Keine Erwärmung in der Donau
Zum Genehmigungsverfahren zur Erweiterung des Kraftwerks Irsching um eine neue Kraftwerksanlage „Block 5“ (Gas- und Dampfturbinenanlage) der Firma E.ON Kraftwerke GmbH hat der BN am 16.05.2007 eine umfassende Stellungnahme abgegeben:
„Diese Planung widerspricht den aktuellen klimapolitischen Notwendigkeiten der Kraft-Wärme-Kopplung und den dringend nötigen Schutzmaßnahmen für die Donau angesichts zunehmender Temperaturen und Wassermangel durch die Klimaerwärmung.“ fasst Dr. Christine Margraf, Leiterin der Fachabteilung München des BN, die Hauptkritikpunkte zusammen.
Der BN befürchtet durch das Vorhaben und die damit verbundene Erwärmung der Donau erhebliche negative Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt der Donau. Gerade unterhalb der Staustufe Vohburg weist die Donau in diesem auf 42 km frei fließenden Abschnitt noch eine äußerst wertvolle und donautypische Fischfauna mit empfindlichen Arten wie Huchen, Äsche oder Rutte sowie weitere höchst seltene Arten wie die Donaukahnschnecke auf. Sie brauchen relativ kühles sauerstoffreiches fließendes Wasser. Ihr Erhalt ist das Ziel der europäischen Natura 2000-Schutzgebiete an der Donau und der europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Die geplante Wärmeeinleitung würde diese Ziele massiv konterkarieren - und das nur, weil E.ON den eigenen Gewinn maximieren will.
Nach Ansicht des BN ist das Vorhaben daher weder nach bayerischen noch nach europäischem Naturschutz- und Wasserrecht genehmigungsfähig. „Das Verschlechterungsverbot nach Wasserrahmenrichtlinie und nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie muss zwingend beachtet werden.“ fordert der BN. Auch der Schutz des Unesco-Weltnaturerbes „Weltenburger Enge“ darf nicht an der Wasseroberfläche aufhören, schließlich gehören auch die typischen Fischarten zu diesem einmaligen Donauabschnitt.
1. Erwärmung der Donau
Die beantragte Variante 6 mit den jahreszeitlich gestaffelten Auflagen sieht vor:
· Es sollen im Normalbetrieb 411.000.000 m³/ Jahr (= 16,3 m³/s) Kühlwasser entnommen und erwärmt wieder eingeleitet werden.
· Für 400 h/a wird regulär ein 60%-Umleitbetrieb beantragt, ein 100%-Umleitbetrieb ist angeblich auf 5 min beschränkt.
· Die Erwärmung der Donau (Donaumisch-Temperatur !) soll auf maximal 27°C möglich sein, für 7 Tage/ Jahr soll dies überschritten werden können. Das ist höher als der bisherige Extremwert (Stundenmittel) für den Pegel Ingolstadt von 26°C (am 12.08.2003).
· Bei einer Donauwassertemperatur von bis zu 20°C soll eine Aufwärmspanne von 5 K möglich sein.
· Zusätzliche Einschränkungen gelten nur von 15.12.-15.05.
· Die zulässige Kühlwassereinleitungstemperatur soll 30°C, während der Sommermonate aber sogar 33°C an 6 Std./ Tag betragen
2. Natur- und Gewässerschutz
Der zentrale Eingriff ist die Erwärmung der Donau und deren Auswirkung auf die Fauna (Fische, Makrozoobenthos etc.) und Flora:
· Erhebliche Bestandsgefährdung für Fischarten:
Insbesondere die rheophilen und rhithralen Frühjahrslaicher sind auf kühle Temperaturen v.a. während der Wintermonate angewiesen und reagieren empfindlich auf hohe Wassertemperaturen.
Eine Temperaturerhöhung bzw. starke Temperaturschwankungen um die kritische 8°C-Schwelle im Herbst (lt. Antrag bis zu 5 K Differenz möglich) können zu einer verspäteten Winterruhe bzw. vermehrten Unruhe im Winter und damit zur einer physiologischen Schwächung der Fische führen.
Bereits bei Temperaturen knapp unter 25°C (z.B. Rutte) und erst recht bei 27°C befinden sich viele Fischarten wie Äsche oder Huchen im Gefahren- bzw. Risikobereich. Diese Temperaturen stellen auf jeden Fall suboptimale Lebensbedingungen dar und sind erhebliche Verschlechterungen.
Die Temperaturerhöhungen von mehr als 2 K und maximal 5 K sind ab Juli (bis Dezember) erheblich negativ hinsichtlich der Gonadenentwicklung (beschleunigte Gonadenreifung, Vorverlegung von Laichterminen bei Frühjahrslaichern).
