Die Energiewende voran bringen - politische Hemmnisse bei der Umsetzung überwinden
Die Energiewende kommt nicht voran – Bürgerschaft, Kommunen und die Wirtschaft warten auf klare und stabile Rahmenbedingungen für das post-nukleare Energiezeitalter, das letztlich auch zur Ablösung der fossilen, kohlenstoffbasierten Energieträger führen soll. Nach einem guten Auftakt mit klaren Zielsetzungen droht das Projekt Energiewende, das ein Motor der Wirtschaftsentwicklung und zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe sein könnte, nunmehr in einem Gewirr an Kompetenzen auf Bundes- und Landesebene, zu versanden.
Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, und Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND und Landesvorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, wählen den ungewöhnlichen Schritt einer gemeinsamen Pressekonferenz, weil sie sich große Sorgen machen, dass die Energiewende scheitert.
Für wichtige Aktionsfelder erheben sie gemeinsame Forderungen:
1. Es ist dringend erforderlich, ein Gesamtkonzept zur zielgerichteten Umsetzung der Energiewende zu formulieren. Dazu gehört zuvorderst die Stärkung der Initiativen zur Energieeinsparung und zur Effizienzsteigerung – nur wenn es gelingt, der Energieverschwendung Einhalt zu gebieten, kann die Energiewende gelingen.
Dazu Hubert Weiger: „Wir hoffen, dass nach der Landtagswahl Energiesparen und Energieeffizienz endlich mehrheitsfähig werden, damit es zu einer echten ökologischen Energiewende in Bayern kommt. Bayern muss zum Musterland für Energiesparen und Energieeffizienz durch energetische Gebäudesanierung und Kraft-Wärme-Kopplung werden.“
Des Weiteren sind offene Fragen beim Ausbau der Stromversorgungsnetze (auf allen Spannnungsniveaus), bei der Neugestaltung der Förderung Erneuerbarer Energien und hinsichtlich der zukünftigen Marktordnung für den Energiesektor zu klären. Im Rahmen des neuen Ordnungssystems ist dafür zu sorgen, dass die volatile Energieerzeugung aus Erneuerbaren Quellen, die Energiespeicherung und der Betrieb konventioneller Kraftwerke zur Sicherung der Versorgungsstabilität nach ökonomischen und ökologischen Maßstäben verträglich und aufeinander abgestimmt funktionieren.
Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung zu; damit können dezentral Reservekraftwerke aufgebaut werden. Im Versorgungsgebiet der N-Ergie sind inzwischen mehr als 35.000 Stromerzeugungsanlagen - sowohl Photovoltaik-Anlagen als auch zahlreiche Anlagen anderer Art - in Betrieb, häufig von Bürgern aus Stadt und Region finanziert und in zunehmendem Maße auch von Bürgerenergiegesellschaften betrieben. Sparkassen ebenso wie Volksbanken und Raiffeisenbanken unterstützen genau so wie örtliche Stadtwerke das Engagement der Bürgerschaft und tragen damit auch zur regionalen Wertschöpfung bei.
Diese Dynamik wird nur dann aufrecht erhalten bleiben, wenn der Rahmen für eine neue Energiemarkt-Ordnung zügig geschaffen wird und somit stabile Rahmenbedingungen für Investitionen gegeben sind. Klima- und energiepolitische Zielvorstellungen müssen mit marktpolitischen Instrumenten in der Energiewirtschaft so umgesetzt werden, dass die für die Umstellung des Energieversorgungssystems unerläßlichen Investitionen geleistet werden können, ohne dass die Energiepreise in einem sozial und wirtschaftlich unverträglichem Maße steigen. Die der Industrie gewährte Entlastung sind dazu auf ein verträgliches Maß zurück zu führen und Fördermaßnahmen eng zu begrenzen.
OB Dr. Maly: „Es ist widersinnig, dass derzeit Atomkraftwerke und klimaschädliche Kohlekraftwerke rentabler sind als ein modernes Gaskraftwerk wie in Irsching; ein zukunftsfähiger Energiemarkt erfordert stattdessen die Verteuerung der Kohlendioxid-Emissionen, den zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien und einen raschen Atomausstieg.“
2. Der Kurs der Bayerischen Staatsregierung gegen den Ausbau der Windkraft gefährdet die Ausbauziele bei Einsatz Erneuerbarer Energien. Bayern hat gerade bei der Windkraft sowohl gute Potentiale als auch Nachholbedarf. Die Standortbewertung muss mit Sorgfalt und Sachverstand sowie unter Beachtung der naturräumlichen Situation vorgenommen werden, darf aber nicht durch pauschale Vorgaben behindert werden. Diese Grundsätze gelten auch für alle anderen Erneuerbaren Energien, da deren Nutzung durchaus mit Risiken für Natur und Umwelt verbunden sein können. Zwischen Natur- und Umweltschutz und energiewirtschaftlichen Interessen besteht ein erhebliches Spannungsfeld, das fallbezogene Bewertungs- und Abwägungsprozesse erfordert.
