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Offener Brief an Ministerpräsident Seehofer

Heimat schützen - Energiewende retten!

15.02.2014

Bamberg, den 15. Februar 2014

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

 Unsere Bitte an Sie und die Bayerische Staatsregierung:

- Ja zum Atomausstieg und Ja zum Klimaschutz!

- Ja zu einer Erneuerbaren und Dezentralen Energiewende in Bayern!

- Ja zu einer Energiewende von Unten!

- Ja zu einer Energiewende in Bürgerhand und mit Wertschöpfung im ländlichen Raum!

Eine unberechenbare Energiepolitik gefährdet unsere Versorgungssicherhei t– Windenergie unterstützt Versorgungssicherheit!

Atomausstieg und Klimaschutz sind 2 drängende Fragen der Energiepolitik, auf die Bayern und Deutschland bereits heute direkt reagieren müssen.

Nur wenn wir es schaffen, im kommenden Jahrzehnt deutlich mit der Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen zu beginnen, könnten wir das Ziel einer Erderwärmung unter 2 Grad Celsius noch einhalten – so der Bericht 2013 des IPCC.

Klimaschutz erfordert den Ausstieg aus der fossilen Energie, also das Abschalten von Kohlekraftwerken parallel zum Zubau der Erneuerbaren Energien.

Der Ausbau der Windenergie, der Ausbau der Photovoltaik, und der Umbau und die Flexibilisierung der Bioenergie in Bayern auf Netzstabilität müssen daher dringend den Vorrang haben vor zentralen Stromtrassen und dem Bau neuer Gaskraftwerke. Klimaschutz entsteht nicht durch Kohlendioxid-emittierende Gaskraftwerke. Klimaschutz entsteht durch Energiesparen, Photovoltaik und Windstrom in Bayern!

Nach einem hoffnungsvollen und engagierten Beginn der Energiewende im Frühjahr 2013 erleben wir seit rund einem halben Jahr, wie eine unheilige Koalition von Profiteuren der Atomenergie, Klimawandelleugnern und lautstarken Demagogen von Windenergiegegnern dafür sorgt, dass die bayerische Staatsregierung an einem wesentlichen Standbein von Atomausstieg und Klimaschutz sägt, nämlich an der Nutzung der Windenergie in Bayern.

Die beindruckende Dynamik des Wachstums von lokalen Bürgerenergie-Genossenschaften und -Gesellschaften in Bayern zeigt – Bürgerinnen und Bürger in Bayern wollen ihre Zukunft, ihre Energieversorgung selbst in die Hand nehmen. 200.000 Mitglieder im BUND Naturschutz haben sich in ihrer Delegiertenversammlung 2013 für eine Dezentrale Energiewende mit Atomausstieg Sofort und Klimaschutz Heute in Bayern ausgesprochen.

Nach Artikel 83 der Bayerischen Verfassung fällt die Versorgung der Bevölkerung mit Strom in den Wirkungskreis der Gemeinden. Über viele Jahre haben diese die Verantwortung bei schwindender Kompensation (Reduzierung der Konzessionsabgabe) getragen. Mit dem Bayerischen Energiekonzept von 2011 wurden die Kommunen ermutigt, ihre schwindenden Einnahmen durch Investitionen in Windenergie auszugleichen. Mit der erneuten Kehrtwende fällt die Landesregierung jetzt den Städten und Gemeinden in den Rücken (Bayerische Städtetag – Informationsbrief 2/2014).

Willkürlicher Kampf gegen Windräder?

Eine überhöhte Vergütung für teuren Windstrom aus off-shore Anlagen, wie im Koalitionsvertrag im Herbst 2013 diskutiert, überdimensionierte Stromleitungen und ein Stopp des Ausbaus der Windenergie in Bayern – das kann doch kein gutes Konzept für Bayern sein? Wir halten dies für falsch!

Gegen alle Bedenken aus Kommunen und Verbänden haben Sie leider bisher dafür plädiert, den Ausbau der Windenergie in Bayern drastisch einzuschränken oder gar zu stoppen. Bayern ist heute bereits stark in der Nutzung der Sonnenenergie. Aber Bayern hat große Potenziale im Bereich Windenergie – die es für eine zukunftsfähige und ökologisch verträgliche Energieversorgung zu nutzen gilt! Leider versucht die Bayerische Staatsregierung nun über den Bundesrat, über den Koalitionsvertrag CDU-CSU-SPD Ende 2013 und nun mit Beschluss des Staatskabinetts vom 4.2.2014 die Nutzung der regionalen Energieressource Wind in Bayern und im Süden Deutschlands abzuwürgen. Dies soll zum einen drastisch mit einer Anhebung der Grenze für eine EEG-Vergütung Windstrom von heute 60 Prozent auf über 75 Prozent erfolgen, so wie auch Wirtschaftsministerin Ilse Aigner dies in ihren kürzlich vorgestellten "energiepolitischen Prioritäten" formuliert. Diesen Vorschlägen widersprechen wir vehement. Richtiger für Bayern wäre es, die Höhe der EEG Vergütung an den Referenzertrag zu koppeln, wie ihn der Bundesverband Windenergie in 2013 vorgeschlagen hatte: Reduktion der Vergütung für sehr ertragsstarke Standorte im Norden, um Überförderungen zu vermeiden, aber ein Ausweichen von Windrädern auf schwächere Windstandorte, zum Beispiel in Kompromiss mit Natur- und Landschaftsschutz, mit höherer Vergütung zu belohnen.

