Mega-Kohlekraftwerk Staudinger - energiepolitischer Irrweg! Viele Probleme noch nicht erkannt.
Aschaffenburg: Der geplante Neubau des weltgrößten Steinkohle-Kraftwerksblocks ist nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes unverantwortbar, es tauchen am Horizont auch Probleme auf, die dieses Vorhaben aus anderen Gründen als äußerst bedenklich erscheinen lassen.
Fossile Kraftwerke – Klimasünder Nr. 1
Nach den neuesten Daten des Bundeswirtschaftsministeriums stellen die fossilen Kraftwerke die mit Abstand größte Klimabelastung dar: Aus ihren Kaminen kommt 44% des deutschen Kohlendioxids, 350 Mio. Tonnen. Das ist weit mehr als die nächstgroßen Sektoren zusammen emittieren: Verkehr und Haushalte. Entgegen dem Trend in anderen Bereichen ist der Kohlendioxidausstoß der Kraftwerke seit 1999 um 8% gestiegen.
Das geplante Kraftwerk Staudinger 6 wird aufgrund der schlechten Brennstoffnutzung den Klimawandel weiter anheizen. Denn es wandelt nur 45% der eingesetzten Kohle in Strom um, der große Rest wird als Abwärme über Kühltürme oder den Main verschwendet. Damit könnten übers Jahr weit über 1 Mio. Wohnungen beheizt werden, mehr als in der Stadt München.
Alle deutschen Stromkonzerne zusammen geben an ungenutzter Abwärme aus ihren Großkraftwerken mehr Energie ab, als alle deutschen Haushalte, Büros und Fabriken zur Raumheizung bräuchten. Diese gigantische Energieverschwendung darf im Klimaschutzjahrhundert nicht durch den Bau unsinniger Kohlekraftwerke fortgeschrieben werden. Nicht zuletzt sind auch die langen Transportwege der Importkohle nicht die richtige Antwort auf die Energie- und Klimaprobleme unseres Planeten.
Staudinger 6 überflüssig - Investition unverantwortlich
Der Stromverbrauch in Deutschland ist leicht rückläufig. Allein im Jahr 2007 lag der Zuwachs des Stroms aus Erneuerbaren Energien mit 13,7 Mrd. kWh etwa doppelt so hoch wie der geplante Stromausstoß von Staudinger 6. Der Zuwachs bei Wind, Sonne etc. hat somit schon in einem Jahr zwei Kraftwerke der Größe Staudinger 6 überflüssig gemacht.
Staudinger 6 wird vollends zur Fehlinvestition, wenn man die Vorgaben berücksichtigt, die das Bundeskabinett in Meseberg im August letzten Jahres für die zukünftige Stromversorgung machte:
- Die gekoppelte Produktion von Strom und Wärme soll so ausgebaut werden, dass allein der Stromanteil auf 25 Prozent verdoppelt wird.
- Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromproduktion soll bis 2020 auf 25 bis 30 Prozent angehoben werden.
- Für Elektrogeräte sollen ehrgeizige Standards festgelegt werden, um den Stromverbrauch drastisch zu senken.
Der von der Bundesregierung geforderte Ausbau der Kraftwärmekopplung bedeutet ein Kraftwerksvolumen von mindestens 15.000 MW. In den nächsten Jahren besteht also gar kein Bedarf an fossilen Kraftwerken ohne Kraftwärmekopplung (KWK).
Aber die Fehlentwicklung im Kraftwerksbereich ist nicht erst seit 2007 absehbar, sondern schon 10 Jahre länger: „Ein Ausbau der großen Kohlekraftwerke dürfte gerade die angebotsorientierten Strukturen unserer Energiewirtschaft stabilisieren, die ein Haupthemmnis für die zur Erreichung des Klimaschutzziels unabdingbare Effizienzverbesserung darstellen.“ So hieß es aus dem Hause der Umweltministerin Angela Merkel schon 1997.
Wie die Jahresberichte der Energiewirtschaft seither belegen, trifft diese Einschätzung ins Schwarze.
