Frankenschnellweg
Am 27.10.2015 verhandelt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) ab 10.00 Uhr in München die Berufung des BUND Naturschutz (BN) und eines Privatklägers in Sachen Ausbau des Frankenschnellweges.
Der BN will zusammen mit dem Bündnis gegen den Frankenschnellweg die Planung zu Fall bringen, weil sie zu mehr Transitverkehr durch die Stadt, zu mehr gesundheitsschädlichen Abgasen und Lärm und zu einem Verkehrskollaps in der Innenstadt beitragen würde.
Nach dem ablehnenden Urteil des Verwaltungsgerichtes Ansbach im Juli 2014 hatten sich die beklagte Regierung von Mittelfranken als Vertreterin der Staatsregierung und die Stadt Nürnberg als Beigeladene bereits sicher gefühlt und wollten mit dem Bau Anfang 2015 beginnen. Der VGH bat darum nicht anzufangen. Von der späteren Entscheidung des VGH, die Berufung zuzulassen zeigen sie sich geschockt, während Bündnis und BN Chancen sehen, die Transitautobahn noch zu verhindern. "Wir wollen - unabhängig von der gerichtlichen Entscheidung - darauf hinweisen, dass auch viele andere Gründe als die gerichtlich verwertbaren gegen die Planung und den Ausbau sprechen: Zum Beispiel die Zunahme des klima- und gesundheitsschädlichen Autoverkehrs, die wahnsinnig hohen Kosten oder die drohenden Verluste des VGN auf den Strecken zwischen Nürnberg-Fürth", so Ralph Hoffman, stellvertretender Sprecher des Bündnisses gegen den Frankenschnellweg. "Wir wollen zeigen, dass es umwelt- und stadtverträgliche Alternativen gibt wie intelligente Leitsysteme, die den LKW-Verkehr zum Hafen und im Transit nicht durch die Stadt führen, sondern auf den Autobahnen außen herum. Und dass der Frankenschnellweg und seine Umgebung im Stadtbereich Nürnberg aus städteplanerischen Gründen besser zu einer Stadtstraße mit Bürogebäuden, Radwegen und Aufenthaltsqualität umgebaut werden sollte als zu einer gigantischen Transitautobahn", so Hoffmann.
Richard Mergner, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz: "Aktuelle Gerichtsurteile haben die Position von Umweltverbänden in solchen Klageverfahren gestärkt. Der Europäische Gerichtshof hat erst im Oktober 2015 ein wegweisendes Urteil gesprochen, das den Umweltverbänden umfassendere Rechte zugesteht. Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Luftreinhalteplanung Darmstadt wird uns helfen. Nun wird wohl nicht mehr behauptet werden können, wir wären nicht auch berechtigt, die eklatanten Grenzwertüberschreitungen bei Stickoxiden vor Gericht bringen zu können, wie es das VG Ansbach in seinem Urteil ja noch behauptet hat."
"Wir hoffen natürlich auch, dass sich der VGH mit der unsäglichen Klassifizierung des Frankenschnellweges als Kreisstraße befasst. Wir sind überzeugt, dass der Lückenschluss zwischen der A 73 im Westen und der A 73 im Süden mit Autobahnstandard nach dem Bau eine Autobahn würde. Und dafür hätte die Stadt gar kein Planungsrecht", so Mergner. "Vielleicht hätte die Stadt doch besser rechtzeitig eine Umweltverträglichkeitsprüfung erstellen lassen, dann hätte man im Vorfeld merken können, dass an den geplanten Tunnelenden Grenzwertüberschreitungen bei Schadstoffen sicher sind. Wir meinen: Die Entlastung der Anwohner im Tunnelbereich darf nicht durch zusätzliche Belastung der Anwohner außerhalb des Ausbaubereiches erkauft werden. Die Anwohner im Bereich Werderau und Fürth sind keine Menschen zweiter Klasse", so Mergner.
