Protest gegen geplantes Gewerbegebiet Weiden-West IV im Staatswald
Besonders brisant ist dieser Fall dadurch, dass es sich dabei um Staatswald handelt, der dem Freistaat Bayern und somit quasi den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern gehört. Als Erholungs- und als Klimaschutzwald erfüllt dieses Areal unverzichtbare und unersetzbare Aufgaben für die Bevölkerung der Stadt Weiden.
"Daher ist es für den BN umso unverständlicher, dass die Bayerische Staatsregierung durch Verkaufsverhandlungen über die Waldgrundstücke eine solche Gewerbegebietsplanung überhaupt erst ins Rollen gebracht hat", kritisiert BN-Landesvorsitzender Richard Mergner. "Vor diesem Hintergrund wirken die Aussagen in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Söder, den Flächenverbrauch nur mit freiwilligen Maßnahmen reduzieren zu wollen, vollkommen unglaubwürdig. Stattdessen würde die Bayerische Staatsregierung den laufenden Flächenfraß mit der Ermöglichung eines Gewerbegebiets wie Weiden-West IV als Präzedenzfall selber noch zusätzlich anheizen."
Dies zeigt nach Auffassung des BN, wie notwendig das laufende Volksbegehren "Betonflut eindämmen - damit Bayern Heimat bleibt" ist. Der BUND Naturschutz hofft, dass es Mitte Juli durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof zugelassen wird.
Der BUND Naturschutz fordert daher von der Bayerischen Staatsregierung in der Stadt Weiden und in ganz Bayern, keine staatlichen Waldflächen zu verkaufen, um dort Bebauung zu ermöglichen. "Insbesondere der neue, für die Immobilien des Freistaats zuständige Finanzminister Albert Füracker sowie die neue Forstministerin Michaela Kaniber können in der Oberpfalz sofort mit dem Flächensparen Ernst machen und die geplante Waldvernichtung mit einem Federstrich stoppen, da die Waldfläche noch immer im Besitz des Freistaats ist", so BN-Landesvorsitzender Richard Mergner.
An die Stadt Weiden appelliert der BUND Naturschutz, die bisherigen Planungen fallen zu lassen und die vorhandenen Planungsalternativen ernsthaft weiter zu verfolgen.
Hintergrund zur Planung des Gewerbegebiets Weiden-West IV
Nach jahrelangen Ankündigungen hat die Stadt Weiden im Januar/Februar 2018 mit der frühzeitigen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung erstmals einen konkreten Entwurf für einen Bebauungsplan zum Gewerbegebiet Weiden-West IV vorgelegt. Damit bestätigten sich die Befürchtungen des BUND Naturschutz, dass hier eine der bayernweit schlimmsten Gewerbegebietsplanungen beabsichtigt ist, der laut Planunterlagen 65 Hektar (650.000 m²) Staatswald zum Opfer fallen sollen, um rund 48 Hektar Gewerbefläche zu schaffen.
Bei dem betreffenden Waldgebiet handelt es sich um ein rechtlich ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet, in dem eine Bebauung nicht zulässig ist, aber durch geplante Herausnahme aus dem Schutzgebiet ermöglicht werden soll. Ein solches Vorgehen kritisiert der BUND Naturschutz scharf.
Darüber hinaus verstößt die Planung gegen die staatlichen Ziele, gerade dieses Waldgebiet zu erhalten, weil es besondere Bedeutung für die stadtnahe Erholung (Erholungswald, teils Stufe 1, teils Stufe 2 im Waldfunktionsplan) und für den Klimaschutz auf regionaler Ebene besitzt. Damit dient dieser Wald dem Ausgleich klimatischer Extremsituationen in den benachbarten Siedlungsbereichen der Stadt Weiden und ihrer Bewohner. Diese Waldfunktionen sind nach Auffassung des BUND Naturschutz genau an dieser Stelle erforderlich und würden sich keinesfalls andernorts ersetzen lassen.
Selbstverständlich besitzt diese Waldfläche auch erhebliche Bedeutung als natürlicher Lebensraum im Rahmen des gesamten, zusammenhängenden Waldgebiets. Insbesondere für die Erhaltung streng geschützter Tierarten mit großräumigen Lebensraumansprüchen stellt es eine unverzichtbare Pufferzone zu bestehenden menschlichen Nutzungen dar.
