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Chancen der Bürgerenergiewende umsetzen statt blockieren

BUND Naturschutz fordert ehrgeizigere Ziele für Energieeinsparung und Klimaschutz in einem runderneuerten Energiekonzept für Bayern

16.07.2014

"Nach Monaten der Verunglimpfung der Energiewende als Kostentreiber und der Verunsicherung der engagierten Bürger und Bürgerinnen in dezentralen Energiegesellschaften, braucht Bayern ein runderneuertes Energiekonzept mit Priorität für Energiesparen und engagierten Klimaschutz", so der BUND Naturschutz Vorsitzende Hubert Weiger. Die Energiewende von unten und der weitere naturverträgliche Ausbau der Erneuerbaren Energien dürfen nicht mit unsinnigen Abstandsregelungen unter die Räder kommen. Bürger und Kommunen müssten endlich wirkungsvoll bei der Umsetzung der Energiewende unterstützt werden. Bei der Netzplanung muss sich die Staatsregierung endlich für eine strategische Umweltverträglichkeitsprüfung einsetzen, statt die Hochspannungstrassen hin und her zu schieben", fordert Weiger.

Der BUND Naturschutz kritisiert, dass mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) die Vergütung der Erneuerbaren Energie der dezentralen Stromerzeugung auf ein komplexes Vermarktungsregelwerk umgestellt wird, das die Bürgerenergie vor hohe Hürden stellt. Motivation ist wohl nicht mehr Atomausstieg und Klimaschutz, sondern Schutz der großen Energieunternehmen vor aktiven Bürgern und Bürgerinnen", kritisiert Weiger. Jetzt sei die Bayerische Staatsregierung gefordert Hilfestellung anzubieten, damit die Bürgerenergiewende nicht ins Aus gedrängt wird.

Der BUND Naturschutz in Bayern macht daher folgende Vorschläge für die Runderneuerung des Energiekonzeptes der Staatsregierung unter den neuen Rahmenbedingungen.

Energiesparen in Bayern.

Energiesparen in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr muss als Kernthema in die Bayerische Wirtschaftspolitik Eingang finden. Ziel muss sein: minus 50 Prozent Energieverbrauch in Bayern, bezogen auf 2010, bis zum Jahre 2050. "In 2012 haben wir vom BUND Naturschutz mit Landesbund für Vogelschutz und dem Staatsministerium für Umwelt einen 12-Punkte-Maßnahmenplan Stromsparen entwickelt: 50 Prozent Stromsparen sind machbar. Dieser Plan muss nun im Staatsministerium für Wirtschaft aus der Schublade geholt werden, zur Umsetzung in die Tat", fordert Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz beim BUND Naturschutz in Bayern. "Analog müssen Aktionspläne für die Bereiche Wärme und Verkehr entwickelt werden!"

Einzelprogramme und Einzelschritte müssen sich am Ziel Energiesparen 50 Prozent orientieren. Wirtschaftsförderung muss an Ziele und Erfolge beim Energiesparen gekoppelt werden. Die Vergabe von Fördergeldern muss überprüft werden - wurden die geförderten Maßnahmen tatsächlich mit ihrer Energiesparwirkung umgesetzt?

Direktvermarktung - Einstieg in regionale Strommärkte

Die Bayerische Staatsregierung hat sich beim Umbau des Erneuerbare- Energien-Gesetzes 2014 für Direktvermarktung und Ausschreibungen eingesetzt. Mit dem Resultat - die Bayerischen Bürgerenergiegesellschaft sehen sich vor dem "Aus". Die neuen Bestimmungen stellen hohe Hürden für kleine Gesellschaften dar, die Refinanzierung wird sehr unsicher, viele geplante Erneuerbare Energien Projekte werden gestrichen werden müssen.
Das Problem ist: Die Energiewende ist eine Bürgerenergiewende. Die bisherigen Großunternehmen haben strukturelle und finanzielle Schwierigkeiten, die typischerweise dezentralen Erneuerbaren Energien zu realisieren. Ohne Bürgerbeteiligung keine Energiewende - so Prof. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. "Ernstgemeinte Direktvermarktung benötigt dezentrale, regionale und lokale Vermarkter, die auf die Belange der Erneuerbaren Energie spezialisiert sind. Aber dieses neue Marktsegment steckt bislang noch völlig in den Kinderschuhen und wird eine Energiewende Bayern nicht schultern können", so Barthel.

Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft muss baldmöglichst Strukturmaßnahmen in Bayern ergreifen, die verhindern, dass die Bürgerenergiegesellschaften durch diese neuen Regelungen des EEG 2014 vom Markt und aus ihren Projekten gedrängt werden.

Netzplanung

Die bisherige Netzentwicklungsplanung ist in Gänze falsch gelaufen. Das deutsche Energiekonzept und die daraus abgeleitete Netzplanung muss einer Alternativenprüfung in einer Strategischen Umweltprüfung unterzogen werden. Die bayrischen CSU-Bundestagsabgeordneten und die Staatsregierung haben dem Bundesbedarfsplangesetz im Jahr 2013 zugestimmt - ohne zu verstehen um was es geht und ohne öffentliche Diskussion in Bayern. Der Schlingerkurs der Bayerischen Staatsregierung in Sachen Stromtrassen verwirrt und verärgert die Bürger und Bürgerinnen in Bayern.

