CSU, FDP und Freie Wähler opfern Rappinalm
Das Votum von CSU, FDP und Freie Wähler (bei einer Nein-Stimme) für die Erschließung der Rappinalm, Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, hat der BN mit Enttäuschung aufgenommen:
„Wir sind enttäuscht und empört, wie hier mit leichter Hand Ziele der Alpenkonvention und der Naturschutzgesetze weggewischt werden – entgegen allen politischen Sonntagsreden wird wieder ein Stück nahezu unberührter Landschaft in Bayern geopfert. reagierte Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN).
Besonders kritisiert der BN die Rolle der Forstverwaltung: „Der Forstbetrieb Bad Tölz ist mit offenbar nur vorgeschobenen Gründen der Borkenkäferbekämpfung nun zentral mitverantwortlich für die Zerstörung des Gebietes.“ so Weiger weiter „Erstens wären ohne den Forststraßenbau die Kosten für den Almbauern viel zu hoch und zweitens wird die Straße nun auf 2/3 Länge LKW-tauglich gebaut, d.h. 4 m breit und nicht nur 2,5 m breit, was für die Almbewirtschaftung ausreichend wäre. Der Forst reduziert damit durch Großmaschineneinsatz seine Kosten, potenziert aber den Eingriff in die erosionsanfälligen Hänge. Der Wegebau auf die Rappinalm ist ein weiterer Beleg dafür, wie recht- und schutzlos die Natur außerhalb von NATURA 2000-Gebieten ist.“
Da es auch wenig tröstlich, dass der BN immerhin eine noch schlechtere zunächst geplante – und von den Behörden lange verteidigte - Trasse verhindern konnte. „Was besser ist als etwas anderes, ist noch lange nicht gut“ kritisiert Dr. Christine Margraf, Artenschutzreferentin des BN für Südbayern. „Landschaftsbild, geschützte Lebensräume und Arten und auch die Geologie sprechen hier eindeutig gegen jeglichen Weg.“ Der Aufwand für den Straßenbau ist immens, wie auch die Geologen bestätigen. Nicht ohne Grund wurde die Rappinalm bis heute nicht erschlossen. Der BN ist klar für den Erhalt der Almen und Alpen in Bayern – aber nicht um jeden Preis.
Zudem kritisiert der BN, wie leichtfertig die Abgeordneten hier mit Steuergeldern für einen Almbauern und dessen 26 Rinder umgehen: „Das Geld wäre ökologisch und ökonomisch sinnvoller in einer gestaffelten erhöhten Förderung für unerschlossene Almen angelegt“. so Friedl Krönauer, stellvertretender Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen. Der Weg soll nach sehr optimistischen Angaben der Antragsteller 2-300.000 € kosten – zusätzlich jährlicher Unterhaltskosten.
„Den Befürwortern der Straße fehlt es an Verantwortungsbewusstsein, zukunftsweisenden Szenarien für die Almbewirtschaftung und am Mut, dies auch gegen Einzelinteressen durchzusetzen.“ fasst Friedl Krönauer seine Verärgerung zusammen.
Der BN wird nun auch intensiv prüfen, welche rechtlichen Schritte gegen die Genehmigung des Weges, mit der nun bald zu rechnen ist, möglich sind.
Der BN wird aber auch seine Bemühungen um eine Änderung der Förderprogramme für Almen und Alpen (Staffelung nach Erschließungsgrad) intensivieren, damit wenigstens die letzten unerschlossenen Almen als Kleinode und Rückzugsräume für Mensch und Natur erhalten bleiben können.
Zudem wird der BN verstärkt die negativen Folgen der zahlreichen aktuellen Forstwegebauten in den bayerischen Alpen thematisieren. „Gerade angesichts des Klimawandels brauchen wir intakte Böden und Bergwälder. Jede Straße erhöht die Erosionsanfälligkeit bei Starkregen.“ so der BN. Zudem muss endlich auch der Wert einer Unberührtheit und Unerschlossenheit der Landschaft vor Augen geführt werden.