Soweit erkennbar wird sich das Gericht mit dem Thema Umweltverträglichkeitsprüfung befassen. Die Stadt hat trotz mehrjährigem Planungsverfahren und der regelmäßigen Aufforderung durch die Verbände auf eine solche Prüfung verzichtet, weil es das für Kreisstraßen maßgebliche Bayerische Straßen- und Wegegesetz nicht vorschreibt. Dies widerspricht möglicherweise EU-Recht und könnte noch zu erheblichen Verzögerungen im weiteren Klageverfahren führen, wenn der EU-Gerichtshof auf Antrag des VGH mit der Frage befasst werden sollte.
Nach der Zulassung der Berufung hat die Stadt nun schnell einen Auftrag vergeben, um ein neues Verkehrsgutachten und eine Umweltverträglichkeitsprüfung nachschieben zu können.
Ehrliche Verkehrsprognosen könnten zeigen, wie sich der LKW-Verkehr entwickeln wird, wenn man ungehindert durchrauschen und dabei Maut sparen und mehrere Kilometer abkürzen kann. Es ist doch unredlich zu behaupten das Nürnberger Stadtgebiet würde bei einem Lückenschluss in der A 73 von Mehrverkehr verschont bleiben. Leider hat die Stadt wieder das umstrittene Gutachterbüro Brenner&Münnich beauftragt.
Das Klageverfahren
Der Bund Naturschutz hat Anfang August 2013 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Mittelfranken beim Verwaltungsgericht Ansbach eingereicht. Die Klage gegen das auf mindestens 500 Mio. € geschätzte Bauvorhaben wird finanziell und fachlich unterstützt vom Bündnis gegen den Frankenschnellweg, dem Verkehrsclub Deutschland, dem Nürnberger Energiewendebündnis, dem Verein zum Schutz des Rednitztals und von Privatleuten.
Die Regierung von Mittelfranken und die Stadt Nürnberg hatten versucht, den BUND Naturschutz als nicht klagebefugt in den besonders relevanten Fragen wie Einstufung als Kreisstraße, Bedarfsnachweis und fehlender Umweltprüfung hinzustellen. Das Verwaltungsgericht Ansbach folgte dieser Argumentation und wies die Klage des BN am 14.07.2014 ab.
Das Bündnis und der BN verständigten sich in der Folgezeit darauf, beim VGH Antrag auf Zulassung der Berufung zu stellen. Auch einer der Privatkläger beantragte Zulassung der Berufung.
Am 23. Juni 2015 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München entschieden, dass dem Antrag des BUND Naturschutz auf Zulassung der Berufung im Klageverfahren gegen den Ausbau des Frankenschnellweges in Nürnberg stattgegeben wird. Am 27.10.2015 verhandelt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) ab 10.00 Uhr in München im Sitzungssaal 5 des Bayer. Verwaltungsgerichts München, Bayerstr. 30.
Aktuelle Urteile
Zu Hilfe kommt dem Bund Naturschutz in der Klage ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom September 2013. Darin wird festgehalten, dass Umweltverbände die Einhaltung von Luftreinhalteplänen gerichtlich geltend machen können. Die Rechte von Umweltverbänden wurden damit massiv gestärkt. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilfe DUH gegen das Land Hessen. Sie bekam höchstinstanzlich Recht.
Das schaffte einen Präzedenzfall, der auch für die Klage gegen den Frankenschnellweg-Ausbau relevant ist. Hatte doch die Stadt Nürnberg alles daran gesetzt, die Verbände auch formal von einer Klagemöglichkeit auszuschließen. Dazu diente die Klassifizierung als Kreisstraße und die zwei getrennten Bauabschnitte, damit die Baulänge unter fünf Kilometern blieb. So wollte man die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung umgehen, eine relevante gesetzliche Grundlage, auf der der BUND Naturschutz nach dem Rechtsbehelfsgesetz seine Klagebefugnis herleitet, weil das Bundesnaturschutzgesetz als formaler Klagezugang eine Thematisierung des Gesundheitsschutzes nicht ermöglicht.
Zusätzlich hat der EU-Gerichtshof am 15. Oktober 2015 entschieden, dass Umweltverbände mehr Klagerechte in Umweltfragen bekommen müssen, weil in Deutschland zu restriktive Regeln galten. Der BN kann nun auch -quasi stellvertretend für betroffene Bürger - die Einhaltung von Gesundheitsschutzregeln vor Gericht bringen. Beim Frankenschnellweg sind dies z. B. Schutz vor Stickoxiden oder Feinstaub.