Bürgerengagement für die Energiewende vor dem Aus !

Das sind unsere Forderungen für Bayern:

- die Stromversorgung möglichst dezentral aus eigenen erneuerbaren Quellen zu speisen,

- damit teure und gigantische Höchstspannungstrassen von Nord nach Süd zu vermeiden,

- regionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze im eigenen Land zu generieren,

- ein nachhaltiges, sicheres und bezahlbares Energiesystem aufzubauen.

Die Situation heute ist leider, dass die Bayerische Staatsregierung die Interessen nördlicher Bundesländer und großer Energiekonzerne bedient, deren Marktanteile mit dem dezentralen und verbrauchsnahen Ausbau der Erneuerbaren Energien dahinschmelzen. Aber – mit diesem Ausstieg aus der Energiewende steht auch das Engagement der Bevölkerung vor dem Aus!

Bayern hinkt Energiezielen weit hinterher

Sie fordern als Ministerpräsident eine Abstandsregelung zwischen Windstandort und nächster Wohnbebauung in Abhängigkeit der Anlagenhöhe von "10 H", was für moderne Windräder mit Höhen von 200 Metern rund 2.000 Meter Abstand bedeutet. Wir halten dies für überdimensioniert und falsch. Dies führt dazu, dass im dicht besiedelten Bayern keine neuen Windkraftanlagen mehr aufgestellt werden könnten. Die bisherige Regelung von ca. 800 Meter orientierte sich am bestehenden Lärmschutz im Bundesemissionsschutzgesetz und dort in der Technischen Anleitung Lärm. Dort ist festgelegt, welchen Lärm wir uns in unserer Heimat gegenseitig zumuten dürfen, durch Verkehr oder Industrie. Das gilt auch für Windräder als technische Einrichtungen. Wir als Menschen in Bayern verbrauchen Strom – es ist also richtig zu fordern, dass der Strom dann auch zukunftsfähig im Kulturraum der Menschen produziert wird. Eine 2000 Meter Abstandsregelung würde die Windräder in die letzten freien Natur- und Landschaftsräume Bayerns abdrängen – zu Lasten der Natur und der Schönheit Bayerns. Natur- und Landschaftsschutz sind hohe Güter – aber hier hatte die Bayerische Staatsregierung im Dezember 2011 mit dem sogenannten „Windenergieerlass“ die Weichen bereits richtig gestellt: Vorgaben für die Regionalplanung, Zonierungskonzepte, Landschaftsbildbewertung. Eine solche Leitlinie hätte auch um Handreichungen zur Vermeidung von Umzingelungswirkung behördlich ergänzt werden können!

Im Energiekonzept Bayern vom Mai 2011 hatte die Bayerische Staatsregierung ca. 1.500 neue Windenergieanlagen angekündigt, das ergäbe knapp 10 Prozent des Bayerischen Stroms als elektrische Energie. 2500 Anlagen würden mit ca. 21 Milliarden Kilowattstunden ca. 25 Prozent liefern können – und würden doch nur knapp 1 Prozent der Bayerischen Landesfläche für Windparks erfordern. Mit der Forderung „10 H“ werden trotz „Vertrauensschutz“ nur knapp 800 Anlagen maximal realisiert werden können – Bayern bleibt damit unter den Schlusslichtern in Deutschland.

Wind oder Kohle und Atom – die Bayerische Staatsregierung muss sich entscheiden!

Windräder ersetzen hauptsächlich Kohlestrom, aber auch Atomstrom. Werden mit Hilfe des Windstroms Kohle- und Atomstrom heruntergefahren, dann schont dies Klima und Umwelt, vermeidet externe Kosten und fördert unsere Unabhängigkeit von Importenergie. Moderne Windenergieanlagen an guten Standorten in Bayern erzeugen rund sechs Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Damit vermeiden sie die Verbrennung von über 2000 Tonnen Kohle – so viel wie zwei lange Güterzüge transportieren können. Eine Windenergieanlage kann uns somit jährlich gut 5000 Tonnen CO2 ersparen!