Pro forma wurde für die Bauleitplanung zwar eine Alternativenprüfung durchgeführt, allerdings hält der BN deren Ergebnisse nicht für aussagekräftig. Es ist z.B. nicht nachvollziehbar, dass darin faktisch der Wald als geringwertiger eingestuft wurde als landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Außerdem wird die Anzahl der betroffenen Grundeigentümer als ein entscheidendes Kriterium für die Auswahl der Waldfläche für das Gewerbegebiet zugrunde gelegt. "Eine solche Art von Alternativenprüfung ist völlig willkürlich, denn sie würde nahezu immer auf Kosten des Staatswaldes (Vorteil: nur 1 Waldbesitzer) hinauslaufen, was der BUND Naturschutz für völlig verfehlt hält. Der BN warnt daher eindringlich vor einem gefährlichen Präzedenzfall auf Kosten des bayerischen Staatswaldes!", kritisiert Reinhard Scheuerlein, BN-Regionalreferent für die Oberpfalz.
"Zudem fehlt darin auch die ernsthafte Untersuchung möglicher städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen bei den zahlreichen vorhandenen brachliegenden, leerstehenden bzw. untergenutzten Flächen im Stadtgebiet Weiden und im unmittelbaren Umfeld", so Hans Babl, stellvertretender Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Neustadt/Waldnaab-Weiden. Diese sind nach den Vorgaben der Landesplanung vorrangig zu nutzen. Darüber hinaus fehlt in der Stadt Weiden ein kommunales Flächenressourcenmanagement als ein geeignetes Instrument zur systematischen Erfassung und zum Nachweis vorhandener Flächenpotenziale.
Nun zeigt sich, dass auch die geplante Erschließung des Gewerbegebiets durch die überlastete Bundesstraße B470 unzureichend wäre, weil diese sich nicht auf vier Fahrspuren erweitern ließe. So werden schon erste Überlegungen laut, eine neue Erschließungsstraße durch ein angrenzendes Waldgebiet zu bauen und damit den Flächenfraß und die Landschaftszerschneidung noch weiter auf die Spitze zu treiben.
Insgesamt ist der BUND Naturschutz der Auffassung, dass die Realisierung dieser Planung der Stadt Weiden der laufenden Entwicklung des Flächenverbrauchs in Bayern die Krone aufsetzen würde.
Angesichts der Tatsache, dass ein zusammenhängendes Staatswaldgebiet von dem geplanten Eingriff betroffen wäre, hält der BN auch einen etwaigen Flächentausch mit Waldflächen in anderen Teilen Bayerns nicht für zielführend, zumal dies die Waldfunktionen für die betroffene Bevölkerung der Stadt Weiden nicht aufrechterhalten würde.
Erst durch tatkräftige Mitwirkung des CSU-Landtagsabgeordneten Walter Nussel (mittlerweile auch "Beauftragter der Staatsregierung für Bürokratieabbau"), der beim vorsorglichen Kauf einer "Tauschfläche" durch eine Tochtergesellschaft der Stadt Weiden "behilflich" war, sollten die Voraussetzungen für die Waldrodung geschaffen werden. Diese Ersatzflächen für die Bayerischen Staatsforsten liegen jedoch im Landkreis Erlangen-Höchstadt in Mittelfranken (südlich der "Raststätte Steigerwald" an der Autobahn A3) und würden im Vergleich zum zusammenhängenden Waldgebiet bei Weiden zu einer Zersplitterung des staatlichen Waldbesitzes führen.
Hintergrund zum Flächenverbrauch in Bayern
In Artikel 141 der bayerischen Verfassung steht: [...] "Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen [...] Es gehört auch zu den vorrangigen Aufgaben von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, Boden, Wasser und Luft als Lebensgrundlagen zu schützen [...]".
Unverbaute Landschaften sind identifikationsstiftend und müssen geschützt und erhalten werden. Der Boden ist eine der wertvollsten endlichen Ressourcen die wir besitzen. Er benötigt Jahrtausende um wichtige Funktionen wie Speicherung von Wasser, Puffer- oder Filterfunktionen etc. zu entwickeln. Boden der einmal betoniert oder asphaltiert ist, kann nicht wieder in seinen Ursprungszustand zurückversetzt werden und ist somit nicht erneuerbar.
Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat sich in den letzten 60 Jahren in Deutschland laut Umweltbundesamt mehr als verdoppelt, meist zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen und fruchtbarer Böden. Täglich werden in Bayern über 13 Hektar (2015) Freifläche in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Seit dem Jahr 2000 ist in Bayern eine Fläche so groß wie die Städte München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Fürth zugebaut worden. Täglich verschwinden wertvolle Böden, Wiesen, Wälder und Äcker unter Asphalt und Beton. Immer mehr Gewerbebiete auf der grünen Wiese lassen Ortskerne veröden und zerstören wertvolle natürliche Lebensräume.
