Erschließung der Alpen nimmt kein Ende. Beispiel Oberstdorf:
Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) äußert sich sehr kritisch zu den weiter fortschreitenden Erschließungen im Alpenraum, der aktuellen Erweiterung der Fellhornbahn durch eine Parallelbahn und damit erstmals einer Aufrüstung im Talbereich, sowie dem geplanten Neubau einer Sesselbahn am Höllwies: „Jede Neuerschließung zieht in der Regel weitere Eingriffe nach sich und führt zu einer Aufrüstungsspirale. Das Fellhorn ist hierfür in Bayern ein herausragend negatives Beispiel“ kritisiert Richard Mergner, Landesbeauftragter des BN, und fordert die strikte Beachtung der Alpenkonvention.
Die Klimaveränderung und klamme Kassen der Kommunen sind in aller Munde. Gleichzeitig wird von Staat und Kommunen in neue Lifte mit immer höheren Kapazitäten und in den Alpinskisport mit neuen Beschneiungsanlagen investiert. Seit Jahren wendet sich der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) gegen diese Fehlentwicklungen, die mit Zerstörung von Lebensräumen und Natur verbunden sind und wertvolle Ressourcen wie Wasser und Energie in hohem Maß verbrauchen.
Die Fellhornbahn bei Oberstdorf erhöht durch den Bau einer zweiten Kabinenbahn ihre Beförderungskapazität auf mehr als das dreifache im Sommerbetrieb und das zweifache im Winterbetrieb, und zwar erstmals aus dem Talbereich. Diese große Kapazitätserhöhung wurde bei der Planung nicht erwähnt. Im Gegenteil wurde der „ökologische Rückbau“ von zwei Liften, die nur im Winter genutzt werden, hervorgehoben.
Die bestehende Fellhornbahn befördert pro Stunde 720 Personen, die neue Bahn 2400 Personen / Stunde parallel zur bestehenden Großkabinen-Pendelbahn. Von der Gipfelstation sind es nur noch 10 Minuten Gehweg zum Gipfelkreuz. Dieser über 1 Meter breite Weg wird jetzt schon im Sommer durch sehr hohe Besuchermengen begangen. Bei schönem Wetter schieben sich die Wanderer in Reihen zu 3-5 Personen nebeneinander den Weg hinauf. Er wird durch einen Elektrozaun begrenzt, getarnt als Weide-Einzäunung, um eine Verbreiterung zu verhindern. Schon 1992 schrieb die Presse: „Touristen machen das Fellhorn platt“.
Die neue, vom Betreiber als „Deutschlands längste und modernste Einseil-Umlaufbahn und eine der fünf größten der Welt“ bezeichnete Parallelbahn wird zusätzlich und ganzjährig weitere 2400 Personen pro Stunde zur Mittelstation transportieren. Die beiden dafür abgebauten, aufeinander folgenden, kleineren Lifte, nämlich die Doppelsesselbahn Faistenoy sowie der Schlepplift „Höfle“ transportierten etwa 1100 Personen pro Stunde nach oben, zudem nur auf die Wintersaison begrenzt und nicht bis zur Mittelstation der Fellhornbahn reichend. Ob die angebliche Begrenzung auf 10.000 sogenannte „Ersteintritte“ in das Skigebiet Fellhorn-Kanzelwand, wie im Bescheid der Genehmigung verlangt, eingehalten wird, zweifelt der BN stark an.
Für den Bau der 8er-Kabinenbahn muß 1,3 ha Schutzwald gerodet werden, der laut Waldfunktionskarte besondere Bedeutung für den Lawinen-, Boden- und Wasserschutz hat. „Damit geht nicht nur Lebensraum für Tiere und Pflanzen verloren, sondern auch Schutz vor Lawinen, Muren und Hochwasserschutz. Das ist verantwortungslos und ein klarer Verstoß gegen die Alpenkonvention.“ macht Barbara Zach, Regionalreferentin Schwaben deutlich, „jeder Hektar Bergwald ist notwendiger denn je angesichts der zu beobachtenden Klimaerwärmung“. Nach Ansicht des BN ist das Genehmigungsverfahren hier völlig unzureichend. Die nach Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft und Forsten, Kempten, als Ausgleich geplanten Ersatzaufforstungen in den Liftschneisen der abgebauten Lifte können den ursprünglichen Wald an Ort und Stelle nicht ersetzen.
