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Kunstschnee verpulvert Steuergelder statt den Tourismus in den Alpen zu retten. BN fordert Vorrang für Alpen- und Klimaschutz

Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) zieht Bilanz über die Entwicklung im Wintersport 2008:

20.03.2009

Der Widerspruch zwischen den dramatischen Appellen der Klimaforscher zum Ausmaß der Klimaerwärmung und den Entwicklungen im Wintersport wird immer größer. „Je größer die Herausforderung, desto sturer rennen die Seilbahnbetreiber in eine Sackgasse.“ kritisiert Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN die massive Zunahme der künstlichen Beschneiung in den bayerischen Alpen um 80 ha im Jahr 2008, z.B. in Garmisch, am Jenner, am Fellhorn oder am Brauneck „Wer glaubt mit Schneekanonen und neuen Speicherteichen gut gerüstet zu sein, ignoriert Fakten der Klimaforscher und die Dringlichkeit einer umweltverträglichen Entwicklung gerade im Alpenraum.“ ergänzte Axel Doering, Sprecher des BN AK Alpen. Er kritisierte insbesondere die Ausbaumaßnahmen an der „Kandahar“ in Garmisch-Partenkirchen für die Ski-WM 2011 und die Planungen für die Olympia-Bewerbung „M+2“ 2018.

Die Folgen dieser Fehlentwicklungen zahlt zudem schon jetzt der Steuerzahler. Daher ist es nach Ansicht des BN umso unverständlicher, dass die bayerische Staatsregierung nun auch noch ein neues Förderprogramm für Seilbahnen und Beschneiungsanlagen verabschiedet hat: „Das ist ein klarer Rückschritt in einer zukunftsfähigen Alpenpolitik und eine Missachtung der Ziele und Vorgaben der Alpenkonvention.“ so Weiger. „Wir fordern den Bayerischen Landtag dringend auf, diese für die Umwelt fatale Entwicklung zu korrigieren und stattdessen ein Gesamtkonzept für eine klima- und alpenkonventionsverträgliche Entwicklung des bayerischen Tourismus zu erstellen“. Zudem fordert der BN auch Bundesumweltminister Gabriel auf, sich für die Einhaltung der Alpenkonvention einzusetzen und die geplante „Lift-Offensive“ zu stoppen.

Der BN fordert „unbedingten Vorrang für den Alpen- und Klimaschutz. Was wir heute versäumen können wir morgen nicht mehr nachholen“

1. Aktuelle Entwicklung: Torschlusspanik vor Klimaerwärmung?

2008 wurde in den bayerischen Skigebieten so stark wie noch nie in Schneekanonen, neue Bahnen und Lifte und größere Abfahrten investiert. Mehr als 80 ha neue Beschneiungsfläche kamen hinzu. Der Trend geht dabei zur Vollbeschneiung ganzer Abfahrten vom Tal bis in die Hochlagen – in möglichst kurzer Zeit. Zur Erinnerung: noch vor wenigen Jahren war die künstliche Beschneiung nur punktuell zulässig, die Warnung des BN vor Vollbeschneiung wurde als unbegründet abgetan. Ebenfalls ein klarer Trend ist die Errichtung von Speicherteichen. Zudem wird mittlerweile auch Kunstschnee auf Langlaufloipen verwendet, wie in Oberammergau auf den Loipen ins Graswangtal oder auf den Loipen in Kaltenbrunn.

Der BN kritisiert neben der damit verbundenen Naturzerstörung vor allem die zunehmende Widersprüchlichkeit zwischen nötigem Klimaschutz und den Auswirkungen der Klimaerwärmung einerseits und den Ausbauten von Skigebieten und künstlicher Beschneiung andererseits.

In den bayerischen Alpen werden nun bereits knapp 510 ha Pistenfläche beschneit (Daten aus Abfragen des BN bei den Landratsämtern und LfU, 2009).

Diagramme zur Entwicklung der beschneiten Flächen in den Alpen bzw. der Anzahl der Beschneiungsanlagen siehe download-Datei.

Schwerpunkte der Investitionen in den oberbayerischen Alpen waren 2008 der Jenner (Lkr. Berchtesgadener Land), die Skigebiete Garmisch-Partenkirchens, das Brauneck (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen) und das Fellhorn (Landkreis
Oberallgäu). Flächenmäßiger Spitzenreiter der künstlichen Beschneiung ist nach wie vor der Landkreis Oberallgäu mit 187 ha.

