EU-Agrarreform- und Gentechnikbeschlüsse bieten Chancen für Bayerns Kulturlandschaft
Der Bund Naturschutz begrüßt die jüngsten Beschlüsse des EU Agrarministerrates in Luxemburg als wichtigen Schritt, die Agrarausgaben künftig sozial- und umweltgerechter zu verteilen und damit die bayerische Kulturlandschaft besser zu schützen. Mit der Entkopplung der Direktzahlungen wird der Weg für eine überfällige Umverteilung der Prämien hin zu kleinen und mittleren Betrieben, insbesondere in den bayerischen Grünlandgebieten geschaffen. "Damit ist die Chance eröffnet, gerade das vom bayerischen Landwirtschaftsminister Miller vorgeschlagene Modell einer Grundprämie und einer zusätzlichen Förderung über das bayerische Kulturlandschaftsprogramm umzusetzen und damit EU-konform die Interessen der bayerischen Landwirtschaft zu wahren", so Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN.
Auch im Bereich der Gentechnik bieten sich neue Handlungsspielräume. Nach dem Beschluss des EU-Parlaments zur Kennzeichnung von Genfood und zur Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen fordert der BN von der bayerischen Staatsregierung den entschiedenen Einsatz für einen Freisetzungsstopp für gentechnisch veränderte Pflanzen an staatlichen Einrichtungen sowie den Einsatz für klare gesetzliche Regelungen (Koexistenzregelungen), um eine schleichende Genkontamina-tion auf Bayerns Feldern zu verhindern und auch künftig die Wahlfreiheit der Verbraucher und Landwirte für einen gentechnikfreien Anbau sicherzustellen. Außerdem müssen Fragen der Haftung für Schäden durch gentechnische Kontamination und die Kostenübernahme für aufwendige Kontrollsysteme und getrennten Erfassungshandel geklärt sein, bevor über eine Aufhebung des EU-Morato-riums für die Zulassung weiterer genveränderter Pflanzen diskutiert werden kann, fordert der BN.
"Diejenigen, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen Gewinne erzielen wollen, müssen nach dem Verursacherprinzip für die Kosten aufkommen, die sie bei anderen verursachen", so Hans Urbauer, Sprecher des Bundes Naturschutz Landesarbeitskreises Landwirtschaft. "denn: sowohl konventionell wie auch ökologisch wirtschaftende Landwirte, die wie bisher in natürlichen Systemen ohne Gentechnik wirtschaften wollen, wehren sich mit aller Entschiedenheit dagegen, plötzlich bis zu 20% an Mehrkosten aufbringen müssen, um sich vor der Gen- Kontamination durch die Gentechnikkonzerne zu schützen."
Bewertung der Agrarreformbeschlüsse
Die beschlossene Entkopplung der Direktzahlungen wird vom BN begrüßt. Mit dieser Entkopplung wird die Grundlage für ein neues, gerechteres, ein ökologisch sinnvolleres und damit gesellschaftlich akzeptableres Fördersystem geschaffen. In Bayern wird damit ermöglicht, Grünland gleichwertig mit Acker zu fördern, und damit das ökologisch wertvolle Grünland gegenüber stark umweltbelastenden Kulturen, wie dem Maisanbau, konkurrenzfähig zu machen.
Die neue Begründung für die Zahlungen an die Bauern soll "cross compliance" heißen, d.h. die Einhaltung von Umwelt-, Tierschutz-, Verbraucher- und Gesundheitsstandards. Im Prinzip wird dieser Ansatz vom BN im hohen Maße begrüßt. Allerdings rechtfertigt nach Auffassung des BN nicht schon die Einhaltung bestehender Gesetze einen Förderanspruch in Milliardenhöhe, sondern die Standards sollten oberhalb gesetzlicher Regelungen liegen, um gesellschaftlich dauerhaft akzeptiert zu werden. Der BN schlägt dazu flächengebundene Tierhaltung, vielseitigere Fruchtfolgen und den Ausschluss des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen vor.
Mit der Modulation sollen Mittel aus den klassischen Agrarmarktordnungen in die 2. Säule der Agrarpolitik verlagert werden. Dies entspricht einer alten Forderung des BN und wird deshalb sehr positiv gesehen. Jedoch wird bedauert, dass die Höhe der Umschichtungen weitaus geringer ausfällt als noch vor Jahresfrist versprochen wurde. (ab 2005 3%, 2006: 4%, 2007: 5%). In Bayern könnte das Kulturlandschaftsprogramm um die Förderung für artgerechte Tierhaltungsverfahren, wie z.B. die Weidehaltung, ergänzt werden.