Nicht nur das Fellhorngebiet ist betroffen: Bereits bei der bisherigen Ausbausituation war der Parkplatz der Fellhornbahn an Wochenenden so stark überlastet, daß PKWs bis zu 2km entlang der Zufahrtstraße geparkt wurden und sogar in das als Rettungsweg geltende und daher für den Verkehr gesperrte Birgsauertal hinein geparkt wurden. Nun sollen noch mehr Autos dort abgestellt werden. Der Parkplatz grenzt direkt an die Stillach, ein Bergbach, der beim Hochwasser 2005 seine Ufer übertrat und riesige Kiesmengen auf dem Parkplatz ablagerte. Die Stillach hatte ihr altes Bett wieder eingenommen, das ihr beim Parkplatzbau einst abgetrennt worden war. Auf diese Gefahr wies der BN bereits 1998 hin, als der Parkplatz dorthin erweitert werden sollte und kämpfte massiv dagegen.
Die Notwendigkeit einer neuen Bahn wird auch damit begründet, daß bei gutem Wetter zeitweise Wartezeiten an der Bahn auftreten. Die Staus durch PKW-Verkehr auf Zu- und Heimfahrt im Birgsauertal und auf der B19 sind bereits jetzt unzumutbar und zwar mit längeren und schädlicheren Wartezeiten als an der Bergbahn.
Die Abgase durch den Individualverkehr ergeben bereits jetzt oft große Schadstoffbelastungen der Luft. Wenn nicht der Tagesausflugsverkehr zu den Bergbahnen vor Ort auf den subventionierten Parkplätzen aufgefangen wird und mit abgasfreien Bussen weitertransportiert wird, droht Oberstdorf der Verlust der Prädikate „Luftkurort“ und „Heilklimatischer Kurort“, sowie eine weitere Abnahme der Übernachtungsgäste.
Die „Leidensgeschichte Fellhorn“ zieht sich mittlerweile über mehrere Jahrzehnte hin, mit immer neuen Anträgen und Eingriffen, die stets in Entscheidungen zu Ungunsten des Naturhaushaltes und der Wildtiere ausgefallen sind Was wird unserer international so begehrten und in der Werbung als einzigartig präsentierten Erholungslandschaft noch zugemutet"
Höllwieslift – die Aufrüstungsspirale darf sich nicht weiter drehen!
Weitere Erschließungen rund um den beliebten Urlaubsort Oberstdorf sind geplant. Noch ist der Höllwieslift ein kleiner Schlepplift im Stillachtal, die Abfahrt führt über einen extensiv betriebener Schihang. Dieses Wiesengebiet, über das er führt, ist als ein herausragendes Allgäuer Kulturlandschaftselement bekannt und als Alpenbiotop beschrieben. Zusammen mit der urigen Gaststätte an der Tatstation ist dieses Schigebiet eher ein „Insidertipp“. Das soll sich jetzt ändern: die geplante "Modernisierung" sieht vor: statt Schlepplift eine viel längere Sesselbahn, neue Abfahrten, für die Bergwald gerodet und Feuchtwiesen drainiert werden müssen und die Anlage eines künstlichen Beschneidungsteichs, das Wasser muß dazu aus der schon durch Wasserkraftwerke verbauten und abflußbegrenzten Stillach hochgepumpt werden für eine Beschneiungsanlage. Den BN kritisiert die Unsinnigkeit von Beschneiungsanlagen in diesen Höhenlagen angesichts der Klimaveränderung und lehnt wegen Naturunverträglichkeit den Neubau entschieden ab. Die geplanten Maßnahmen sind mit der Alpenkonvention nicht vereinbar. Stattdessen fordert der BN die Stärkung von fantasievollen, natur- und umweltverträglichen Alternativangeboten zum Alpin-Skifahren und des Urlaubserlebnisses ohne Alpinski, denn, so Zach: „eine Nutzung der Berge ist nur dann wirklich nachhaltig, wenn die Schönheiten und Besonderheiten der Berge für Bewohner und Besucher bewahrt werden!“
Anlagen (siehe download-Datei):
Alpenkonvention ist anzuwenden! (Relevante Artikel in Auszügen)
Chronik der Aufrüstung des Fellhorns von 1972-2006
Stellungnahme des BN zur Erweiterung der Fellhornbahn vom Feb. 2006
Positionspapier zur künstlichen Beschneiung mit Schneekanonen
Für Rückfragen:
Dr. Christine Margraf
Leiterin Fachabteilung München
Tel.: 089/548298-89
christine.margraf@bund-naturschutz.de
Richard Mergner
Landesbeauftragter
Tel.: 0911/81878-0
richard.mergner@bund-naturschutz.de
Barbara Zach
Regionalreferentin Schwaben
Tel.: 089/54829864
barbara.zach@bund-naturschutz.de