Gentech-Pollen - vom Winde verweht, von Bienen verbreitet
Mit einer Luftballonaktion und Bienenständen an Rapsfeldern demonstrieren heute bei Neufahrn (Lkr. Freising) Vertreter des „Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft“ gegen die letzte Woche bekannt gegebene Freisetzung von Gentech-Mais auf 3 staatlichen und 7 privaten Flächen für den sogenannten Erprobungsanbau. Im Bündnis arbeiten rund 25 Verbände aus Naturschutz, Verbraucherschutz, Imkerei und Landwirtschaft sowie kirchliche Organisationen zusammen. An der als „Großversuch“ bezeichneten Anbaukampagne für GVO- Mais beteiligen sich insgesamt sieben Bundesländer. Bayern ist dabei Spitzenreiter und – neben Sachsen-Anhalt – das einzige Bundesland, in dem sich auch landeseigene Betriebe beteiligen. Der Freistaat macht sich damit zum Vorreiter für den kommerziellen Einsatz der Agrogentechnik und degradiert sich zum willfährigen Gehilfen der Saatgutkonzerne. Das Bündnis Bayern bewertet dieses Vorgehen als skandalös. Die Öffentlichkeit wurde von Landwirtschaftsminister Miller erst nach der Aussaat über den GVO- Maisanbau auf Staatsbetrieben informiert. Wie Nachbarbauern der Staatsbetriebe oder Imker vor Kontaminationen geschützt werden sollen, wurde nicht mitgeteilt. Unbekannt sind auch die Flächen im Privatbesitz, auf denen der Gen-Mais angebaut wird.
Durch die dubiose Geheimhaltungspraxis hat das federführende Landwirtschaftsministerium alle Betroffenen vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Freistaat ignoriert damit die klare Ablehnung dieser Risikotechnologie durch die Mehrheit der Verbraucher, Landwirte oder Imker, wie sie beispielsweise durch die Gründung immer mehr „gentechnikfreier Regionen“ in Bayern, Deutschland und Europa zum Ausdruck kommt.
Dies alles findet vor dem Hintergrund statt, dass auf EU- und Bundesebene die zentralen Aspekte zur dauer- und flächenhaften Bewahrung der gentechnikfreien Natur und Landwirtschaft nach wie vor heftigst umstritten und nicht rechtsverbindlich geregelt sind. Das Bündnis hat bereits Mitte März einen alternativen Gesetzentwurf als Petition im Bayerischen Landtag eingebracht. Der Entwurf folgt den Leitlinien der EU zur Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen und berücksichtigt auch die Belange der Imkerei. Die konkreten Vorschriften des Gesetzentwurfs betreffen u. a. Schutzabstände, Informationspflichten und Haftung. Er enthält auch betriebliche Maßnahmen sowie zeitliche Abstände nach einem Anbau von Gentech- Pflanzen und legt grundsätzlich nicht koexistenzfähige Arten (z. B. Raps) fest. Zur Unterstützung der Petition und um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, läuft derzeit eine Unterschriftenaktion (s. Anlage) des Bundes Naturschutz (BN). Das Bündnis hat seinen Widerstand gegen den vorzeitigen Erprobungsanbaus angekündigt. Es wird dazu auch die rechtlichen Möglichkeiten prüfen, damit alle Anbauflächen öffentlich bekannt gemacht werden. Das bisherige Vorgehen steht eindeutig im Widerspruch zur EU-Freisetzungsrichtlinie, die Transparenz und Anbauregister ausdrücklich vorsieht.
Das Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft fordert von der Bayerischen Staatsregierung:
1. Die Aussetzung des Erprobungsanbaus bis gesetzliche Regelungen zu den offenen Fragen zur Koexistenz (gute fachliche Praxis) sowie zur Haftung und Kostenübernahme nach dem Verursacherprinzip getroffen sind.
2. Über den Bundesrat eine entsprechende Initiative zu ergreifen zur Umsetzung der im o. g. Gesetzentwurf formulierten Vorgaben hinsichtlich der dauer- und flächenhaften Sicherung der gentechnikfreien Produktion sowie der Wahlfreiheit.
3. Die aktive staatliche Unterstützung beim Aufbau großflächiger gentechnikfreier Zonen, wie dies mittlerweile in 12 europäischen Regionen erfolgt (z. B. Oberösterreich, Schleswig- Holstein, Toskana, Baskenland, Wales, Limousin).
4. Sich für die Beibehaltung des Moratoriums einzusetzen, d. h. keine Neuzulassungen von genmanipulierten Organismen in der EU, bis die offenen Fragen zur Koexistenz und Haftung europaweit verbindlich geregelt sind.
5. Alle Möglichkeiten zu nutzen, damit gentechnische Verunreinigungen in Saatgut ab der Nachweisgrenze gekennzeichnet werden. Der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission, der Schwellenwerte von 0,3 – 0,5 % vorsieht ist absolut inakzeptabel, da ansonsten eine schleichende, allgemeine gentechnische Verunreinigung unumkehrbar und die proklamierte Wahlfreiheit der Verbraucher und Produzenten reine Makulatur wäre.
Für Rückfragen:
Kurt Schmid
Regionalreferent Bund Naturschutz (BN)
Fachabteilung München
Pettenkoferstr. 10 a / I
80336 München
Tel. 089/54 82 98 88, Fax 089/54 82 98 18, Email: kurt.schmid@bund-naturschutz.de
Dr. Klaus Wiesinger
Geschäftsführer
Landesvereinigung für den ökologischen
Landbau in Bayern e.V. (LVÖ)
Bahnhofstr. 18
85354 Freising
Tel 08161/9171-0, Fax 9171-1, Email: info@lvoe.de
Mitglieder des Bündnisses Bayern für gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft:
Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN); Landesvereinigung für ökologischen Landbau in Bayern (LVÖ); Landesbund für Vogelschutz (LBV); Bioland, Landesverband Bayern; Naturland, Regionalverband Süd-Ost; Demeter Bayern, Biologisch-Dynamische Vereinigung; Biokreis e.V.; Initiative „nahrungs-kette“; Landesverband Bayerischer Imker (LVBI); Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund (DBIB); Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Bayern; Der Krisenstab; Interessengemeinschaft Milchviehhalter Oberbayern (IGM); Arbeitsgemeinschaft noch produzierender Landwirte in Ostbayern (AnpLO); Arbeitsgemeinschaft evangelischer Haushaltsführungskräfte (AEH); Arbeitsgruppe Ökolandbau im Bayerischen Bauernverband (BBV); Interessengemeinschaft Mischfruchtanbau; Kein Patent auf Leben; Tagwerk-Erzeuger-Verbrauchergemeinschaft; Weilheim-Schongauer-Land-Solidargemeinschaft; Ökologischer Ärztebund; Umweltbeauftragter der Diözese Passau; Katholische Landvolkbewegung (KLB) Bayern; Katholische Landjugendbewegung (KLJB) München-Freising; Freisinger Land; Unser Inn-Land e.V.; Förderkreis für Umweltgesundung e.V.; Naturkost Südbayern e.V.