Grenzwertüberschreitungen bei Stickoxiden
Schon seit dem 1. Januar 2010 gilt für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid europaweit ein durchschnittlicher Jahresgrenzwert von 40 µg/m3. Dieser wird in Nürnberg noch immer erheblich überschritten. In der Messstation des Landesamtes für Umwelt an der Von-der-Tann-Straße wurde 2014 ein Jahresmittelwert von 49 Mikrogramm/m3 gemessen. Nun hat die EU-Kommission aufgrund anhaltender Überschreitungen der Luftreinhaltegrenzwerte in deutschen Städten ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Bündnis und BN fordern als zwingende Maßnahme für bessere Luft und Gesundheitsschutz der Bevölkerung die Einführung einer Umweltzone in Nürnberg sowie den Verzicht auf den Ausbau des Frankenschnellwegs zur Stadtautobahn. Bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans muss deshalb das Vorhaben Ausbau des Frankenschnellwegs gestrichen werden. Es ist grotesk, dass eine Baumaßnahme, die mehr KFZ-Verkehr durch Nürnberg und damit höhere Belastungen bringen wird als Luftreinhaltemaßnahme verkauft wird.
Auch die Hoffnung der Stadt und der Regierung von Mittelfranken - zuletzt beim Verfahren um den Ausbau des Frankenschnellweges angeführt - die Einführung des EURO 6-Standards bei Kraftfahrzeugen würde das Problem schon beheben sind eben nur Hoffnungen. Mittlerweile zeigt sich in Untersuchungen, dass die EURO 6-Fahrzeuge viel mehr Stickoxide produzieren als ursprünglich gedacht. Seit dem Skandal um die Manipulationen bei VW weiß man, wieso das wohl so ist.
Jetzt muss über eine andere Verkehrspolitik der Stadt nachgedacht werden. Wir brauchen deutlich weniger Autoverkehr. Der öffentliche Verkehr muss ausgebaut werden, nicht der Frankenschnellweg. Fuß- und Radverkehr brauchen mehr Platz - dafür muss auch den Autos Platz weggenommen werden. Mit dem für den Frankenschnellweg vorgesehenen Geld von 500 Mio. € könnte man jedem Nürnberger Einwohner ein kostenloses Elektrofahrrad vor die Tür stellen.
Alternativen
Das Bündnis und der BN fordern statt der Transitautobahn ein Bündel von Maßnahmen, um den Verkehr am Frankenschnellweg auch ohne Ausbau zu entlasten. Dazu zählen:
Alternative Leitsystem
Bisher vorhandene Beschilderungen an den Autobahnen müssen geändert werden. Derzeit werden z. B. Autofahrer aus Richtung Würzburg, die in den Stadtosten wollen über den Frankenschnellweg gelotst. Ähnliches gilt im Süden. Vor allem das Ziel "Nürnberg-Hafen" sollte konsequent über A3, A9, A6 und A73 ausgeschildert werden.
Da man mit Hilfe der statischen Wegweisung aber nur ortsunkundige Fahrer, die sich nicht von einem Navigationssystem leiten lassen, erreicht muss die statische Wegweisung unbedingt durch eine dynamische Verkehrslenkung ergänzt werden.
Wenn die auf Nürnberg zufahrenden Fahrer Information darüber bekommen, dass die vermeintliche Abkürzung über die A73 keinen Zeitgewinn bringt, so werden sie bereit sein, auch die etwas längeren Umwege zu wählen. Auch die Pendler werden bereit sein, über andere Autobahnanschlussstellen zu fahren, wenn sie wissen, dass dies die schnellere Alternative ist. Prinzipiell sollte darüber informiert werden, wenn sich ein Stau aufbaut, der zu mehr als 5 bis höchstens 10 Minuten Verzögerung durch Wartezeit und Stau an den Ampeln zwischen Rothenburger Straße und "An den Rampen" führt. Moderne Navigationssysteme reagieren auf Stauinformationen und leiten die Fahrer auf Alternativstrecken um. Solche dynamische Informationstafeln sollten bereits weit vor der für Umleitungsstrecken in Frage kommenden Autobahnkreuzung über die aktuelle Stausituation informieren. Damit würde der Fernverkehr auf den Autobahnen um Nürnberg herum bleiben und Pendler andere Ausfallstraßen nutzen oder mit Hilfe der P&R-Parkplätze in den ÖPNV umsteigen. Der Verkehr zum Nürnberger Hafen würde ebenfalls den Weg auf den Autobahnen rund um Nürnberg herum wählen.