Jeder der vier heute noch in Bayern laufenden Atomreaktoren erzeugt täglich mehr langdauernde Radioaktivität, als in allen 123.000 Atommüllfässern der Deponie Asse zusammen enthalten ist. Wir produzieren also allein in Bayern täglich "vier Mal Asse". Angesichts des ungelösten Atommüllproblems ist der Weiterbetrieb dieser Reaktoren gerade mit Blick auf unsere Kinder und Enkel nicht verantwortbar!

Solar- und Windanlagen, kombiniert mit Kraftwärmekopplung, Lastmanagement und innovativen neuen Speichern befreien uns von dieser unverantwortlichen nuklearen und fossilen Stromerzeugungstechnik, die sich wegen der unermesslichen Folgekosten eines nicht auszuschließenden Großunfalls wie in Fukushima keine risikogerechte Haftpflichtversicherung leistet.

Chaotischer Kurs kostet Vertrauen und blockt Investitionen

Aus all den genannten Gründen möchten wir uns gegen eine rückwärtsgewandte Energiepolitik Bayerns aussprechen und Sie auf deren fatale Folgen für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern hinweisen. Schon in den vergangenen Monaten hat der abrupte Kurswechsel in Bayern allen am Ausbau der Windkraft Beteiligten massiven wirtschaftlichen Schaden beschert. Umfangreiche Planungen auf regionaler oder kommunaler Ebene sowie langfristig getätigte private und öffentliche Investitionen werden aufgrund dieser Entscheidung ausgesetzt bzw. gänzlich abgewürgt.

Entsprechend verunsichert und enttäuscht sind alle, die in irgendeiner Form mit der Realisierung von Windenergie in Bayern zu tun haben: Bürger/innen und Energiegenossenschaften, die investiert haben. Lokale und regionale Banken, die das finanzieren wollten. Mittelständische Unternehmen und deren Beschäftigte, die Windparks planen und bauen. Behörden, die das genehmigen sollten. Planungsverbände und Kommunen, die über Jahre hinweg geeignete Windflächen identifiziert hatten. Bürgermeister/innen und Landräte/innen, die auf eine regionale Energiewende und Wertschöpfung gesetzt haben – eben alle, die auf eine verlässliche Politik in Bayern und Berlin vertraut haben.

Retten Sie die Energiewende!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, in den kommenden Tagen und Wochen werden die Weichen für unsere zukünftige Energieversorgung neu gestellt. Sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene erwarten wir eine Politik und Gesetzgebung, die die ökonomisch und ökologisch zwingend notwendige erneuerbare Energiewende unterstützt, statt diese zu behindern.

Wir appellieren deshalb an Sie:

• Geben Sie bitte das nach Fukushima gesetzte Ziel von mindestens 50 Prozent Erneuerbaren Strom bis 2021 für Bayern nicht auf!

• Setzen Sie bitte für Bayern und Deutschland ein Zeichen, dass es kein Zurück zu Atomstrom und zum Klimakiller Kohlestrom gibt.

• Stoppen Sie bitte den Kampf gegen Windmühlen in Bayern!

• Setzen Sie sich bitte dafür ein, dass auch das neue EEG mit standortspezifischen Lösungen Windenergie in Bayern für Bürger/innen und Kommunen finanzierbar und wirtschaftlich möglich macht!

• Stoppen Sie bitte die „Abstandsregelung 10 H“ (> 2000 Meter!) von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung!

• Unterstützen Sie bitte eine fachlich fundierte Regionalplanung der Windenergie – im Einklang von Mensch, Natur, Umwelt und Landschaft!

• Stehen Sie bitte dafür, dass sich Bayern nicht von den Zukunftstechnologien der Erneuerbaren Energien abkoppelt! Zehntausende Arbeitsplätze im Mittelstand stehen auf dem Spiel.

• Machen Sie sich bitte stark für eine Dezentrale Energieerzeugung, die die Wertschöpfung im Land und wo immer möglich in Bürgerhand behält!

• Bauen Sie bitte mit an einer eigenständigen, bezahlbaren, klimafreundlichen und sicheren Erneuerbaren Energieversorgung Bayerns!

Seien Sie versichert, dass die unterzeichnenden Initiativen und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Bayerns Sie in diesem Kurs bestärken und unterstützen.

 

BUND NATURSCHUTZ IN BAYERN
Prof. Dr. Hubert Weiger, Landesvorsitzender

BUNDESVERBAND WINDENERGIE BAYERN
Günter Beermann, Landesvorsitzender

BÜNDNIS RÜCKENWIND FÜR BAYERN
Lisa Badum/Werner Göbel