Nationalpark Bayerischer Wald muss konsequent geschützt werden
Die "Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e.V." hat sich vor zwei Monaten mit einer Petition an den Bayerischen Landtag gewandet, um die sich selbst überlassenen so genannten "Naturzonen" im Erweiterungsgebiet des Nationalparks Bayerischer Wald zurückzunehmen und flächendeckend eine Bekämpfung des Borkenkäfers zu ermöglichen.
Der Bund Naturschutz hat sich deshalb in einer eigenen Petition an den Bayerischen Landtag gewandet, um eine Aufweichung der Nationalpark-Verordnung zu verhindern.
Der Bayerische Landtag ist gefordert, dafür Sorge zu tragen, dass der Nationalpark Bayerischer Wald seinen hohen Stellenwert erhält und nicht durch den Verzicht auf die Ausweisung der Naturzonen im Erweiterungsgebiet zum Etikettenschwindel wird.
An die
Ausschüsse für Eingaben und Beschwerden
und für Umwelt und Verbraucherschutz
des Bayerischen Landtags
Maximilianeum
81627 München
Datum 18.06.05
Nationalpark Bayerischer Wald;
Petition des Bundes Naturschutz in Bayern e.V. gegen die Eingabe der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e.V. vom 15. April 2005
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bund Naturschutz in Bayern e.V. bittet den Bayerischen Landtag, der Eingabe der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e.V. zur Rücknahme der "Naturzonen" im Erweiterungsgebiet des Nationalparks nicht stattzugeben und diese zurückzuweisen.
Begründung:
Die Argumente in der Petition der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes stützen sich - überwiegend - auf falsche Interpretationen der gültigen Neufassung der Verordnung über den Nationalpark Bayerischer Wald vom 12. September 1997.
Unter Hochlagen nach §114 sind ausschließlich die natürlichen Fichtenhochlagenwälder zu verstehen. Diese umfassen im Erweiterungsgebiet von 10.906 Hektar lediglich 1.362 Hektar. Nur für diesen Hochlagenwald gilt die Regelung der Borkenkäferbekämpfung bis 2017. Die Schutzzonen um diesen Hochlagenwald, in denen ebenfalls der Borkenkäfer bis zum Jahr 2017 bekämpft wird - ohne dass dies in der Verordnung festgeschrieben wäre - umfassen 2.043 Hektar.
Die Behauptung, die Nationalparkverordnung würde durch eine Erweiterung der Naturzonen "missachtet" bzw. "aktiv unterlaufen" ist unwahr. Ganz offensichtlich wird bewusst §14 falsch interpretiert. Bei den "Hochlagenwäldern" handelt es sich ausschließlich um die natürlichen Fichtenwälder oberhalb einer Höhenlage von 1150 bis 1200 Meter, die nicht einmal 15% der Erweiterungsfläche des Nationalparks ausmachen!
Die Behauptung, von der Bevölkerung und der kommunalen Vertretung wäre die Erweiterung des Parks einhellig abgelehnt worden, ist frei erfunden. In den Jahren der Diskussion um die Erweiterung wurde z.B. in Zwiesel ein gemeinnütziger Verein Pro Nationalpark e.V. gegründet, der sich seit dieser Zeit nachdrücklich für die Erweiterung einsetzt. Ebenso wurde ein Verein "Pro Nationalpark" im Landkreis Freyung/Grafenau gegründet. Auch der Bund Naturschutz und seine örtlichen Kreis- und Ortsgruppen - mit vor Ort ca. 2.000 Mitgliedern - stehen voll zum Nationalpark einschließlich des Erweiterungsgebietes.
Die Behauptung, das Konzept "Natur Natur sein lassen" sei "grandios" gescheitert ist abwegig. Unter den toten Altbäumen im Altpark wächst nachweislich inzwischen ein junger Wald, der viel vielfältiger, altersdifferenzierter und strukturreicher ist, als eine Pflanzung auf ausgeräumten Flächen dies ermöglicht hätte und deshalb der Wasserhaushalt - entgegen der Behauptungen der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes - nicht unterbrochen wird.