Trotzdem wird die dynamische Verkehrslenkung über Hinweise alleine nicht ausreichen, den Verkehr umzuleiten und sollte deshalb um ein restriktives Leitsystem ergänzt werden.
Wie an der A9 von Salzburg / Rosenheim Richtung München seit Jahrzehnten erprobt sollte eine dynamische Temporegulierung installiert werden, die den Verkehr je nach Verkehrslage herunterbremst. Damit wird der Effekt ausgenutzt, dass bei geringeren Geschwindigkeiten die Kapazität einer Straße steigt und damit die Staus reduziert werden. Da dies auch bei geringeren Geschwindigkeiten gilt, wäre fallweise sogar eine Reduzierung bis auf 40 km/h denkbar. Streckenabschnitte wie der Nordast der A73 könnten bereits ab Autobahnkreuz Fürth / Erlangen bis Jansenbrücke für den Verkehr Richtung Nürnberg entsprechend geregelt werden. Eine konsequente Überwachung der Einhaltung der dynamischen Temporegulierung ist dabei zwingend. Trotzdem kann es sein, dass wegen des starken LKW-Verkehrs diese immer noch nicht ausreicht. Sie kann ergänzt werden durch dynamisch verhängte Durchfahrtsverbote für Schwerlastverkehr innerhalb des Mittleren Rings zwischen Jansenbrücke und Otto-Brenner-Brücke.
Das Verkehrsleitsystem kann nach und nach ausgebaut werden, die Einzelmaßnahmen wären kurzfristig und schrittweise realisierbar und brächten sehr schnell eine spürbare Entlastung durch bedarfsweise reduzierte Verkehrsmengen, weniger Stau und damit auch weniger Abgasen, die Kosten betrügen nur einen Bruchteil des Betrags von einer halben Milliarde, der für den geplanten Ausbau ausgegeben werden soll. Und es gäbe keine Jahre dauernden baustellenbedingten Einschränkungen des Verkehrs durch den aufwändigen Ausbau des Frankenschnellwegs, die zunächst die Verkehrsprobleme noch wesentlich verschärfen würden.
Alternative Umbau des Frankenschnellweges zur Stadtstraße
Einfallstraßen in Großstädte wir Nürnberg sind immer hoch belastete Straßen. Der Frankenschnellweg sollte bereits ab Stadtgrenze zur Stadtstraße ausgebaut werden. Zwischen Jansenbrücke und Rothenburger Straße könnten die innenstadtnahen wertvollen und heute mindergenutzten Flächen auf der Südseite mit Bürogebäuden bis zur Straße bebaut werden. Die Straße sollte so viele Kreuzungen, Anschlüsse, Radwege und Fußgängerwege haben wie nötig. Solche Straßen, oft als städtische Alleen gestaltet, gibt es zu Hauf in deutschen Großstädten, mit ebenso hohem Verkehrsaufkommen.
Das Bündnis gegen den Frankenschnellweg
Das Bündnis besteht aus den Vereinen Verkehrsclub Deutschland (VCD), Nürnberger Energiewendebündnis, Verein zum Schutz des Rednitztals, Bürgerverein Leonhard-Schweinau, Bürgerverein Gostenhof-Kleinweidenmühle-Muggenhof und Doos, BUND Naturschutz und den Nürnberger Parteien von Bündnis 90-Die Grünen, Linke Liste und ÖDP.
Für Rückfragen:
Tom Konopka Regionalreferent Telefon 0911 81878-24 Tom.konopka@bund-naturschutz.de