Die Milchwirtschaft droht wieder einmal Verlierer der Agrarpolitik zu werden, wenn nicht durch die Einführung einer allgemeinen Flächenprämie (d.h. inklusive einer Grünlandprämie) die beschlossenen Preissenkungen voll kompensiert werden. Noch unter der CDU geführten Regierung Kohl wurde 1999 die Erhöhung der Milchquote um 1,5 % beschlossen, die Milchquote sollte nach damaliger Vorstellung 2008 auslaufen. Eine weitere Quotenerhöhung um 2% konnte abgewendet werden und die Quotenregelung bis 2015 beibehalten werden. Der BN fordert auch deshalb das Engagement von Minister Miller zur Einführung der o.g. einheitlichen Flächenprämie für Acker und Grünland.
Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft in Bayern
Der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen (GVO) in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ist nicht im Sinne der bayerischen Verbraucher und Landwirte. Die mit dem Einsatz von GVO verbundenen Risiken und negativen Folgewirkungen für die landwirtschaftliche Praxis sind nicht beherrschbar und nicht abschätzbar. Die Förderung der "grünen Gentechnik" widerspricht somit dem Vorsorgeprinzip und der staatlichen Verpflichtung eine gentechnikfreie Produktion auch in Zukunft zu ermöglichen und damit die Wahlfreiheit der Bevölkerung beim Lebensmitteleinkauf sicher zu stellen.
Daraus ergeben sich folgende Forderungen:
Kontaminationswege für GVO müssen ausgeschlossen werden, z.B. durch die Ausweisung von gentechnikfreien Schutzzonen:
Die Einkreuzung transgener Pollen durch Wind oder Insekten auf gleichartige Kulturpflanzen oder verwandte Wildpflanzen kann nach Expertenmeinung nur durch die Einhaltung ausreichender Sicherheitsabstände zwischen den Anbauflächen GVO-freier Kulturen und Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen oder durch die Einrichtung gentechnikfreier Zonen minimiert werden. Darüber hinaus sind Änderungen der Bewirtschaftungsweise nötig, z.B. Brachflächenmanagement, Veränderungen der Fruchtfolgen oder unterschiedliche Aussaattermine, es müsste ein Anbaukataster erstellt werden, um die Flächen mit genveränderten Pflanzen zu lokalisieren und die entsprechenden Schutzzonen auszuweisen. Die Regelungen der guten fachlichen Praxis müssten um diesen Bereich erweitert werden. Wenn diese notwendigen Schutzmaßnahmen alle ergriffen würden, würde sich rasch zeigen, dass die Einführung der Gentechnik nicht wirtschaftliche Vorteile, sondern entschiedene einzelbetriebliche und volkswirtschaftliche Nachteile mit sich bringt.
Die Kontamination durch technische Prozesse, Handel und Vermischungen ist auszuschließen
Die Trennung der Warenströme muss sich über alle Branchen (Erzeugung, Handel, Futtermittelherstellung, Lebensmittelverarbeitung und chemische Industrie erstrecken und verursacht erhebliche Mehrkosten. Diese müssen dem Verursacher angelastet werden.
Stopp für Freisetzungsversuche und verstärkte ökologische landwirtschaftliche Forschung
Stopp aller Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen an staatlichen Einrichtungen in Bayern und keine mit Steuergeldern finanzierte Förderung der grünen Gentechnik, die von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Stattdessen eine verstärkte staatliche Förderung der ökologisch orientierten landwirtschaftlichen Forschung
Anlage: Beschlüsse des EU Parlamentes zur Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen und deren Rückverfolgbarkeit
Es müssen alle Produkte gekennzeichnet werden, die mehr als 0,9% gentechnisch veränderte Organismen (GVO) oder Zutaten mit mehr als 0,9% GVO enthalten. Der BN hatte sich auch hier für die Nachweisgrenze ausgesprochen, was einer faktischen toleranz gleichkommt.
Es muss gekennzeichnet werden, auch wenn die spezifische DNA oder Proteine der verwendeten GVO nicht mehr im Endprodukt nachweisbar sind. Dies betrifft unter anderem Öl, Stärke, Zucker und andere hoch veredelte Produkte.
Auch in Tierfutter müssen gentechnisch veränderte Bestandteile gekennzeichnet werden. Tierische Produkte wie Fleisch, Eier und Milch sind von der Kennzeichnungspflicht ausgeschlossen.
Regelungen für gentechnisch verändertes Saatgut wurden nicht getroffen.
Der BN fordert hier die Orientierung an der Nachweisgrenze von 0,1%.
Die Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, eigenständig Regelungen zur Sicherung der Koexistenz von gentechnikfreier Landwirtschaft bei der Anwendung von Gentechnik zu ergreifen.
Es fehlt jedoch eine Rahmenregelung auf europäischer Ebene, um das Verursacherprinzip mit einer Haftungs- und Schadensersatzregelung durchzusetzen, die Landwirte, die weiterhin gentechnikfrei produzieren wollen, ausreichend schützt.