Das Beispiel: „Sanierung“ des Skigebietes Garmisch-Partenkirchens für die Ski-WM 2011 zeigt, wie es aussieht, wenn der Berg für den Skisport „fit“ gemacht wird:

Fotos siehe download-Datei.

Diese Eingriffe würden noch erheblich gesteigert, wenn München mit seiner
Olympia-Bewerbung für 2018 erfolgreich wäre.

Sehr kritisch verfolgt der BN zudem die aktuelle Planung des Baus einer Seilbahn zur Winklmoosalm (Lkr. Traunstein), da dadurch die Planung der Skischaukel Heutal deutlich realer würde. Das Genehmigungsverfahren wird vermutlich in kürze abgeschlossen.

Auch die Planung der Erweiterung der Beschneiungsanlage Ofterschwang/ Gunzesried (Gipfellift, Märchenwiese, Geißrückenalpe) lehnt der BN strikt ab. Für die Wasserversorgung wäre ein neuer Speicherteich nötig. das Genehmigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Dagegen bleiben positive Entwicklungen noch Einzelfälle: an den Kammeregg Liften am Grünten wurden die Schneekanonen abgebaut und verkauft, das Skigebiet ist pleite gegangen. Die neuen Betreiber aus dem Dorf werben nun bewusst mit „Skifahren auf Naturschnee“.

2. Seilbahn-Offensive

Vor kurzem hat die Bayerische Staatsregierung eine „Seilbahn-Offensive“ beschlossen. Die Skigebiete Bayerns sollen mit moderneren Liften, Bahnen und Vollbeschneiung auf Kosten des Steuerzahlers „fit“ gemacht werden – man fragt sich nur wofür. Hat nicht der Skitourismus angesichts der Klimaerwärmung in den relativ niedrigen bayerischen Alpen nur in wenigen Gebieten noch Chancen? Wären die Tourismusorte nicht besser beraten - und vom Steuerzahler finanziell unterstützt -, klima- und naturverträgliche Konzepte zu verwirklichen? Und: warum können die Betreiber nicht selbst investieren? Lohnen sich etwa die immer teurer werdenden Anlagen ohne Zuschüsse nicht mehr?

Das von der Staatsregierung geplante Millionen-Programm für Bergbahnen und Schneekanonen würde nach Ansicht des BN zu gravierenden Umwelt-Schäden führen. Was eine „Seilbahn-Offensive“ nämlich real in den Alpen bedeuten würde, lässt sich derzeit auf erschreckende Weise an der „neuen Kandahar“ in Garmisch-Partenkirchen besichtigen, die für die Ski-WM 2011 mit größeren Bahnen, mehr Schneekanonen und Speicherteichen, aber weniger Bergwald und Verlust von Hangstabilität „fit“ gemacht wurde.

In der Realität heißt Sanierung alter Anlagen also vor allem Bergwald-Rodung, Bau von künstlichen Speicherteichen, Eingriffe auch in erosionsanfällige Hänge und Kapazitätserhöhung mit allen weiteren negativen Folgen. Dabei wird sowohl gegen den „Bergwald-Beschluss“ des bayerischen Landtags als auch gegen klare Vorgaben der im ganzen Alpenraum geltenden Alpenkonvention verstoßen.

Zudem kritisiert der BN, dass den bayerischen Tourismus-Orten im Alpenraum angesichts der Klimaerwärmung mit der Seilbahn- und Kunstschnee-Offensive nicht gedient ist: „Die Gemeinden brauchen Unterstützung bei einer Entwicklung von Schnee-unabhängigen naturverträglichen Tourismusangeboten, anstatt die Millionen der Steuerzahler im wahrsten Sinn des Wortes mit Kunstschnee zu verpulvern.“ Mit steigenden Temperaturen hat der bayerische Alpenraum gerade in Konkurrenz zu den Nachbarländern mit viel höheren Bergen nur eine Chance, wenn hier auf ein breites Spektrum attraktiver schneeunabhängiger Angebote gesetzt wird und natur- und kulturlandschaftliche Besonderheiten als Alleinstellungsmerkmale besonders herausgestellt werden.

Für Rückfragen:

Dr. Christine Margraf, Artenschutzreferentin Südbayern, 089/548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de, www.bund-naturschutz.de

http://www.bund-naturschutz.de/Axel Doering, Sprecher des BN AK Alpen, 08821/3117, axel@doering.nl