Ökobaumeister Biber – Motor für Biodiversität und naturnahen Hochwasserschutz
Die Isarauen - eine bayernweit bedeutende Achse der Biodiversität
Die Mittlere Isar zwischen München und Landshut ist eine bayernweit bedeutende Achse der Artenvielfalt, europäisches Schutzgebiet (Natura 2000) und teilweise Naturschutzgebiet. Das bayernweit größte zusammenhängende Band von Auwäldern säumt die Isar und lässt Raum für Flussdynamik und den "Baumeister" der Aue, den Biber. Seit etwa 15 Jahren befreit das Wasserwirtschaftsamt München die Mittlere Isar stellenweise von ihren jahrzehntealten Uferversteinungen. Durch die Flussverbauung, -begradigung und Ausdeichung der Aue hat die Isar an Dynamik und Vielfalt verloren, sie hat sich eingetieft und dadurch ihren Auen sozusagen das Wasser abgegraben. Dies gilt es so weit wie möglich rückgängig zu machen. Kaum von ihren Fesseln befreit nutzt die Isar schon die neuen Freiheiten und lagert sich nun bei jedem Hochwasser um. Auch die durch Deichrückverlegung neu gewonnene Aue wird sofort von der Isar gestaltet. Stellenweise haben sich schon mehrere Flussarme ausgebildet - es entsteht eine neue Wildnis und die Isar ("Die Reißende") gewinnt wieder ein Stück weit ihren Alpenfluss-Charakter zurück.
Im Biberrevier verbinden sich Fluss und Aue
Der Biber unterstützt die Renaturierung vor allem in der angrenzenden Aue und in den Zuflüssen zur Isar. Einer dieser Zuflüsse ist die Dorfen. Sie entspringt am Südrand des Erdinger Moos (nähe Ismaninger Speichersee) und durchfließt auf ihren letzten Kilometern die Isarauen bei Gaden. Im Bereich der Mündung der Dorfen in die Isar gestaltet der Biber schon seit 1987 die Aue um: mehrere Dämme haben die Dorfen hier breit aus ihrem Bachbett treten und auf großer Fläche in den angrenzenden Auwald fluten lassen. Untersuchungen von Prof. Dr. Volker Zahner, Hochschule Weihenstephan Triesdorf, haben gezeigt, dass die Strukturvielfalt erheblich gestiegen ist und dass sich nach Bau des Biberdamms die Zahl der Fischarten annähernd verdoppelt hat. Gerade von der Vervierfachung des Totholzes im Gewässer durch den Biber haben sie profitiert. In dem Gebiet wurden von der Hochschule Weihenstephan auch die Wirkungen des Bibers auf den Wasserhaushalt untersucht: Es ließ sich nachweisen, dass die Biberteiche einen Einfluss auf den Wasserhaushalt der näheren Umgebung haben (Grundwasserstand, Verdunstungsrate). Aufgrund der komplexen Berechnungen hält der BN weitere Studien zu den Auswirkungen auf die Retention, die Verdunstung, die Versickerung, den dezentralen Hochwasserschutz und die Wasserspende in Trockenzeiten für sinnvoll und nötig. Die Auswirkungen auf den Hochwasserschutz erläutert Prof. Zahner anhand eines einfachen Modelles: "Biberfeuchtgebiete bremsen die Flutwelle und kappen die Hochwasserspitze. Beides ist entscheidend, um zu verhindern, dass sich Hochwasserspitzen aufaddieren und Städte überfluten."
Biber als "Baumeister" für die Artenvielfalt an Gewässern
Zahlreiche Untersuchungen in Mittelfranken, an der Isar, in der Rhön oder der Eifel belegen, dass Fauna und Flora deutlich und schnell von der Auenrevitalisierung, die durch die Tätigkeiten des größten europäischen Nagetieres in Gang gebracht wird, profitieren. In Mittelfranken wurden für insgesamt 73 wertgebende Tier- und Pflanzenarten positive Effekte der Biberaktivität nachgewiesen. Diese positiven Effekte des Bibers wirken dauerhaft - solange, wie die Bibertätigkeit anhält.
