Moderne Planung für ein zukunftsfähiges Bayern auf dem Abstellgleis?
Das Landesentwicklungsprogramm (LEP), eigentlich wichtigstes, mittelfristiges Steuerungsinstrument der bayerischen Politik wird erstmals von Wirtschaftsminister Erwin Huber nach Beschluss durch die Staatsregierung dem Landtag vorgelegt. Nach der Staatkanzleivorgabe der "Straffung und Deregulierung" sollen damit unter anderem die "Spielräume der kommunalen Planungshoheit" und die "kommunale Eigenverantwortung für das Siedlungswesen" ausgebaut werden. Angesichts des dramatisch hohen Flächenverbrauchs in Bayern, eines gnadenlosen kommunalen "Wettkampfes" um neue Gewerbe- und Siedlungsflächen oder der Erfordernisse des vorsorgenden Klima- und Hochwasserschutzes wäre stattdessen eine bessere überregionale Abstimmung und Lenkung durch das LEP dringend erforderlich.
"Das Landesentwicklungsprogramm setzt auf völlig überholte Wachstumsrezepte, auf neue Autobahnen, Flugplätze und den Transrapid zu Lasten des Klimaschutzes sowie auf neue Großmärkte auf der "grünen Wiese" zum Schaden für eine geordnete Siedlungsentwicklung und die Arbeitsplätze im Mittelstand" so Prof. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des Bundes Naturschutz. An die Abgeordneten des bayerischen Landtages appelliert der Bund Naturschutz daher, die Landesplanung nicht völlig zu kastrieren und das LEP noch zu ändern.
Trotz gegenteiliger Zielaussagen der Staatsregierung ist Bayern mit einem täglichen Verlust von über 21 Fußballfeldern (15,2 Hektar = 152.000 Quadratmeter; aktuelle Statistik 12/2005) nach wie vor trauriger Spitzenreiter unter den Bundesländern beim Flächenverbrauch. Dabei wird meist landwirtschaftlich genutzter Boden in Siedlungs- und Verkehrsflächen umgewandelt. Pro Jahr summiert sich der bayerische Landschaftsverbrauch auf die Fläche der Stadt Nürnberg. Die Zulassung von Supermärkten und Großeinkaufszentren auf der grünen Wiese hat bereits heute zu einer enormen Ausweitung des KFZ-gestützten Einkaufsverkehrs geführt und den Flächenverbrauch durch die Flächen verbrauchende Flachbauweise der Märkte, ihrer Parkplätze und die damit verbundenen Verkehrsflächen maximiert. Der Eingangsbereich vieler Städte und Gemeinden wird vielerorts durch die einförmigen Einkaufszentren mit ihren überdimensionierten Parkplätzen nach amerikanischem Vorbild "verschandelt". Die bisherige landesplanerische Steuerung hat die Verschlechterung der Nahversorgung in Städten und am Land nicht ausreichend verhindert.
Aufgrund einer völlig kurzsichtigen Argumentation von Vertretern des Landkreistages und Landtagsabgeordneten aus dem "ländlichen Raum" sollen die ohnehin schon durch eine "lex factory outlet center Ingolstadt" gelockerten Vorschriften für neue Einzelhandelgroßprojekte nun nahezu wirkungslos gemacht werden. Als neues Ziel 1.2.1.2 des LEP im Bereich "Handel" sollen Einzelhandelsgroßprojekte, wenn sie "ganz überwiegend dem Verkauf von Waren des Kurzfristigen, täglichen Bedarfs dienen" auch in nicht zentralen Orten im ländlichen Raum genehmigt werden. Ebenso neu eingefügt wurde ein Ziel im gleichen Kapitel, wonach "zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der grenznahen Gebiete ". das Zielabweichungsverfahren bei der Zulassung von Einzelhandelsgroßprojekten unter Berücksichtigung der Praxis in den Nachbarstatten flexibel gehandhabt werden" soll. Der Bund Naturschutz appelliert an die Abgeordneten, diesen Offenbarungseid der Landesplanung noch zu verhindern.
Der BN spricht sich stattdessen für Regelungen aus, die sowohl im ländlichen Raum als auch innerhalb der Verdichtungsräume dezentrale, gemeinde- und stadtteilbezogen integrierte Handelsstandorte bewirken und Auto- und LKW-Verkehr erzeugende Großeinheiten vermeiden. Angesichts der betroffenen Allgemeinwohlbelange ist die Landesplanung gefordert, hier steuernd einzugreifen. Statt weiterer Planung auf Zuruf von Investoren muss die Raumplanung wieder gestärkt werden. Hier ist dringender Handlungsbedarf geboten, sowohl planungsrechtlich als auch mit dem Instrument der Förderpolitik (z.B. Städtebauförderung).
Insgesamt wird aufgrund der Nebeneinanderstellung unvereinbarer Grundsätze und Ziele, beispielsweise in den Bereichen Verkehr, Energieversorgung, gewerbliche Wirtschaft sowie Natur und Landschaft das LEP einer ganzheitlich orientierten, nachhaltigen Planung nicht gerecht. So greifen beispielsweise gerade die von der Staatsregierung im LEP festgelegten Infrastrukturmaßnahmen vom Transrapid über ein Vorranggebiet für die dritte Start- und Landebahn am Flughafen München bis hin zu vielen Regionalflughäfen wie Hof oder Oberpfaffenhofen sowie neue Autobahnen massiv und nachhaltig in die bayerische Natur- und Kulturlandschaft ein.
Der Bund Naturschutz weist auf diese grundlegende Problematik des LEP seit nunmehr drei Jahrzehnten hin. Statt textliche Verkürzungen vorzunehmen wäre wie in jedem gut geführten Unternehmen eine Wirkungsanalyse unter Einbezug von Nachhaltigkeitsindikatoren nötig, die den erreichten Status quo seit der letzen Fortschreibung bilanziert und sich den Konflikten und Defiziten stellt. Der Bund Naturschutz plädiert daher für eine ehrliche quantitative und qualitative Bilanzierung des bayerischen Beitrages zur Erreichung einer ökologisch nachhaltigen Wirtschafts- und Raumentwicklung, die Erstellung querschnittsorientierter Szenarien und die Berücksichtigung des Vorrangs der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen als Basis für eine zukunftsfähige Landes- und Regionalplanung.
Für Rückfragen: Richard Mergner Landesbeauftragter
Tel. 0911/81 87 8-25 oder 0171-6394370