Für Rückfragen:
Dr. Christine Margraf, Fachabteilung München des BN (Tel.: 089/54829889, www.bund-naturschutz.de, christine.margraf@bund-naturschutz.de
Friedl Krönauer, 2. Vorsitzende des BN Bad Tölz-Wolfratshausen, friedl-kroenauer@t-online.de
Carola Belloni, 1. Vorsitzende des BN Bad Tölz-Wolfratshausen
Beide: Tel.: 08171/26571, Bund-Naturschutz-Buero-Wor@web.de
Abstimmungsergebnis:
| CSU (92) | SPD (39) | FW (20) | B´90/Grüne (19) | FDP (16) | Fraktionslos (1) |
Ja-Stimmen | 75 | - | 15 | - | 14 | - |
Nein-Stimmen | - | 29 | 1 | 15 | - | - |
Enthaltungen | 1 | - | 1 | - | - | - |
abwesend | 16 | 10 | 3 | 4 | 2 | 1 |
Hintergrund:
1. Geplante Erschließung
Vor ziemlich genau 6 Jahren begann durch den Antrag der Erschließung der Rappin Alm über die Kochler Alm – Trasse der Versuch, eine aufgrund ihrer einzigartigen Lage bisher unerschlossenen Almfläche, an das Verkehrswegenetz im Tal anzubinden. Alle berechtigten Einwände von Experten wurden in diesem Verfahren von den Befürwortern der Maßnahme zurückgewiesen und die vorgebrachten Kostenkalkulationen seitens des Antragstellers (€ 70.000 für die gesamte Wegestrecke!) sollten die schnelle und unkomplizierte Durchführung dokumentieren. Letztendlich könnte man diese Kostenaufstellung in der Rückschau auch als Geringschätzung gegenüber den Genehmigungsbehörden betrachten. Diese Kostenkalkulation wurde vom Landratsamt nie in Zweifel gezogen! Es ist sicher kein Ruhmesblatt für die zuständigen Verwaltungs- und Prüfungsinstanzen, dass nur durch die Unnachgiebigkeit und akribische Arbeit der Naturschutzverbände die Undurchführbarkeit der Antragstrasse offenbar wurde und durch Entscheidung des Umweltministeriums 2008 ihre Bestätigung fand.
Im Oktober 2008 kam es zur erneuten Antragstellung. Diesmal über die beim ersten Verfahren vom Antragsteller als unrealisierbar bezeichnete „Walchgraben-Trasse“. Die Gemeinde als Bauträger soll das breite öffentliche Interesse, die Beteiligung der Bayerischen Staatsforsten die erweiterte Notwendigkeit (Borkenkäferabwehr!) der straßenmäßigen Erschließung dokumentieren. Das unbestrittene legitime Interesse des Antragstellers ist mittlerweile in den Hintergrund gerückt. Kein Wunder, betrachtet man die Planung mit einer Straßenbreite von durchgehend 4m bis auf ein kurzes letztes Wegstück bis zum Almgelände mit einer Breite von 2,5 m!
Dass diese Straße nun in einem ostseitigen Gelände mit einer Hangneigung von über 30° auf bestehenden Rutschungen gebaut werden soll, mutet als äußerst gewagt an, vor dem Hintergrund der aktuellen Witterungsverhältnisse mit Überschwemmungen und Murenabgängen, selbst in einst sicher geglaubten Tallagen.
Der bei der Begehung anwesende Geologe hat ausdrücklich auf die Probleme der Trassenführung hingewiesen (vorhandene Rutschungen), diese fachlichen Einwände wurden jedoch verdrängt bzw. uminterpretiert.
Die veränderten klimatischen Bedingungen und Erfahrungen durch die Starkregenereignisse in jüngster Zeit und aus den vergangenen Jahren werden bei diesem Vorhaben schlichtweg ignoriert. Eine Instandhaltung der Straße wird zu einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko.
Der Wegebau verstößt auch gegen die Alpenkonvention.
Der Eingriff kann auch naturschutzrechtlich nicht ausgeglichen werden, dies hat das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen schriftlich bestätigt.
Eine seriöse Kostenkalkulation existiert nicht, man begnügt sich mit Angaben der Antragsteller und Erfahrungswerten aus „ähnlichen“ Vorhaben.
2. Finanzielle Förderungen
Ein Grund, weshalb die Almbauern der bisher noch nicht wegemäßig erschlossenen Almen, vehement einen Weg bzw. eine Straße fordern, ist auch die Angst vor der Kürzung finanzieller Zuschussmöglichkeiten. Mit einem Weg macht sich der Landwirt unabhängiger von finanziellen alternativen Förderprogrammen. Solange die bayerische Staatsregierung die Unterstützung der Almbauern auf Genehmigung und Bezuschussung jedweder geforderten Wegebaumaßnahme reduziert und die Notwendigkeit eines langfristig angelegten Konzeptes des Miteinanders von Almwirtschaft und Naturschutz nicht erkennt, bzw. ablehnt, wird es daher bei jeder neuen Erschließung Konflikte geben.