Staudinger 6 macht Klimaschutzpolitik unmöglich, um Jahrzehnte über das Jahr 2020 hinaus. Staudinger 6 wäre auch im Jahr 2050 noch in Betrieb. Für dieses Jahr hat der UN-Klimarat (Friedensnobelpreisträger 2007) eine Senkung des CO2-Ausstoßes der Industrieländer um 80% gefordert. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn die Stromkonzerne weiterhin fossile Kraftwerke ohne KWK bauen.
Neue Probleme am Horizont
Es ist damit zu rechnen, dass die Zertifikate für den CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren teurer werden. Das wird für Kraftwerksbetreiber ein Anreiz sein, sich nach anderen Brennstoffen als Kohle umzusehen. Bereits seit einigen Jahren werden im Block 5 des Großkraftwerks am Untermain neben Steinkohle auch Ersatzbrennstoffe wie teilentwässerter Klärschlamm mitverbrannt.
Der Abfall-Experte des BUND, Dr. Hartmut Hoffmann, bezeichnete bei einem Treffen des BN-Landesarbeitskreises Abfall in Aschaffenburg die kümmerliche Energieausbeute bei der Verbrennung von kommunalen Klärschlämmen als Anachronismus. Von einer „thermischen Verwertung“ könne bei einer derart defizitären Energiebilanz nicht mehr gesprochen werden.
Die meisten Klärschlämme in Deutschland sind außerdem inzwischen nur noch gering mit Schadstoffen belastet, so dass eine Verwertung in Landschaftsbau und Landwirtschaft in den meisten Fällen vertretbar sei. Schadstoffbelastete Klärschlämme dürften aber keineswegs in Kohlekraftwerken eingesetzt werden, da deren Rauchgasreinigung auf diese Schadstoffbelastung nicht ausgelegt und außerdem die Verwertung der Schlacke aus dem Kraftwerk auf Grund der Schadstoffe gefährdet sei.
Eine zeitgemäße Verwertung von nicht als Düngemittel tauglichen Schlämmen sehen die Experten des BN beispielsweise im Verfahren der Fermentierung in speziellen Biogasanlagen. Solche Anlagen gibt es bereits, z. B. im Industriepark Höchst. In dieser Form der Verwertung von Schlämmen im Zusammenspiel mit landwirtschaftlichen Biogasanlagen sehen die Umweltschützer ein ebenso großes Energiepotential wie in der Nutzung von Sonnen- und Windenergie. Außerdem bliebe die Wertschöpfung in der Region. Es ist an der Zeit, dass die E.on ihren „falschen und verbissenen Widerstand“ gegen kommunale Energieversorger und die Betreiber von Biogas-, Windkraft- und Solaranlagen aufgibt und statt dessen die Energieversorgung in Kooperation mit Kleinerzeugern organisiert.
Ein weiteres Problem könnte sich in den kommenden Jahren durch die Verfeuerung von Ersatzbrennstoffen aus gewerblichen Abfällen ergeben. Dabei werden Abfälle, die nicht einem Recycling zugeführt werden, nach einer Konfektionierung zu Ersatzbrennstoff - häufig auch als Sekundärbrennstoff bezeichnet - in Verbrennungsanlagen zur Stromerzeugung verfeuert.
Ein Problem dabei ist eine für diese Schadstoffbelastung unzureichende Rauchgasreinigung in Kohlekraftwerken, die niedrigere Anforderungen zu erfüllen haben als Abfallverbrennungsanlagen. Tatsache ist aber auch, dass bei der Verbrennung von Abfallstoffen, also auch von Ersatzbrennstoffen, lediglich ein Teil des Heizwerts ausgenutzt wird. Die Energie zur Produktion der Stoffe, die zu Abfall geworden sind, geht bei der Verbrennung zu 100% verloren. Auch dies stellt eine Energieverschwendung dar, die sich kein europäisches Land in Zukunft mehr leisten kann.
Der Bund Naturschutz befürchtet, dass nach Verteuerung der Zertifikate für den CO2-Ausstoß, der in den nächsten Jahren zu erwarten ist, auch im Block Staudinger 6 andere Brennstoffe als Kohle zum Einsatz kommen könnten. Eine Änderungsgenehmigung zu erhalten, ist nicht besonders schwierig.
gez. Gerhard Radl, 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Aschaffenburg
gez. Gernot Hartwig, Sprecher des BN-Landesarbeitskreises Abfall