Die Berechnungen basieren zudem auf dem Normalbetrieb und als worst case wird die Aufwärmung um 5 K betrachtet. Dies entspricht jedoch nicht den im Extremfall möglichen Beeinträchtigungen in „Notfällen“ bzw. „während außergewöhnlicher Situationen“ wie Unfällen in Zeiten extremer sommerlicher Witterungs- und/ oder Niedrigwasserlagen (wie sie vermutlich im Zuge der Klimaerwärmung zunehmen werden). Unter diesen Bedingungen kann durch hohe Sauerstoffzehrung ein plötzliches Massenfischsterben ausgelöst werden, das durch keine Ausgleichsmaßnahme und keine Normalbetrieb-Auflage vermieden werden kann.
· Erhebliche Gefahr der weiteren Unterbrechung der (sowieso nicht optimalen) Durchgängigkeit der Staustufe Vohburg über die Paar und damit der Kohärenz des FFH-Gebietes.
· Erhebliche Gefahr der (weiteren) Ausbreitung von thermophilen und wärmetoleranten aquatischen Neozoen.
· Erhebliche Gefährdung und Artverschiebungen bei den wirbellosen Kleintieren (Makrozoobenthos, Mollusken) durch hohe winterliche Temperaturen und Störung der winterlichen Ruhepause. Insbesondere im Raum der Weltenburger Enge ist eine naturschutzfachlich besonders wertvolle Molluskenfauna, z.B. mit dem Vorkommen der Donaukahnschnecke, betroffen.
· Erhebliche Art- bzw. Dominanzverschiebungen bei den Pflanzen, Rückgang konkurrenzschwächerer Arten. Veränderungen auch bei den Algen, durch Ausbleiben winterlicher Abkühlung erhebliche Beeinträchtigung beim Phytobenthos, keine Beurteilung bei den Diatomeen möglich.
· Mögliche negative Auswirkungen auf den Lebensraumtyp 91E0* (Weichholzaue) und 91F0 (Hartholzaue) sowie FFH-Arten der Aue und lebensraumtypische Arten dieser Lebensraumtypen (z.B. Amphibien) im Falle von Überflutungen mit erwärmtem Wasser (Reduzierter Sauerstoffgehalt im Überflutungswasser und damit z.B. auch in Überflutungstümpeln).
· Verschlechterung des Saprobienindex unterhalb der Staustufe, d.h. Verschlechterung der Gewässergüte.
· Erhebliche Verschlechterung des Selbstreinigungsvermögens des Flusses.
Diese negativen Auswirkungen können auch durch die in der Planung vorgeschlagenen sogenannten Ausgleichsmaßnahmen weder verhindert noch tatsächlich ausgeglichen werden.
2. Energetische Bewertung
Der Neubau des Gas- und Dampfturbinenanlage ohne Kraft-Wärme-Kopplung ist eine riesige Energieverschwendung. Trotz des vergleichsweise hohen elektrischen Wirkungsgrades werden große Mengen ungenutzter Abwärme in die Donau entlassen. Die ungenutzten Wärmemengen des geplanten Gas-Kraftwerks Irsching, die die Donau im Sommer auf unerträgliche Temperaturen bringen werden, werden von E.ON mit Abwärmemengen zwischen 578 und 900 MW benannt. Setzt man nur die niedrigere der beiden Leistungen mit den bei der Abwassermenge genutzten Volllaststundenzahl von 7000 h/a in Beziehung, so ergeben sich mehr als 4 TWh, die als Heizenergie für 580.000 Wohnungen a 100 qm, also für mehr als eine Million Bewohner ausreicht.
„Ein derart Energie verschwendendes Kraftwerk sollte am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts auf keinen Fall errichtet werden, selbst wenn es dem Ersatz noch schlechterer Kraftwerke dienen sollte.“ kritisiert Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent des BN. „Es passt nicht zu den gegenwärtigen und zukünftigen Klimaschutz-Randbedingungen.“
Und selbst wenn die Wärme genutzt werden sollte: am Standort Irsching fehlen einfach die nötigen Wärmeabnehmer. Die Alternative bestünde also in Dutzenden KWK-Anlagen an geeigneten Standorten.
Für Rückfragen:
Dr. Christine Margraf, Fachabteilung München des BN (Tel.: 089/54829889, www.bund-naturschutz.de, christine.margraf@bund-naturschutz.de)
Dr. Ludwig Trautmann-Popp, Energiereferent des BN (Tel.: 0951/5190609, energie@bund-naturschutz.de)
Uli Radons, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Pfaffenhofen/ Ilm (Tel.: 08441/71880, bund-naturschutz@pfaffenhofen.de)
Anlage: Ausführliche Stellungnahme des BN zum download