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Energiewende in Bürgerhand retten

BUND Naturschutz stellt vorbildliches Energiekonzept am Beispiel des Landkreises Neustadt an der Aisch vor

01.04.2014

"In der vergangenen Legislaturperiode wurde der Energie-3-Sprung "Energie-sparen - Energieeffizienz - Erneuerbare Energie in der Bayerischen Staatsregierung blockiert. Das FDP-geführte Wirtschaftsministerium in München hatte in den vergangenen 4 Jahren zukunftsweisende kommunale Energiekonzepte rigoros abgeblockt. Das erste halbes Jahr Wirtschafts- und Energieministerium unter Ilse Aigner zeigt noch keine Trendwende. Die erforderliche Integration des Energie-3-Sprungs in die Bayerische Wirtschaftspolitik lässt auf sich warten.

Aber - Hoffnung keimt aus der Fläche - die Kommunalpolitik zeigt vielerorts der Landespolitik, wie eine engagierte und zukunftsfähige Energiewendepolitik funktioniert. Der Landkreis an der Aisch - Bad Windsheim in Mittelfranken zeigt, wie eine kommunale Energiebilanz Wegweiser sein kann, für Bürgerinnen und Bürger, für das lokale Gewerbe und für die lokale Industrie. Die Energiebilanz kann als Vorbild für ganz Bayern dienen: Energiesparen, Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien als Standbein für die lokale Wirtschaft und lokale Aktion für den globalen Klimaschutz.

Bereits im Jahr 2012 hatte der Landkreis 82 Prozent seines Stroms aus Erneuerbaren Energien produziert. Das ist vorbildlich. Bayern lag damals bei gut 25 Prozent", so Prof. Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern.

"Wir haben versucht, schon frühzeitig die Zeichen der Zeit zu erkennen. Bereits vor sechs Jahren wurde das Energiemanagement im Landratsamt eingerichtet. Es ist an die Wirtschaftsförderung angegliedert und arbeitet zusammen mit aktiven Ehrenamtlichen sowie allen Städten und Gemeinden im Landkreis. Gemeinsam mit Bürgerschaft und Kommunen haben wir zielstrebig die Energiewende auf den Weg gebracht. Die Erfolge im Landkreis Neustadt an der Aisch - Bad Windsheim lassen sich sehen, das zeigt auch die Energiebilanz. Es gibt keine Alternative zur Energiewende! Alle Versuche, die Energiewende in Bayern zu stoppen, werden scheitern!", so Walter Schneider, Landrat des Landkreis Neustadt an der Aisch - Bad Windsheim.

Die Energiebilanz des Landkreises liefert Daten für alle 38 Gemeinden des Landkreises: zur Einwohnerzahl, zur Gesamt- und zur versiegelten Fläche, zur Wald-, Wasser- und landwirtschaftlich genutzten Fläche, zum Stromverbrauch, zum eingespeisten Strom aus Erneuerbaren Energien, zur erzielten Vergütung gemäß EEG in Euro, zur Produktion pro Kopf an Erneuerbaren Energien und zum Deckungsgrad des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien in Prozent.

"Wir sehen in der Regionalisierung der Energieversorgung große Chancen für eine nachhaltige Entwicklung im Landkreis Neustadt an der Aisch - Bad Windsheim: für die Ökologie mit der Reduzierung der Kohlendioxid-Fracht, für die Ökonomie mit Verdienstmöglichkeiten für dauerhaft benötigte Leistungen wie Strom und Wärme, für die Menschen mit Möglichkeiten von Leben und Arbeiten im ländlichen Raum. Dieser Prozess muss durch weiteres Energiesparen verstärkt werden. Der Ballungsraum Nürnberg/Fürth/Erlangen mit seinem hohen Energiebedarf kann nur dann mit erneuerbaren Energien versorgt werden, wenn überall der Energieverbrauch sinkt. Die Menschen in unserem Landkreis sind bereit für die Energiewende, sie sind eingebunden in Entscheidungsprozesse und bringen sich aktiv ein, sowohl im Ideellen als auch im Finanziellen", erläutert Karin Eigenthaler, Vorsitzende des BUND Naturschutz in Neustadt/Aisch-Bad Windsheim.

Im Landkreis waren in 2012 ca. 270 Megawatt elektrischer Leistung Erneuerbarer Energien installiert, mit einer Stromproduktion elektrischer Energie von ca. 440 Gigawattstunden. Die Einnahmen aus der EEG-Einspeisevergütung haben sich von 2009 mit 45 Millionen Euro auf 100 Millionen Euro in 2012 entwickelt. Es gibt im Landkreis Hunderte von Beteiligten an Bürgerwindrädern, 31 von 34 Windrädern sind in Bürger/innenhand. Dies zeigt: Anwohner lassen sich für Windenergie begeistern, wenn sie in den Planungsprozess eingebunden sind. Dies gilt ebenso für Bürgeranlagen bei Fotovoltaik-Freiflächenanlagen.