Für die Netzplanung fordert der BUND Naturschutz Dezentralität vor zentralistischen Konzepten, Partizipation und nicht nur Mediation, Akzeptanz durch Transparenz. "Wenn wir bei einem stark dezentralisierten, erneuerbaren Stromerzeugungssystem tatsächlich Stromtrassen benötigen, dann darf das nicht in Berlin entschieden und in Bayern nur noch erklärt werden", so Weiger. Der BUND Naturschutz fordert einen Stopp der aktuellen Trassenplanung und den Neustart nach einer transparenten Analyse mit offengelegten Daten und der transparenten Untersuchung unterschiedlicher Konzepte.

Netzstabilität, dezentrale Kraftwärmekopplung und flexible Nutzung von Biogas

Bayern benötigt Atomausstieg und Klimaschutz, somit die Energiewende im Bereich Stromversorgung. Bayerns Bürger, Gewerbe und Industrie benötigen stabile Stromnetze. "Die physikalische und wirtschaftliche Notwendigkeit stabiler Stromversorgung darf aber kein Freibrief werden für Investoren, sich an dubiosen Kapazitätsmärkten Subventionen zu sichern", warnt Weiger. "Auch bei einer Sicherung der Stromversorgung muss die Wertschöpfung vor Ort bleiben."

Netzstabilisierung und sichere Stromversorgung muss weitgehend dezentral erfolgen, dies erfordert Analyse und Ausbau der regionalen Verteilernetze, den konsequenten Aufbau regionaler Strommärkte, die Nutzung der dezentrale Kraftwärmekopplung zur Netzstabilität, gemäß "sicherer Strom aus Heizung". Bedeutsam ist die Flexibilisierung der Biogasverstromung. Biogas als speicherbare Erneuerbare Energie kann wesentlich die Lücken füllen, die die fluktuierenden Erneuerbaren Energien Wind- und Sonnenstrom nicht füllen können. Das EEG 2014 hat hier die Tür nicht ganz verschlossen, aber auch nicht proaktiv geöffnet. Die Bayerische Staatsregierung muss hier regional nachsteuern.

Nutzung von Biomasse - Weg vom Mais

Die Nutzung von Biomasse, also Holz, landwirtschaftlichen Produkten und organischen Abfällen muss naturverträglich erfolgen. Der landwirtschaftliche Fokus auf Mais ist eine Sackgasse. Abfälle nutzen ist ein Muss.

"Der Umbau von Mais auf eine Vielfalt von Nutzpflanzen und die stärkere Nutzung von Landschaftspflegematerial ist im EEG 2014 leider auf der Strecke geblieben. Hier ist nun die Staatregierung in Bayern mit eigenen landwirtschaftlichen Förderprogrammen selbst gefragt", fordert Weiger.

Strom aus Sonne und Wind als Basis der Erneuerbaren Energien - keine unsinnige 10H Abstandsregel

Strom aus Sonne senkt Stromkosten in Bayern. Innovative Nutzungskonzepte für Eigenstrom aus Fotovoltaik geben neue Chancen für die Wettbewerbsfähigkeit bayerischer Gewerbe. Bayern benötigt den Ausbau der Windenergie. Nach 2011 war der Freistaat Bayern hier vorbildlich gestartet: Energie Innovativ, "Windenergieerlass" mit guten Planungsinstrumenten, Regionalplanung und Konzentrationsflächenplanung, Energieatlas Bayern. Doch in 2013 entwickelten Windenergiegegner aus dem Lager alter Anhänger der Atomenergie und Klimawandelskeptiker eine Regel 10 Mal die Höhe von Windrädern als Abstand zu Wohnbebauungen, die von der bayerischen Staatsregierung übernommen und nun wohl bald vom bayerischen Landtag in der bayerischen Bauordnung verankert wird. Windenergie soll aus Bayern verbannt werden, so die Argumente der Windenergiegegner.

"Diese 10H Regel ist ein Angriff auf den Natur- und Landschaftsschutz in Bayern, diese unsinnige neue 10H Regel will die Energiewende in Bayern zerschlagen, diese 10H Regel wird lokale Wertschöpfung mit Erneuerbaren Energien aus Bayern verdrängen - ein Angriff auf den gesunden Menschenverstand. Ministerpräsident Seehofer hat sich in diese Sackgasse manövrieren lassen - nun muss er sehen, wie er da wieder herauskommt. Die Energiewende in Bayern darf so nicht auf der Strecke bleiben", fordert Weiger. Der BUND Naturschutz fordert die Einstellung dieses Gesetzesvorhabens und Vertrauensschutz für bisherige Planungen. Planungsgelder der Bürgerenergiegesellschaft und Kommunen dürfen nicht mit einem Federstrich vergeudet werden. Der BUND Naturschutz fordert, dass die bisherig erfolgreichen Planungsinstrumente Regionalplanung Wind mit dem "Windenergieerlass" vom Dezember 2011 weiterhin Bestand haben, nicht eingeschränkt, sondern ausgebaut werden.


Für Rückfragen: Dr. Herbert Barthel, BN-Referent für Energie und Klimaschutz, 0151-5048-9963