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Natur- und Kulturerbe Mittelwald droht das Aus

Bund Naturschutz kämpft für Iphöfer Mittelwald

13.10.2005

Bund Naturschutz (BN) kritisiert Förderpolitik der Bayerischen Staatsregierung und geplanten Ausstieg der Stadt Iphofen aus der Mittelwaldbewirtschaftung. Weil die Fördermittel für diese historische Waldbewirtschaftungsform gekürzt wurden, will die Stadt Iphofen nun die Mittelwaldwirtschaft aufgeben. "Der Landkreis Kitzingen ist bundesweit berühmt für seine Mittelwälder und wir appellieren an die Stadt Iphofen die Mittelwaldbewirtschaftung weiterzuführen", so Manfred Engelhardt, 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Kitzingen.

In scharfer Form kritisiert der BN die Förderpolitik der Bayerischen Staatsregierung im Forstbereich. Hintergrund ist das im Jahr 2005 von der Bayerischen Staatsregierung aufgelegte Vertragsnaturschutzprogramm Wald. Demnach wird die Mittelwaldbewirtschaftung zwar mit staatlichen Mitteln gefördert. Im Vergleich zur bisherigen Förderung nach den Naturpark- und Landschaftspflegerichtlinien des bayerischen Umweltministeriums verschlechtern sich die Waldbesitzer gerade im Landkreis Kitzingen finanziell jedoch deutlich. Diese Einbußen führten zum Beschluss der Stadt Iphofen in Unterfranken, aus der Mittelwaldbewirtschaftung auszusteigen. Die Stadt Iphofen ist mit rd. 360 Hektar einer der größten Mittelwaldbetriebe in Mitteleuropa und unter Fachleuten deutschlandweit bekannt.

"Die Bayerische Staatsregierung in München ist sich ihrer Verantwortung für die Mittelwälder in Franken offensichtlich nicht bewusst", vermutet Dr. Ralf Straußberger, Waldreferent des BN. Die noch vorhandenen Mittelwälder in Unter- und Mittelfranken beherbergten eine Vielzahl vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten und sind deshalb ökologisch unverzichtbar. "Gerade viele Arten, die alte Bäume bzw. Wälder bewohnen, haben im Mittelwald noch eine letzte Zufluchtsstätte gefunden, die sie im "normalen" Wirtschaftswald, gerade in Zeiten der Forstreform, oftmals nicht mehr finden", bedauert Ralf Straußberger. "Wir wollen kein Waldmuseum, das mit viel Geld künstlich am Leben gehalten wird", so der BN Waldreferent. Ziel ist es vielmehr dort, wo es noch funktionierende Rechtlergemeinschaften gibt, diese mit einem angemessenem Zuschuss für die Aufrechterhaltung der Mittelwaldbewirtschaftung zu motivieren. Die Mittelwaldfläche hat sich nach dem zweiten Weltkrieg dramatisch verringert. Die jetzt noch verbliebenen Mittelwälder gilt es in ihrem Bestand zu sichern. Wenn der Beschluss der Stadt Iphofen Schule macht, ist in den nächsten Jahrzehnten mit einem völligen Verschwinden der Mittelwälder in Bayern zu rechnen. Doch gerade in Zeiten steigender Energiepreise ziehen auch die Brennholzpreise an, die Brennholznutzung gewinnt wieder an Bedeutung. Deshalb kann der Mittelwald, in dem regelmäßig alle 20-30 Jahre die nachgewachsenen jungen Bäume als Brennholz genutzt werden, vor einer Renaissance stehen. "Wir fordern deshalb unsere Politiker des Landkreises Kitzingen und der Stadt Iphofen auf, sich dafür einzusetzen, dass für das Holz aus den Mittelwälder ein vernünftiger Verwendungszweck gefunden wird, z.B. in Hackschnitzelheizungen in öffentlichen Gebäuden. Damit kann erneuerbare Energie aus dem nachwachsendem Rohstoff Holz gewonnen werden und die Waldwirtschaft in der Region gestärkt werden", so Manfred Engelhardt.

Die Bayerische Staatsregierung fordert der BN auf, beim Vertragsnaturschutzprogramm Wald, das Ende 2006 ohnehin neu aufgelegt werden soll, nachzubessern. Ralf Straußberger: "Wir brauchen Fördersätze, die zumindest denen nach den bisherigen Naturpark- und Landschaftspflegerichtlinien entsprechen". Der BN wird sich deshalb in Briefen direkt an Forstminister Josef Miller und Umweltminister Werner Schnappauf wenden und sich für eine Nachbesserung des Vertragsnaturschutzprogramms Wald einsetzen.

Die Stadt Iphofen fordert der BN auf, ihre Entscheidung, aus der Mittelwaldbewirtschaftung auszusteigen, nochmals zu überdenken. Nicht nur bei Forstleuten und Naturschützern, sondern auch in weiten Kreisen der Bevölkerung ist der Name der Stadt Iphofen untrennbar mit dem bisherigen Vorzeige-Mittelwald verbunden. Auch für den Tourismus spiele der Iphöfer Mittelwald eine wichtige Rolle.


Kurzinformation zum Thema Mittelwald

Beim Mittelwald handelt es sich um eine Jahrhunderte alte Form der Waldbewirtschaftung. Charakteristisch für den Mittelwald ist, dass in zwei Schichten Holz produziert wird. Beim sogenannten Oberholz handelt es sich meist um Eichen, die 150 Jahre oder älter werden. Das Holz dieser Bäume soll für Bauholz, Möbel und Parkett verwendet werden. Die Bäume im Unterholz werden dagegen nur rund 30 Jahre alt. Ihre Aufgabe ist es, Brennholz zu produzieren. Dazu werden vor allem Eichen, Hainbuchen und Linden alle 30 Jahre "auf den Stock gesetzt". Die Stöcke treiben dann wieder aus.

Durch das lichte Oberholz und die Stockhiebe im Unterholz gelangt viel Licht und Wärme in den Wald. Dies macht den Mittelwald für viele seltene wärmebedürftige Tier- und Pflanzenarten, insbesondere bedrohte Schmetterlinge, zu einem wichtigen Lebensraum. In den alten Eichen finden Spechte und ihre Nachmieter wie Fledermäuse oder die Hohltaube ein Zuhause.

In Deutschland findet man Mittelwälder nur noch selten. Nur noch 0, 2 % der Wälder in Bayern sind Mittelwälder. Verbreitungsschwerpunkte sind in Unterfranken der Landkreis Kitzingen und in Mittelfranken der Landkreis Neustadt Aisch/Bad Windsheim. Da die Mittelwaldbewirtschaftung sehr kleinräumig und differenziert durchgeführt wird (u.a. 30jähriger Stockhieb), erfordert sie einen hohen Personal- und Zeitaufwand. Sie besteht deshalb vor allem dort noch, wo es noch funktionierende Rechtlergemeinschaften gibt. Viele Waldbesitzer haben ihre Mittelwälder in den letzten Jahrzehnten in ertragreichere Hochwälder umgewandelt. Ohne finanzielle Anreize besteht die Gefahr, dass auch die letzten Mittelwälder in Hochwald umgewandelt werden. Damit würde auch ein wertvoller Teil unseres Kulturerbes für immer verloren gehen.