„Wer die Zerschlagung der bisherigen erfolgreichen Erneuerbaren Energien-Politik zum Wahlkampfthema macht, sabotiert den Atomausstieg und die dezentrale Energiewende von Bürgern und fortschrittlichen Kommunen in Bayern“ kritisieren Dr. Maly und Dr. Weiger unisono.
3. Auf kommunaler Ebene kommt der energetischen Sanierung des Gebäudebestands sowie der Umsetzung von Konzepten nachhaltigen Bauens im Neubau eine Schlüsselrolle in der Umsetzung der Klimaschutzziele zu. Dazu ist erforderlich, dass das Gebäudesanierungsprogramm des Bundes erheblich ausgeweitet wird – von den bislang angedachten 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro auf mindestens 5 Milliarden Euro jährlich. Nur so werden sich die angestrebten Sanierungsraten erreichen lassen. Darüber hinaus bedarf es eines Sonderprogramms für die Sanierung öffentlicher Liegenschaften, das auch dazu dienen sollte, vorbildhafte Maßnahmen und technologische Pilotprojekte zu realisieren. Modulare und technisch situationsangepasste Lösungen müssen für die verschiedensten Anwendungsfälle eingesetzt werden.
4. Der Energieverbrauch im Verkehrssektor stellt ein weiteres Aufgabenfeld dar. Der Öffentliche Personen Nahverkehr (ÖPNV) wird eine Schlüsselrolle haben, wenn es um zukunftsorientierte, klimaverträgliche und nachhaltige Formen der Mobilität geht. Die langfristige Sicherung der Finanzierung des ÖPNV ist daher eine zentrale Forderung auch als Element des Klimaschutzes und der Energiewende. Weiterhin muss die Fahrzeugflotte insgesamt auf einen geringeren Treibstoff-Verbrauch und geringere Schadstoffemissionen ausgelegt werden. Die Bundesregierung sollte dabei nicht eine Bremser-Rolle im europäischen Kontext spielen, sondern die Messlatte so hoch legen, dass auch der Verkehr seinen Beitrag zur Effizienzsteigerung und Energieeinsparung und somit zur Senkung der CO2-Emissionen erbringt.
Die Stadt Nürnberg erarbeitet derzeit einen Klimaschutzfahrplan 2010/2050, der eine klare Agenda definieren wird. Der Stadtrat hat dafür bereits am 13.07.2011 anspruchsvolle klima- und energiepolitische Zielvorgaben beschlossen. Jetzt gilt es zu deren Umsetzung Maßnahmenpakete zu entwickeln. In vielen Bereichen sind dazu schon wichtige Beiträge erbracht worden, so durch Umstellung der Straßenbeleuchtung auf energiesparende Systeme, durch energetische Modernisierung öffentlicher Gebäude, die Umstellung des städtischen Stromverbrauchs auf Ökostrom, die Installation zahlreicher Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Gebäuden und nicht zuletzt den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung auf der städtischen Kläranlage. Mit der Nutzung der Faulgase in Blockheizkraftwerken auf der Kläranlage wird heute bereits ein hoher Anteil des in Nürnberg aus erneuerbaren Quellen erzeugten Stroms gewonnen, mit dem knapp 15 000 Haushalte versorgt werden. Das seit Jahren erfolgreich gemeinsam von Stadt Nürnberg und N-Ergie umgesetzte CO2-Minderungsprogramm ist ein weiterer Baustein zur Umsetzung der Energiewende auf lokaler Ebene.
Der wichtigste Bereich für die Erreichung der Klimaziele ist jedoch die energetische Sanierung des Wohnungsbestandes. Wenn es von Seiten des Bundes keine wirksamen Anreize zur Sanierung des Wohnungsbestandes geben wird, wird die Stadt ihre Klimaziele nicht erreichen können.
Für Rückfragen:
Richard Mergner Dr. Peter Pluschke
BN-Landesbeauftragter Umweltreferent der Stadt Nürnberg
0911-8187825 u. 0171-6394370 0911/231 4977