Kleinwasserkraftwerke in Mittelfranken
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurden in den letzten zwei Jahren unter Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) mindestens 13 Kleinwasserkraftanlagen in Mittelfranken ausgebaut, auch die Wolfsgrubermühle in Fürth, wo nebenbei auch noch eine Stauerhöhung bewilligt wurde und dem Betreiber in Zukunft beträchtliche Mehrerlöse gesichert, obwohl das Restwasser im Umleitungsgerinne zu gering ist.
Was unter dem Gesichtspunkt Klimaschutz und Energiewende zunächst wünschenswert erscheint - Stromerzeugung aus der regenerativen Energiequelle Wasserkraft - entpuppt sich bei näherer Betrachtung oft als gravierende Schädigung des Ökosystems Fließgewässer.
Bei keinem der Genehmigungsverfahren wurde der Bund Naturschutz beteiligt, obwohl Naturschutzbelange unmittelbar betroffen sind: Die zur Wasserkraftnutzung notwendigen Aufstauungen zerstören Fließgewässer- und Auelebensräume, in den Turbinen kommen täglich Tiere (z. B. die Rote-Liste-Arten Bachneunauge Aal, Äsche, Nase, Rutte) zu Tode, die Wehre unterbrechen die Gewässerdurchgängigkeit und den Feststofftransport. Das Umweltbundesamt hat bereits mehrfach auf die schädliche Bilanz kleiner Wasserkraftwerke hingewiesen und sich gegen den Ausbau kleiner Wasserkraftwerke ausgesprochen (UBA-Texte 13/98 und 01/01).
Aktuell will die Bundesregierung sogar die Förderung der "kleinen" Wasserkraft ausweiten und hat dafür einen Entwurf für ein EEG 2008 vorgelegt. Die zusätzliche Förderung lehnt der Bund Naturschutz ab und fordert Mindeststandards für den Schutz der Gewässer.
Im Rahmen einer Pressefahrt zu aktuell ausgebauten Mühlen an der Pegnitz in Fürth und der Rednitz in Nürnberg verdeutlichte der Bund Naturschutz das Problem.
"Wir haben es hier mit ähnlichen Dimensionen zu tun wie bei der Palmöldebatte, wo Regenwälder abgeholzt werden, damit die erste Welt weiter ungehemmt Auto fahren kann oder wie bei der Biomassedebatte, wo wir im ländlichen Raum exzessiven Maisanbau für Biogasanlagen bekommen, die oft nicht mal dem Klimaschutz dienen", so Renate Schwäricke, Umweltwissenschaftlerin und Mitglied des BN-Landesarbeitskreises Wasser.
„Beim Ausbau der letzten Kilometer Fließgewässer zur Stromerzeugung geht es vordergründig um Energieerzeugung, in Wirklichkeit aber meist um die Zementierung der Energieverschwendung“, so Sebastian Schönauer, Stellv. Landesvorsitzender und Sprecher des BUND-Arbeitskreises Wasser.
"Während sich der Bezirk Mittelfranken mit seiner Fischereifachberatung seit Jahren für die Verbesserung der Durchgängigkeit von Fließgewässern einsetzt, wird mit Fördermitteln an anderer Stelle dagegen gearbeitet. Das muss abgestellt werden", meint dazu Frau Renate Schwäricke.
Fakt ist, dass sich zwei Umweltziele diametral gegenüberstehen und die Lösung dieses „Konfliktes“ weder im EEG 2004 noch im Entwurf 2008 angestrebt wurde. Letztlich widerspricht dies den aus Art. 20 a GG resultierenden Verfassungsgrundsätzen. Die bisherigen Bemühungen zum Schutz von Fließgewässern und Auen seitens der Bundesregierung, der Landesregierungen und der Naturschutzverbände würden konterkariert.
Der Bund Naturschutz in Bayern fordert daher von der Bundesregierung, folgende Punkte in die Novellierung des EEG aufzunehmen:
1. Kraftwerksbetreiber müssen nachhaltige ökologische Verbesserung durchführen und deren Funktionsfähigkeit regelmäßig nachweisen, damit sie nach EEG vergütet werden können. Werden die Verbesserungsmaßnahmen nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder erhalten, wird keine Vergütung nach EEG erstattet.
2. Der Vergütungssatz für die kleine Wasserkraft (P < 0,5 MW) ist nicht zu erhöhen, sondern zu reduzieren.
3. Die letzten unverbauten Strecken sind für den Naturhaushalt, die Landeskultur und die Biodiversität unverzichtbar. Daher sind unter Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlgesichtspunkten neue Wasserkraftanlagen nicht akzeptabel.
7.300 Kleinwasserkraftanlagen in Deutschland
Es gibt bereits über 7.300 Kleinwasserkraftanlagen in Deutschland. Sie leisten jedoch nur 0,05e% der gesamten Stromerzeugung.
Beispiele in Mittelfranken
Neben der Wolfsgrubermühle in Fürth wurden z.B. eine Mühle an der Pegnitz bei Enzendorf, die Förstermühle an der Rednitz in Fürth, eine Kleinwasserkraftanlage an der Schwarzach bei Neuses oder die Dachsbacher Mühle an der Aisch ausgebaut, obwohl die Restwassermenge für die Fische nicht ausreichend bemessen wurde.
