Gefährdete fliegende Edelsteine
Der Bund Naturschutz als Veranstalter der Tagung fordert im „Internationalen Jahr der Biodiversität 2010“ von der bayerischen Staatsregierung, dass die erheblichen Mittel der bayerischen Wasserwirtschaft (ca. 200 Mio. € / Jahr) endlich für großflächige Auenrenaturierung, Auenverbund und dezentralen Hochwasserschutz eingesetzt werden, anstatt für wenige großtechnische Wasserbaumassnahmen. Mehr Natur in den Flußauen, die als blaue Lebensadern das Rückgrat der Artenvielfalt in Europa bilden, hilft dem Libellenschutz ebenso wie der natürlichen Rückhaltung von Hochwässern.
Schutz und der Ökologie von Libellen stehen im Fokus einer internationalen Tagung von Biologenund Naturschützern von Freitag bis Sonntag (19.-21. März 2010) in Rothenburg ob der Tauber. Mit 170 Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Polen, Ungarn, Italien und Finnland ist es weltweit eine der größten Fachtagungen zu diesem Thema.
Libellen sind die Tiergruppe, bei der in Bayern zuerst landesweite Reaktionen auf den Klimawandel erkannt wurden. Sie sind lebende biologische Frühwarnsysteme: hochmobil, anpassungsfähig und als auffällige Tierarten gut erkennbar. Seit den 1990er Jahren stoßen infolge der Klimaerwärmung verstärkt Libellenarten aus dem Mittelmeerraum bis nach Bayern vor. Bereits auf einer Vorläufertagung im März 1997 in Nürnberg fanden dazu Fachvorträge statt – damals leider noch unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit. Umgekehrt nehmen Libellenarten, die an kühle Bedingungen angepasst sind, wie z. B. die Moorarten Hochmoor-Mosaikjungfer, Nordische Moosjungfer oder Speer-Azurjungfer in Bayern dramatisch ab.
70 verschiedene Libellenarten kommen heute in Bayern vor, davon sind aber nur 16 häufig und weit verbreitet, 41 dagegen sind selten oder gefährdet. Etwa 15 Arten sind wegen der Klimaerwärmung neu oder verstärkt aufgetreten, 15 andere Arten nehmen deshalb ab.
Libellen sind dem aufmerksamen Beobachter am Gewässer als farbenprächtige Flugkünstler - als fliegende Edelsteine - bekannt. Mit glitzernden Schwingen stehen sie in der Luft oder jagen in schnellem Flug über die Wasserfläche nach kleinen Insekten. Auffällig sind die großen Komplexaugen der Libellen, die aus Tausenden von Einzelaugen zusammengesetzt sind; dazwischen sitzen borstenförmige Fühler, die durch Verformung im bis zu 50 Stundenkilometer schnellen Flug als Geschwindigkeitsmesser dienen. Das Sehvermögen der Libellen ist erstaunlich. Innerhalb einer Sekunde können sie 175 voneinander getrennte Bilder wahrnehmen - das ermöglicht sehr schnelle Reaktionen und präzise Flugbewegungen. Durch ihre Fähigkeit, ultraviolette Strahlung wahrzunehmen, können Libellen unter die Wasseroberfläche sehen. Damit erkennen sie die für ihre Eiablage wichtige Unterwasservegetation.
Aus Fossilienfunden weiß man, dass Libellen bereits in der Steinkohlezeit (Karbon) vor rund 250 Millionen Jahren auftraten. Damals existierten für heutige Verhältnisse riesige Arten mit bis zu einem Meter Flügelspannweite. Für den Menschen sind Libellen übrigens völlig harmlos, sie beißen und stechen nicht.
Libellen faszinieren immer mehr Menschen. Veranstalter der Tagung in Rothenburg sind die Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen (lateinisch: Libellen = Odonata) und der Bund Naturschutz als der im Libellenschutz führende Naturschutzverband Bayerns. 26 Vorträge befassen sich mit der Verbreitung, der Gefährdung und dem Schutz der Libellen sowie den komplexen Ansprüchen an ihre Lebensräume.
Detailinformationen zur Tagung und zum Libellenschutz finden Sie unter:
libellula.org/tagungen/tagung_rothenburg.htm
<link fakten artenbiotopschutz libellenprojekt.html>www.bund-naturschutz.de/fakten/artenbiotopschutz/libellenprojekt.html
Für Rückfragen:
BN-Artenschutzreferat, Dr. Kai Frobel
Tel. 0171/6980056, 0911/8187819
kai.frobel@bund-naturschutz.de