen, indem die Inventurpunkte natürlichen Waldgesellschaften zugeordnet wurden. Die abschließende Bewertung im Rahmen der BWI selbst ist allerdings in einem Ausmaß mißlungen, das geeignet sein kann, die gesamte Inventur zu diskreditieren. Nach den vorliegenden Naturnäheeinstufungen der BWI II werden Waldgebiete großflächig als naturnah eingestuft, die wie das Fichtelgebirge, der Frankenwald oder der Oberpfälzer Wald ganz offensichtlich zum aller größten Teil aus naturfernen Fichtenwäldern bzw. fichtendominierten Wäldern bestehen. Hier liegen eindeutig gravierende fachliche Fehler im Bewertungsschema vor und der Verdacht liegt nahe, dass hier Fichtenwälder aus wirtschaftlichen und politischen Gründen als naturnah eingestuft werden sollen. Außerdem ist die Beurteilung der Naturnähe allein über die Baumartenzusammensetzung aus ökologischer und forstfachlicher Sicht nicht ausreichend. In eine Naturnähebewertung müssen zwingend auch strukturelle Eigenschaften wie Schichtigkeit, Bestandesalter und Vorkommen von Totholz eingezogen werden.
Totholz ist ein wichtiges Kriterium für Naturnähe und Artenvielfalt. In Deutschlands Wäldern ist ein durchschnittlicher Werte von 13 m3 pro ha gemessen worden. Die Zahlen stehen in krassem Widerspruch zu den Erhebungen der Landesforstverwaltungen, wie das Beispiel Bayern zeigt. So sind in den wuchskräftigeren bayerischen Staatswäldern erst vor wenigen Jahren nur 3,3 m3 pro ha gemessen worden, wogegen die BWI II für die bayerischen Staatswälder über 23 m3 ermittelt. Diese Steigerung um 700 % erscheint nicht plausibel.
Nachdem die Daten zur Verbisssituation erst vor kurzem herausgegeben worden sind, erscheint die im Rahmen der BWI II ermittelte Verbissbelastung für die Baumarten Buche und Tanne zu niedrig, wenn man die Verbissinventuren der Bundesländer heranzieht. Es ist zu vermuten, dass hier methodische Fehler vorliegen, weil z.B. die Verbissaufnahme während der Vegetationszeit durchgeführt wurde.
Insgesamt belegt die BWI, dass die Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten Forstschritte in einigen Bereichen gemacht hat, aber erst am Anfang einer positiven Entwicklung steht.
Die unterzeichnenden Naturschutz- und Waldnutzerverbände fordern deshalb von der Bundesregierung, dass
die Bewertung der Naturnähe der Baumartenzusammensetzung im Rahmen der BWI im Hinblick auf die gravierenden Fehleinschätzungen von einem Gremium (Forst-) unabhängiger Experten überarbeitet wird,
die Methodik der Totholzaufnahme und der Verbissaufnahme im Rahmen der Ergebnisdokumentation und unter Verweis auf die Ergebnisse anderer Erhebungen kritisch hinterfragt und diskutiert wird,
die Reform des Bundesjagdgesetzes und Bundeswaldgesetzes baldmöglichst umgesetzt wird, was vor dem Hintergrund der Ergebnisse der BWI II notwendiger denn je ist.
von der Politik, dass
eine Förderung von Sägewerken nur erfolgen darf, wenn dies den regionalen Waldbesitzern Vorteile bringt und nicht zu einer Vernichtung leistungsfähiger vorhandener Sägewerke führt. Zu fördern sind insbesondere zukunftsweisende Einschnitttechnologien für starkes und reifes hochwertiges Holz sowie die regionale Kreislaufwirtschaft. Ziel muss sein, es den Waldbesitzer zu ermöglichen starkes Holz zu wirtschaftlich vertretbaren Erlösen zu verkaufen.
Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Forstbetrieben auch Umwelt - und Naturschutzleistungen (z.B. Schaffung und Erhaltung naturnaher Wälder, Wald als Erholungsraum für die Bevölkerung und Lebensraum für heimische Tier- und Pflanzenwelt) honorieren, damit diese nicht ausschließlich vom Holz-einschlag abhängig sind.
von der Forstwirtschaft,
den erfolgreichen Weg fortzusetzen und sowohl
Starkholzvorräte weiter aufzubauen als auch
den Laubholzanteil weiter zu steigern sowie
Totholz vermehrt im Wald zu belassen,
um dem Ziel naturnaher Wälder näher zu kommen,
von der Holzindustrie,
die Sägewerkstechnik auf Starkholzverwertung umzustellen, damit Forstbetriebe, die künftig vermehrt Starkholz produzieren, dieses auch vor Ort zu einem angemessenen Preis verwerten können. Das vermehrt anfallende Starkholz darf jedenfalls nicht als Vorwand dienen, den Weg zu naturnahen Wäldern mit einem entsprechend höheren Anteil an Starkholz zu verlassen.
Unterstützende Verbände
Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft Bayern (ANW)
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V.
Bund Naturschutz in Bayern (BN) e.V.
Deutscher Naturschutzring (DNR) e.V.
FSC Arbeitsgruppe Deutschland e.V.
Gesellschaft für ökologische Forschung e.V.
Greenpeace e.V.
Landesbund für Vogelschutz Bayern (LBV) e.V.
Naturland - Verband für ökologischen Landbau e.V.
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V.
Ökologischer Jagdverein Bayern e.V. (ÖJV)
Pro Regenwald
Robin Wood e.V.
Verein zum Schutz der Bergwelt
WWF-Deutschland
Juni 2005