Der Chiemgau verliert sein Gesicht
Jedes Jahr werden in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land 3 500 000m² Freifläche bebaut. Zwar wird der Flächenverbrauch inzwischen als eines der größten Umweltprobleme anerkannt, doch findet diese Erkenntnis noch selten Eingang in Entscheidungen über Einzelprojekte. Anlässlich der Veranstaltung der Regierung von Oberbayern in Traunstein am 24.05.2007 zum Thema „Wege zur intelligenten Flächennutzung“ fordert der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) die verantwortlichen Kommunalpolitiker auf, in ihren Entscheidungen der Erhaltung von Freiflächen Vorrang einzuräumen. Außerdem muss die bayerische Staatsregierung die Rahmenbedingungen zu Gunsten einer flächensparenden Siedlungsentwicklung verändern.
Der Flächenverbrauch im Chiemgau ist überdurchschnittlich hoch. Während die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche im Bayerischen Mittel zwischen 1980 und 2004 bei ca. 35 Prozent lag, wird dieser ohnehin schon hohe Wert im Chiemgau noch mal deutlich übertroffen. Im Landkreis Traunstein nahm die Siedlungs- und Verkehrsfläche innerhalb dieser 24 Jahre um 46 Prozent zu, im Landkreis Rosenheim um 44 Prozent. Ein Flächenverbrauch in diesem Tempo bedeutet, dass nur in ca. 50 Jahren so viel Fläche verbaut wird, wie in allen Generationen vorher zusammen.
Der Verlust von Freiflächen ist in dieser Region besonders erschreckend, da sie zu den ökologisch wertvollsten Regionen in Bayern gehört, im Berggebiet die vom Menschen nutzbare Talfläche ohnehin sehr begrenzt ist und die Landschaft des Chiemgaus die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutenden Tourismus darstellt.
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung
In der Region sind zur Zeit mehrere flächenfressende Großprojekte in Planung, die der Bund Naturschutz entschieden ablehnt:
- Gewerbepark Bad Feilnbach – Eulenau:
Die Gemeinde Bad Feilnbach plant auf 70.000m² ein Gewerbegebiet auf extensiv bewirtschafteten Wiesen, welches inmitten von Flächen des Bayerischen Arten- und Biotopschutzprogramms, von FFH- und Naturschutzgebieten und, von nach dem bayerischen Naturschutzgesetz geschützten Flächen liegt.
- Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes (LSG) Inntal:
Das LSG Inntal soll deutlich verkleinert werden, um dort mehrere Gewerbegebiete anzusiedeln: Konkret projektiert werden schon die Vergrößerung eines Gewerbegebiets in der Gemeinde Flintsbach oder die Neuausweisung eines Gewerbegebiets in Oberaudorf in mitten der zentralen Achse des Schutzgebietes direkt am Inn. Der Bund Naturschutz befürchtet mittelfristig eine Bebauung von vielen weiteren Flächen, die jetzt aus dem LSG herausgelöst werden und hat eine Petition eingereicht.
- Mehrere Verkehrsprojekte im Landkreis Traunstein:
Umgehungsstraßen von Sondermoning und Traunstein, Brücke über die Salzach bei Fridolfing durch das FFH-Gebiet Salzachauen.
- Gewerbegebiet Anger:
Auf 40.000 m² soll zwischen Autobahn und dem malerischen Dorf Anger in bisher freier Landschaft ein großflächiges Spielzeugmuseum eines Porsche-Enkels entstehen. Mit der Ansiedlung dieses Vorhabens wird ein Dammbruch befürchtet. Der Bund Naturschutz fordert, dass die Diskussion um weitere Gewerbeflächen entlang der Autobahn sofort beendet werden muss.
- Factory-Outlet-Center (FOC) Piding:
Gegen den Widerstand von Bund Naturschutz, Einzelhandelsverbund, Stadt Bad Reichenhall und Markt Berchtesgaden wird in der Gemeinde Piding an der A8 ein FOC geplant. Neben einem enormen Flächenverbrauch ist eine Schwächung des Einzelhandels in den Ortskernen zu befürchten. Die Änderung des Landesentwicklungsplanes unter der Regie des Wirtschaftsministeriums im Jahr 2006 hat für großflächigen Einzelhandel im Grenzgebiet die Genehmigungsgrundlage geschaffen. Jetzt übt das Ministerium massiven Druck auf diejenigen Kommunen aus, welche gegen das Vorhaben klagen wollen. Das verwundert um so mehr, als das der jetzige Wirtschaftsminister Huber im Jahr 2000 in einem Brief zum damals umstrittenen FOC in Ingolstadt die negativen Auswirkungen einer solchen Einrichtung auf Umwelt, Einzelhandel, Verkehr und Arbeitsmarkt deutlich aufzeigt. Eine staatliche Unterstützung einer solchen Ansiedlung führt zudem die zahlreichen Bemühungen und Programme der bayerischen Staatsregierung zur Stärkung der Innenstädte und Ortskerne ad absurdum.
Neben vielen augenscheinlichen Gewerbegebieten sind die zahlreichen kleinen Flächenausweisungen für Einfamilienhausgebiete in der Summe ein bedeutender Faktor für den Flächenverbrauch. Erst in einer Zusammenschau über mehrere Jahre wird deutlich, wie stark die Fläche für Siedlungsgebiete zugenommen hat. Die Bund Naturschutz Kreisgruppe Rosenheim hat die Siedlungsentwicklung zahlreicher Orte dokumentiert:
Die Siedlungsentwicklung eines Chiemgauer Dorfes am Beispiel von Rimsting
Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs hält der Bund Naturschutz folgende übergeordnete Leitziele für notwendig:
1. Stabilisierung der Siedlungs- und Verkehrsfläche Bayerns bis 2010
2. Zusammenschau von Bevölkerungsentwicklung und ökologischer Tragfähigkeit
3. Umkehr der Beweislast bei Neubebauungen
4. Verteuerung der Freiflächeninanspruchnahme
5. Auslegung der Planungshoheit der Städte und Gemeinden als Grundverpflichtung zur Erhaltung der freien Landschaft
Hinweis:
Ausstellungseröffnung „Flächenfraß in Bayern“ am 24.05.2007 um 19:30 Uhr im
Kulturbahnhof Rimsting. Initiator : Bund Naturschutz Kreisgruppe Rosenheim
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