Der BUND Naturschutz setzt sich seit Jahrzehnten für den Erhalt der bayerischen Landschaft ein. Durch diesen unermüdlichen Einsatz mit Klagen, Protestaktionen und Bürgerentscheiden ist es gelungen, viele Kleinode bayerischer Landschaft für kommende Generationen zu bewahren. Obwohl in wenigen Bundesländern der Flächenverbrauch leicht zurückging, ist er trotz Bürgerengagements in Bayern weiterhin konstant geblieben oder sogar angestiegen. Durch die massiven Änderungen am Landesentwicklungsprogramm (LEP) hat die bayerische Staatsregierung seit 2013 dem weiteren Flächenverbrauch Tür und Tor geöffnet. Die Bundesregierung hat seit dem Jahr 2007 das Nachhaltigkeitsziel den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag im Jahr 2030 zu reduzieren, festgesetzt. Dies bedeutet umgerechnet ca. 5 Hektar in Bayern pro Tag.
Freiwilligkeit beim Flächenschutz ist gescheitert
Im Jahr 2005 wurde von der bayerischen Staatsregierung mit Akteuren aus der Zivilgesellschaft das Bündnis zum Flächensparen gegründet. Bei allem positivem Bemühen, konnte dieses Bündnis den Flächenverbrauch nicht eindämmen. Eine Reduzierung des Flächenverbrauchs auf Freiwilligkeit und der eigenständigen Alleinverantwortung der Kommunen ist gescheitert.
Wertvolle Böden erhalten!
Intakte Böden sind eine der zentralen Lebensgrundlagen des Menschen. Sie sind Erholungsraum, Lebensraum für Tiere und Pflanzen, wichtig für unser Trinkwasser, ein Speicher für wichtige Nährstoffe, für den Abbau organischer Abfälle, Nährboden für Pflanzen, Anbaufläche für Nahrungsmittel und Energiepflanzen, Schutz vor Hochwasser, Verbesserung des lokalen und globalen Klimas. Freiflächen dienen der Frischlufterneuerung und unversiegelte Böden dienen als Kohlenstoffspeicher und tragen damit auch zum Klimaschutz bei. Landschaften sind identitätsstiftend und somit leistet der Bodenschutz einen aktiven Beitrag zur kulturellen Vielfalt.
Rückkehr zu einer nachhaltigen Landesplanung
Das Landesentwicklungsprogramm wäre der Rahmen, um die Entwicklung Bayerns nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten. Doch die LEP Novellen der letzten Jahre standen ganz unter dem Motto "Deregulierung", "Entbürokratisierung" und Schaffung neuer Spielräume für die Kommunen. Doch gerade ein Land wie Bayern mit stark wachsenden Ballungsräumen, aber auch abnehmenden Regionen braucht eine geordnete Landesentwicklung. Die fatalen Folgen des Abbaus der überregionalen Vorgaben haben schon in den letzten Jahren zu gravierenden Fehlentwicklungen geführt. Bayerns Kommunen sehen vielerorts gleich aus und sind dabei, ihr Gesicht zu verlieren. Daher fordert der BUND Naturschutz eine verpflichtende Einhaltung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung auf bundesweit 30 Hektar pro Tag. Begrenzung des täglichen Flächenverbrauchs in Bayern auf unter fünf Hektar im Jahr 2020 und ab 2025 kein weiterer Verbrauch neuer Flächen in Bayern ohne Renaturierung überbauter Flächen an anderer Stelle.
Unterstützung des Volksbegehrens: "Betonflut eindämmen - damit Bayern Heimat bleibt"
Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Ökologisch Demokratischen Partei (ÖDP) im September letzten Jahres das Volksbegehren gestartet. Mittlerweile sind eine Vielzahl von Verbänden im Träger- und Unterstützerkreis. Anfang März wurden die knapp 50.000 Unterschriften beim Bayerischen Innenministerium abgegeben. Über die Zulassung des Volksbegehrens entscheidet aller Vorrausicht nach der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Juli. Das Volksbegehren ist damit ein wichtiger erster Schritt mit großer Signalwirkung für den Flächenschutz in Bayern. Denn im Jahr 2018 feiert die bayerische Verfassung ihren 100. Geburtstag. Der BUND Naturschutz wird den Paragraf 141 der bayerischen Verfassung mit einer Rückkehr zu einer nachhaltigen, mit Leitplanken ausgestatteten Landesplanung und einer Begrenzung des Flächenverbrauchs mit Leben erfüllen.
Für Rückfragen:
Reinhard Scheuerlein, Regionalreferent für die Oberpfalz, Telefon 0175 462 55 98