Dabei geht es keineswegs um die gerne zitierte Alternative: „Wegebau oder Aufgabe der Alm und Verfinsterung der Alpen“. Auch der Naturschutz spricht sich für eine naturverträgliche Bewirtschaftung der Almen aus, nur eben mit anderen Fördermitteln. Wobei auch ein Ende der Bewirtschaftung nicht in dem Schreckensszenario der „Verfinsterung“ durch Bewaldung endet, wie zahlreiche Beispiele vielerorts zeigen.
Bei der Landbewirtschaftung müssen zunehmend auch die Leistungen für Wasserhaushalt, Klimaschutz, Naturschutz (Biodiversität) oder Tourismus im Vordergrund stehen. Staatliche Förderung muss sich nach dem Beitrag für diese Aufgaben richten und diese in eine echte Kosten-Nutzen-Rechnung mit einbeziehen. Dies wäre auch im Sinne der Alpenkonvention.
3. Negative Auswirkungen auf Natur, Landschaft und Funktionsfähigkeit der Lebensräume:
- Zerstörung, Zerschneidung und Beunruhigung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen,
- Störung und Zerstörung des Landschaftsbildes,
- Erzeugung von legalem und illegalem Kfz-Verkehr auch von nicht landwirtschaftlichen Nutzern (Hüttenpächtern, Besuchern) mit entsprechenden Folge-Konflikten und erhöhtem Nutzungsdruck.
- Förderung von teilweise naturschädlichen Freizeitverkehr (z.B. Mountainbikern in Außentageszeiten),
- Anreiz für nichtlandwirtschaftliche Nutzung von Almen für den Tourismus (Umwandlung in Tagesgaststätten mit Schaffung neuer Tourismusschwerpunkte) mit entsprechenden Folge-Konflikten durch erhöhten Nutzungsdruck.
- Erhöhte Nutzung des Waldes, oft mit Kahlschlägen und Entnahme alter Bäume.
- Weitgehend irreversible Schäden durch die Eingriffe der Baumassnahmen, z.B. Flächenversiegelung, Hanganschnitte, Entwässerungen.
- Schaffung von Ansatzpunkten für Erosion.
4. Forderungen des BN
- Der BN fordert für die 8 % der nicht mit einer PKW-befahrbaren Straße erschlossenen 1.380 Almen in Bayern ein abgestuftes System der finanziellen Entschädigung: eine Staffelung von Zuschüssen für die Almwirtschaft in Relation zu ihrer naturschutzfachlichen Bedeutung und Erschließungssituation (z.B. Einführung eines Förderzuschlages für erschwerte Bewirtschaftung ohne Straße wie in Österreich), dabei auch Berücksichtigung der Tallagen (z.B. Einführung einer Beweidungsprämie).
„Einer Staffelung der alm-/ alpwirtschaftlichen Förderung in Abhängigkeit von der jeweiligen Erschließungssituation … könnte grundsätzlich beigetreten werden. …Allerdings wäre dies mit einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand verbunden. Deshalb wurde dieser Weg bisher nicht eingeschlagen.“ (Landtags-Drs. 15/5263 Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der Grünen)
In Österreich werden aus dem Österreichischem Umweltprogramm prozentuale Aufschläge auf die Prämien für Behirtung und Almbeweidung (Alpung) in Abhängigkeit von der Erreichbarkeit bezahlt. Die Aufschläge betragen 30% auf Almen, die nur über einen Fuß- oder Viehtriebweg und 20% für Almen, die nur über eine Materialseilbahn oder mit Spezialfahrzeugen erreichbar sind. - Koppelung finanzieller Zuschüsse an klare ökologische Vorgaben. In besonders wertvollen Gebieten müssen besondere Zahlungen möglich sein (v.a. auch Einführung einer Natura 2000-Prämie).
- stärkere Umsetzung der Alternativen: Hubschrauberflüge, Seilbahnbringung, Tragtiere und Spezialfahrzeugen als Alternativen zum PKW-befahrbaren Weg.
- Erstellung eines Gesamtkonzeptes, in dem jede noch nicht erschlossene Alm hinsichtlich ihrer ökologischen und naturschutzfachlichen Wertigkeit beurteilt wird, eine Risikoanalyse erstellt wird und Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie für jede einzelne Alm eine naturverträgliche Bewirtschaftung ohne Weg gesichert werden kann.
- Dies sollte einbettet sein in ein Gesamtkonzept für eine ökologische Almwirtschaft, die die Leistungen erbringen kann, für die die Gesellschaft bereit ist, Subventionen zu erbringen. Angesichts der hohen finanziellen Unterstützung der Almwirtschaft werden diese Zahlungen nur bei Erhalt von Almwirtschaft und Natur dauerhaft erhalten werden können.
- Umschichtung in der forstwirtschaftlichen Förderung weg von der LKW-Straße hin zu alternativen Bringungsmethoden.