Im aktuellen Antragsverfahren befindet sich zurzeit eine Kraftwerksanlage in Nürnberg (Flussstraße), bei der vom Betreiber überhaupt kein Umgehungsgerinne für Fische vorgesehen ist.
Ein positives Beispiel für die vom EEG vorgesehene wesentliche ökologische Verbesserung stellt ein Umgehungsgerinne an der Kunstmühle Sommer an der Rednitz bei Nürnberg-Katzwang dar.
Ausweitung geplant
Im Erfahrungsbericht des BMU (2007) über die bisherigen Auswirkungen des EEG wird erläutert, dass die Energieumwandlung in sämtlichen Bereichen der erneuerbaren Energieträger in den letzten Jahren zugenommen habe. Lediglich die Zuwächse in der Wasserkraftnutzung seien „hinter den Erwartungen zurückgeblieben“. Deshalb wird eine deutliche Erhöhung des Vergütungssatzes für Kleinwasserkraftwerke auf 12,67 Ct/kWh empfohlen. Das entspräche einer Zunahme der Vergütung um 65 % binnen vier Jahren.
Die geringen Zuwächse der Wasserkraftnutzung sind jedoch nicht durch eine zu geringe Förderung im Rahmen des EEG bedingt, sondern durch die gegebene Topographie Deutschlands und den bereits vorhandenen Erschließungsgrad der Wasserkraft (> 90 %). Die Wasserkraft kann in Deutschland nicht mehr derart wachsen wie andere regenerative Energiebranchen, auch wenn man sie mit Unsummen subventionieren würde.
Eine Förderung, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, würde dazu animieren, neue Kleinkraftwerke an den letzten wasserkraftfreien und naturnahen Gewässerstrecken Deutschlands zu bauen.Die Pflanzen und Tiere an diesen Strecken wären dadurch stark bedroht. Das für die Wasserkraftnutzung notwendige Wasser fehlt in diesen Fällen an anderer Stelle und kann nicht für ökologische Belange beispielsweise für die Wiederherstellung der biologischen Durchgängigkeit unserer Fließgewässer verwendet werden, die im Übrigen eines der vorrangigen Ziele Europäischen Wasserrahmenrichtlinie darstellt.
Auch nach dem 31.12. 2007 lassen sich trotz der Einschränkungen im EEG neue Wasserkraftanlagen mit Aufstauungen nicht ausschließen, denn neue Wehranlagen könnten mit „anderen Zwecken als Wasserkraft“ begründet werden. Würden neue Wasserkraftwerke an bereits bestehenden Wehranlagen gebaut, würden dort zwar keine neuen Aufstauungen entstehen, abwärts wandernde Fische würden jedoch in den Turbinen getötet. Die Folgen einer derartigen Förderung würden mit anderen gesetzlichen Vorgaben kollidieren, z.B. mit der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie.
Eine Förderung der kleinen Wasserkraft ist nicht im Sinne des EEG, denn dadurch werden kostbare Mittel uneffektiv verbraucht. Die Mittel könnten in anderen Bereichen erneuerbarer Energieträger weit effizienter genutzt werden und den Anteil erneuerbarer Energien tatsächlich erhöhen. Die kleine Wasserkraft spielt bei den zukünftigen Szenarien des BMU zur CO2-armen Energieversorgung zu Recht eine völlig untergeordnete Rolle. Ihr Beitrag ist so gering, dass er in den Berechnungen nicht einmal erkennbar ist. Diese Sparte nun so massiv zu fördern, ist weder sinnvoll noch zielführend.
Dass eine Vergütung nach EEG eine „Verbesserung des ökologischen Zustands“ erfordert, gewährleistet unter den momentan gültigen Regelungen noch lange keine naturverträgliche Wasserkraftnutzung. Der Bau einer Fischwanderhilfe gilt zum Beispiel bereits als eine „ökologische Verbesserung“ und ermöglicht die besondere Vergütung, während andere schädliche Auswirkungen weiter bestehen (z. B. Stauwirkung, Tötung von Fischen).
Der Bund Naturschutz, der Landesbund für Vogelschutz und der Landesfischereiverband Bayern e.V. haben bereits Ende 2007 in einem Schreiben an die Bundeskanzlerin Merkel auf die Notwendigkeit einer Novelle hingewiesen, weil die geplante zusätzliche Förderung der „kleinen Wasserkraft“ dem eigentlichen Ziel des EEG entgegenläuft. Sie dient lediglich der Einkommenserhöhung einiger Kraftwerksbesitzer und nicht der effektiven Erhöhung des Anteils regenerativer Energien, weil vor allem leistungsschwache Kleinkraftwerke finanziell gefördert werden sollen. Diese zerstören überproportional stark Gewässerlebensräume, während sie selbst bei einem deutlichen Wachstum nicht merklich zur Energieversorgung Deutschlands beitragen würden.