EU-Kommission will über Saatgutverunreinigung abstimmen
Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz (BN), Prof. Dr. Hubert Weiger, forderte die EU-Kommission daher auf, den Vorschlag zurückzunehmen, wonach Kontaminationen mit gentechnisch veränderten Sorten bis zu 0,3 % nicht gekennzeichnet werden müssen. Ansonsten wäre die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion massiv bedroht. Weiterhin protestiert der BN ganz entschieden gegen die Vorgehensweise der Kommission, die demokratischen Gepflogenheiten widerspricht.
Am 8. September will die EU-Kommission über die seit Jahren heftigst umstrittene Saatgut-Richtlinie beraten und abstimmen. Der neue Vorschlag zum „zufälligen und technisch unvermeidbaren Vorhandensein von gentechnisch veränderten Sorten in konventionellem und biologischem Saatgut“ sieht vor, dass bei Mais und Raps bis zu 0,3 % gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ungekennzeichnet enthalten sein dürfen. Ohne Kenntnis und ohne den Willen der Landwirte könnten so pro Hektar Mais- oder Rapsfläche auf bis zu 30 m² gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen.
Hunderte von Organisationen und Hundertausende von Einzelpersonen aus allen EU-Staaten haben in den vergangenen Jahren gegen die heimliche und unkontrollierte Einführung von GVO in die Umwelt und die Lebensmittelkette, wie sie durch diesen Vorschlag ermöglicht würde, protestiert.
Auch das EU-Parlament und eine Reihe nationaler Parlamente und Regierungen, darunter auch der Bundestag, sprachen sich klar gegen derartige Kontaminationsschwellen aus und verlangten die Kennzeichnung von GVO enthaltendem Saatgut ab der technischen Nachweisgrenze von 0,1 %. Das Beispiel des EU-Mitgliedstaates Österreich zeigt, dass eine Regelung mit einem Schwellenwert von 0,1 % praktikabel ist und die Saatgutreinheit sichern kann. Eine Erhöhung des Schwellenwertes für die Kennzeichnung ist demzufolge keinesfalls erforderlich, sondern dient letztendlich allein der schleichenden Einführung der Gentechnik in die europäische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion.
Hubert Weiger hat sich deshalb mit Eilbriefen an die Kommissionsmitglieder gewandt und sie aufgefordert, den vorhandenen Entwurf zurückzunehmen und nicht zu verabschieden. Es ist weder angemessen noch entspricht es demokratischen Grundprinzipien, wenn die sich verabschiedende Kommission in einer ihrer letzten Sitzungen einen Vorschlag beschließen würde, der nur durch eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat zu verändern wäre. Die Regelung zur Reinheit von Saatgut, die von fundamentaler Bedeutung für den Schutz der Umwelt und der Verbraucher sowie für die Wahlfreiheit ist, darf keinesfalls quasi in der letzten Minute der Amtszeit dieser Kommission verabschiedet werden, um so noch vollendete Tatsachen zu schaffen.
Eine Entscheidung von derartiger Tragweite muss statt dessen im Konsens mit EU-Parlament, dem Ministerrat und der Mehrheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger getroffen werden und darf nicht unter dem offensichtlichen Druck der interessierten Biotech- und Saatgut-Industrie und nicht-europäischer Regierungen fallen. Die geplante Regelung widerspricht außerdem entscheidenden Grundlagen der europäischen Gesetzgebung wie Vorsorgeprinzip, Wahlfreiheit, Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und dem Einsatz nachhaltiger und umweltverträglicher Technologien. Sie würde unweigerlich und unumkehrbar zur schleichenden Kontamination von Umwelt und Nahrungsmitteln durch GVO führen und die gentechnikfreie Produktion in der gesamten EU massiv gefährden. Weiterhin würde das Grundrecht von Verbrauchern und Landwirten auf Wahlfreiheit und sauberes Saatgut mit Füßen getreten.
Für Rückfragen stehen zur Verfügung:
Kurt Schmid
Regionalreferent, Tel. 089/54 82 98 88
Email kurt.schmid@bund-naturschutz.de
Dr. Martha Mertens
Sprecherin BN-Arbeitskreis Gentechnik, Tel. 089/58 07 693
Email: martha.mertens@t-online.de