Zahlreiche besonders anspruchsvolle Tierarten wie Wasserralle, Eisvogel, Laubfrosch, Elritze, Grüne Keiljungfer, Schwarze Heidelibelle und Kleine Pechlibelle nutzen ganz gezielt durch die Biberaktivität neu entstandene bzw. renaturierte Habitate. Von besonderer Bedeutung sind dabei neu aufgestaute, extrem struktur- und pflanzenreiche Flachgewässer, die Auflichtung und Strukturierung dichter Ufer- und Auengehölze, das durch Biber erheblich gesteigerte Totholzangebot im und am Wasser, aber auch neuentstandene naturnahe Weidengebüsche und zahlreiche vegetationsfreie Stellen an Dämmen, Transportgräben und Ausstiegen der Biber. Die Biberaktivitäten schaffen ein kleinräumiges, permanentes Nebeneinander unterschiedlicher offener und zugewachsener Bereiche und ermöglichen damit sowohl Pionierarten als auch Bewohnern reiferer Gewässer das Überleben.
Für die Nahrungsketten und für die typischen Lebensräume besonders wichtige Arten (Grasfrosch, Grünfrösche, diverse Heide- und Kleinlibellen; Röhrichtbrüter) entwickeln in von Bibern umgestalteten Bereichen große Populationen. An Waldbächen vervielfacht sich durch Bibereinfluß die Anzahl von Libellenarten, z.B. von 4 Arten vor dem Auftreten des Bibers auf 29 nach der Biber-Rückkehr. 18 der 19 in Deutschland heimischen Amphibienarten, gut die Hälfte der in Deutschland heimischen Libellen und 116 Vogelarten konnten bislang in Biberteichen nachgewiesen werden und finden dort die besten Fortpflanzungsmöglichkeiten überhaupt in der Landschaft. Überdies schaffen Biberaktivitäten einen idealen Biotopverbund entlang von Gewässern, der auch Grünlandbewohnern Korridore durch geschlossene Waldgebiete und ausgeräumte Agrarlandschaften eröffnet.
Fische profitieren vom Biber durch Totholz im Wasser, durch zusätzliche Laichplätze, Verstecke und mehr Nahrung. So findet sich an Biberdämmen eine fünffach höhere Dichte an Insekten als in der offenen Wasserfläche. An Biberburgen findet sich eine 80-fach erhöhte Fischdichte als im restlichen Gewässer. Bei Freising wurde die Verdoppelung der Fischartenzahl von 9 auf 18 im nach Einwandern des Bibers in den Bach festgestellt. Untersuchungen des Landesfischereiverbandes Bayern zeigen, dass sich in einem Bachabschnitt ohne Biber 20 Bachforellen pro km, mit Biber aber 120 Bachforellen pro km befinden.
Bei allen untersuchten Tiergruppen war ein schneller Anstieg der Artenvielfalt und der Bestandsdichte festzustellen. Der Biber hat einen enormen Nutzen für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität und ist eine "Schlüsselart" für die Artenvielfalt der Gewässerökosysteme!
Diese Untersuchungen belegen, dass Biber ein unverzichtbarer Bestandteil der bayerischen Natur sind. Biber haben seit rund 15. Mio. Jahren ganz Europa besiedelt und die Gewässerlandschaften vom Polarkreis bis zum Mittelmeer entscheidend geprägt und mitgestaltet. Allein in Bayern wird der ursprüngliche Biberbestand auf bis zu 100.000 Tiere geschätzt. Jeder Bach, jeder Fluss und jede Auenlandschaft waren "Biberland". Alle anderen Wasserbewohner waren eng an die typischen Bibergewässer angepasst oder sogar auf diese angewiesen. Kein Wunder, dass sie jetzt so schnell und positiv auf die Rückkehr des Baumeisters reagieren!