"Die Daten aus solcher einer kommunalen Energiebilanz sind Momentaufnahmen. Sie zeigen das Potential auf für weitere Entwicklungen. Sie sind Basis für Trendanalysen. Wichtig sind verlässliche politische Rahmenbedingungen nur dann wird auch Geld investiert. Für Gewerbe der Energiewende gelten die gleichen Voraussetzungen wie in den klassischen Gewerbezweigen. Daher fordern wir verlässliche Förderprogramm für die energetische Sanierung, daher fordern wir eine verlässliche Fortführung des Erneuerbaren Energien Gesetzes, für die dezentrale Energiewende von Unten, vor Ort, durch Bürger/innen und Kommunen", so Richard Mergner, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz in Bayern.

Bereits seit den 1990er Jahren sahen es Kreis- und Ortsgruppen (Neustadt an der Aisch, Emskirchen, Scheinfeld) als ihre primäre Aufgabe, Informationen zu den drei Schwerpunkten der Energiewende in die Bevölkerung zu bringen:

  • Energiesparen, mit zwei Stromsparwettbewerben, mit Energiesparberatung für einkommensschwache Haushalte, Tipps zum Stromsparen zum Beispiel für Haushaltsgeräte usw., Infoständen bei Märkten am Wein-, Bauern- und Handwerkermarkt und Veranstaltungen wie Vorträgen und Besichtigungen), aber nicht nur bei Strom, sondern auch im Bereich Wärme, hier Gebäudedämmung, sonnenorientiertes Bauen, Solarwarmwasser;
  • Steigerung der Energieeffizienz mit Blockheizkraftwerke und stromsparender Beleuchtung;
  • Und Erneuerbaren Energien: zum Beispiel Vorstellung der Technik von Solarthermie und Fotovoltaik, Anlagenbesichtigungen, Touren zu Windrädern, Presseberichten dazu, Einbindung des Handwerks bei Märkten, Initiierung eines Bonusmodells für die Nutzung von Erneuerbaren Energie beim Hausbau usw.

Der BUND Naturschutz sah es dabei als seine Aufgabe, zielgruppenspezifisch zu informieren zu Hausbau, Gebäudesanierung/-modernisierung, Nachrüstungen, etc., und positive Stimmung für Veränderungen zu entwickeln. Dabei geht es nicht nur um die Vorteile einer zukunftsfähigen Energieversorgung, sondern auch um Strukturförderung im ländlichen Raum. Der BUND Naturschutz will dabei Neues anstoßen, Entwicklungen kritisch begleiten, Erfahrungen aus anderen Kommunen einbringen, Akteure vernetzen und auf neue Schwerpunkte, z.B. Energiesparen im Wärmebereich, hinweisen.

Die Energiebilanz des Landkreises zeigt auf, das mit den handwerklichen Leistungen im Bereich Energiewende hochqualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze erhalten oder neu geschaffen werden können. Dies bringt nicht nur Arbeitsplätze vor Ort, für die Bewohner des ländlichen Raums, sondern erhält auch Versorgungsstrukturen. Denn der Elektriker, der Fotovoltaik-Anlagen verkabelt, baut und repariert auch andere stromabhängige Systeme. Der Dachdecker, der energetisch saniert, arbeitet auch an Bestandshäusern. Der Verputzer liefert Gebäudedämmung, aber auch andere Fassadenarbeiten. Ohne die Gewerke für die Energiewende wären in vielen Orten die Handwerksbetriebe oft schon aufgegeben, weil ohne wirtschaftliche Perspektive.

Im Landkreis Neustadt an der Aisch - Bad Windsheim ist die Mischung aus Fotovoltaik, Windenergie und Biomassenutzung ausgewogen. So hat jede Gemeinde ihre Chance, ihren Weg zu den Erneuerbaren Energien zu finden. Durch den Geldrückfluss aus der EEG-Einspeisevergütung besteht für viele Bürger die Möglichkeit, ihre Investition zu refinanzieren. Die über 8700 Fotovoltaik-Anlagen zeigen, dass sich "Normal"-Bürger/innen sich für diese Technik interessieren und diese anwenden. Investitionen von Bürger/innen im Landkreis schaffen Einkommen für Unternehmen aber auch für die Bürger/innen selbst. Daneben stärkt es die Wirtschaftskraft im Landkreis. Die Steuern aus diesen Einnahmen stärken die Kommunen und den Staat. Das Geld bleibt auf dem Land.

Wichtig für den Erfolg im Landkreis ist die Zusammenarbeit von Bürger und Bürgerinnen, des ehrenamtlichen Engagement für Erneuerbare Energie, wie aus "Agenda 21 Gruppen" oder dem BUND Naturschutz mit dem Landkreis und dem Landratsamt. Schlüssel zum Erfolg war und ist die Unterstützung durch den Landkreis und das Landratsamt. Vorbildlich im Landkreis sind die Vortragsreihen "E³ (E hoch drei)", das Erheben der Daten für die Energiebilanz, die Betreuung der Energiewendebeauftragten der Gemeinden durch den Landkreis. Durch die Vernetzung von ehrenamtlichen und amtlichen Engagement kamen und kommen ungewöhnliche Ideen zur Umsetzung und beleben die Energiewende.

Für Rückfragen: Richard Mergner, Landesbeauftragter, Tel. 0171-6394370
Dr. Herbert Barthel, Referent für Energie und Klimaschutz, Tel. 0151-50489963