Die Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes ignoriert, dass dann, wenn das Altgebiet des Nationalparks zwischen Rachel und Lusen mit seinen 13.000 Hektar nach 1970 forstwirtschaftlich weiter genutzt worden wäre, bei einer durchschnittlichen Umtriebszeit von 130 Jahren, pro Jahr 100 Hektar von den 13.000 Hektar des Altparks genutzt, d.h., die Altbäume eingeschlagen und verwertet worden wären. Das bedeutet nach 30 Jahren ein Verschwinden von rund 3.000 Hektar altem Wald. Das entspricht in etwa den alten Fichtenbeständen, die durch den Borkenkäfer in dieser Zeit abgetötet wurden. Es handelt sich also nicht um eine "säkulare Katastrophe", sondern lediglich um einen ganz natürlichen Vorgang. Alte Bäume, wenn man sie nicht fällt, haben kein ewiges Leben, sondern sie sterben auf natürliche Weise - insbesondere Reinbestände der Fichte auch auf größeren Flächen, dann, wenn aufgrund des Alters oder entsprechender Klimaereignisse die Zeit für den Tod gekommen ist. Dieses Absterben der alten Bäume macht einem jungen, differenzierten neuen Wald Platz.
Entgegen der Auffassung der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes ist inzwischen dringender Nachholbedarf bei der Ausweisung der Naturzonen entstanden, denn bisher sind lediglich 1.210 Hektar in den acht Jahren seit der Erweiterung des Nationalparks als Naturzonen ausgewiesen. Auf über 80% der Erweiterungsfläche des Parks wird derzeit noch der Borkenkäfer bekämpft, Holz eingeschlagen und großteils verkauft und dadurch dem natürlichen Stoffkreislauf des Nationalparks entzogen. Damit wird die Gefahr provoziert, dass in absehbarer Zeit der Nationalpark Bayerischer Wald als Etikettenschwindel bezeichnet wird.
Der Bund Naturschutz bittet den Bayerischen Landtag dafür Sorge zu tragen, dass die Rechtsverordnung von 1997 zügig umgesetzt wird und die vorrangige Aufgabe des Nationalparks, nämlich der Schutz der natürlichen Entwicklung der vorhandenen Ökosysteme, absoluten Vorrang erhält.
Bei Nichtbeachtung dieser Zielsetzung besteht nach Ansicht des Bundes Naturschutz und der großen Zahl der Befürworter des Nationalparks die Gefahr, dass nicht nur für den Naturschutz sondern für die ganze Region massive Nachteile zu befürchten sind.
Der Nationalpark Bayerischer Wald ist die wichtigste Attraktion für den Tourismus in der gesamten Region. Immer mehr Menschen suchen in ihrem Urlaub das Erlebnis ursprünglicher Natur. Die Borkenkäferbekämpfung im Nationalpark wird aufgrund von Befragungen von über zwei Drittel der Feriengäste abgelehnt.
Auch auf der letzten Sitzung des Nationalparkbeirates haben sich die anwesenden Bürgermeister der Gemeinden am alten Nationalpark und der Landrat des Landkreises Freyung-Grafenau über die Entwicklung und den derzeitigen Stand im alten Nationalpark positiv geäußert.
Entgegen der Behauptung der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes mit nur wenigen hundert Mitgliedern, steht die große Mehrheit der Bevölkerung im Bayerischen Wald und in ganz Bayern zum Nationalpark und seiner Zielsetzung. Der Bund Naturschutz mit seinen 165.000 Einzelmitgliedern in Bayern tritt deshalb nachdrücklich auch für die Erweiterung der Naturzonen im Erweiterungsgebiet ein. Dies ist im Übrigen auch eine Forderung des Europarates zur weiteren positiven Anerkennung des gesamten Nationalparks nach internationalen Kriterien.
Der Bund Naturschutz bittet deshalb den Bayerischen Landtag die Petition der Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes zurückzuweisen und dafür zu sorgen, dass die Rechtsverordnung von 1997 zügig umgesetzt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Hubert Weiger, Landesvorsitzender
Helmut Steininger, Mitglied im Nationalparkbeirat