Das Bauen von Biberdämmen erbringt nicht nur aus naturschutzfachlicher, sondern auch aus wasserwirtschaftlicher Sicht wertvolle Revitalisierungsleistungen: Zurückverlegen aufgesattelter Gewässer ins ursprüngliche Bett, Sedimentation großer Geschiebemengen und Förderung der Ausbreitung ufertypischer Gehölze sowie die Neuschaffung von Stillgewässern, Flachwasserzonen und Kleinbächen führen zu erheblicher Abflussverzögerung, schaffen zusätzlichen Rückhalteraum bei Hochwässern und verbessern die Selbstreinigungskraft und Wasserqualität der Fließgewässer.
Nur Biber schaffen es, die Vielfalt der notwendigen Gewässerstrukturen zu schaffen und auch dauerhaft zu unterhalten. Sie sind als Baumeister und Haus-meister zugleich jederzeit am Gewässer präsent und schaffen laufend neue Strukturen, die so differenziert auch durch aufwändigste menschliche Biotoppflege nicht möglich und sicher unbezahlbar wären. Die Artenfülle an Gewässern kann sich deshalb nur dort entfalten, wo Biber als seit Millionen von Jahren wirksamer Schlüsselfaktor ihre ganzen Fähigkeiten einsetzen dürfen.
Die Verengung der öffentlichen Diskussion beim Biber auf monetäre "Schäden" in der Landwirtschaft oder bei Fischteichen verkennt völlig die Leistungen und Vorteile gerade dieser Tierart für den Naturhaushalt, andere gefährdete Arten, aber auch die viel höheren wirtschaftlichen Vorteile für den Menschen. Der gesamtwirtschaftliche Nutzen des Bibers (kostenlose Renaturierungsleistungen, Wasserqualität, Wasserrückhalt) ist damit in Bayern um den Faktor 100 größer als die einzelnen Schäden bei Land-, Forst- oder Teichwirten.
Forderungen des BUND Naturschutz:
· Schaffen von ungenutzten Pufferstreifen an allen Fließgewässern, da 90% der Konflikte mit Bibern in einem zehn Meter breiten Streifens entlang des Ufers entstehen. Biberkonflikte an Ufern sind meist Indikator für gravierende Konflikte zwischen intensiver Landwirtschaft und Gewässerschutz. Wie in anderen Bundesländern gesetzlich vorgegebene Pufferstreifen sind auch wegen des Fischarten- und Gewässerschutzes (Minderung Dünger-, Pestizid- und Schlammeintrag) in Bayern überfällig!
· Umfassende Renaturierung von Talauen. Biber wirkt hier als kostenloser Landschaftsgestalter und Motor für die Artenvielfalt!
· Integration von Biberüberschwemmungsgebieten für die dezentrale Hochwasserrückhaltung, insbesondere in den Oberläufen der Gewässer.
· Aufstockung des Biberfonds mittelfristig auf ca. 800.000 €.
· Bessere Überprüfung der Ausnahmeregelung für die Entnahme von Bibern, die oft zu großzügig gehandhabt wird.
Für Rückfragen: Gerhard Schwab, Bibermanager des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) für Südbayern, Tel.: 0172/6826653, E-Mail: GerhardSchwab@online.de
Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), Fachabteilung München: Dr. Christine Margraf, Tel.: 089-548298-89, christine.margraf@bund-naturschutz.de
Anlagen:
Hintergrundinformation Biber
Auszug aus "Monitoring von Biberrevieren in Westmittelfranken 2014" (Ulrich Meßlinger, Dezember 2014)
3 Bilder des Biberrevieres Dorfenmündung
(Bilder aus dem Biberrevier Dorfenmündung, Luftbilder des Biberrevieres an der Mündung der Dorfen in die Isar (W. Willner)