Reichswaldbilanz 2007
Am Samstag, 14. Juli und Sonntag, 15. Juli 2007 findet zum 35. Mal das Reichswaldfest des Bundes Naturschutz (BN) gemeinsam mit dem Forstbetrieb Nürnberg, dem Amt für Landwirtschaft und Forsten Fürth und befreundeten Natur- und Umweltschutzverbänden am Schmausenbuck östlich des Nürnberger Tiergartens statt. Der Bund Naturschutz lädt dazu alle Waldfreundinnen, Gruppenwanderer, Waldläuferinnen, Mountainbiker, Kletterer, Kinder und Eltern, Umweltengagierte und Freunde gepflegten Biertrinkens und Bratwurstessens unter alten Eichen herzlich ein. Der Forstbetrieb Nürnberg und das Amt für Land- und Forstwirtschaft Fürth sind als Nachfolger des Forstamtes Nürnberg beim diesjährigen Reichswaldfest zum zweiten Mal als Mitveranstalter dabei.
Anlässlich des Reichswaldfestes zieht der Bund Naturschutz wie jedes Jahr Bilanz über die Niederlagen und Erfolge des Engagements für die "Grüne Lunge der Region".
2004 trat der Bund Naturschutz zusammen mit vielen tausend am Wald interessierten Bürgerinnen und Bürgern in der Region mit dem Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" an, um den Reichswald und den gesamten Wald Bayerns vor Fehlentwicklungen und Ausbeutung zu schützen. Seit zwei Jahren ist nun die damals nicht zu verhindernde Forstreform in Kraft. Nach dem ersten Reformschritt mit Auflösung der Forstämter und deutlicher Vergrößerung der Forstbetriebsfläche im Juli 2005 gibt es in ganz Mittelfranken nur noch drei Staatliche Forstbetriebe. Die negativen Auswirkungen der Reform waren schon in den letzten zwei Jahren in Form einiger, in den letzten Jahren nicht mehr gekannter massiver Kahlschläge und Bodenschäden zu sehen.Die eigentliche Bewährungsprobe besteht aber noch bevor, weil der zweite einschneidende Schritt, mit dem die Zahl der Forstreviere von 558 auf 370 in ganz Bayern reduziert wird, am 01. Juli 2007 in Kraft trat. Dadurch entstehen Forstreviere von 2000 bis 4000 ha, die nach Ansicht des BN nicht mehr naturnah und umweltschonend zu bewirtschaften sind.
Besonders kritisiert wird, dass die Staatsforsten große Waldflächen roden wollen, um die sog. Nebeneinkünfte durch Einnahmen aus dem Sandabbau deutlich zu steigern. „Das nennen wir Wald zu Geld machen“ kritisiert Hubert Weiger die waldfeindliche Entwicklung. Der Widerstand der ehemals selbstständigen Forstämter gegen waldzerschneidende Straßentrassen hat einem planerischen Begleiten Platz gemacht. Hier stehen demnächst Entscheidungen in Sachen Südumfahrung Buckenhof-Uttenreuth-Weiher, die Einleitung eines Verfahrens zur Nordspange am Flughafen und eine Planung im Wald beim Gewerbegebiet Nürnberg-Feucht an.
Konnte der BN noch vor wenigen Jahren Erfolge bei der Reduzierung der Eingriffsflächen melden, dreht sich der Wind soeben wieder. Mehr denn je kommt es deshalb auf das Engagement der Bürgerinnen und Bürger an, wenn unser gemeinsamer Erholungswald und die Grüne Lunge des Ballungsraumes nicht kurzfristiger Rendite zum Opfer fallen soll.
Sehr begrüßt werden die Konzepte des Staatsforstes, vermehrt Biotopbäume und Totholz im Wald stehen zu lassen, damit auch seltene Waldarten wie der Eremit, der Hirschkäfer oder der Mittelspecht ihren Lebensraum im Reichswald nicht verlieren. Im Rahmen eines Projektes der BN-Kreisgruppe Nürnberg-Stadt wurde nämlich festgestellt, dass alte Eichen, die als Lebensraum für Altwaldbewohner geeignet sind, im Reichswald mittlerweile sehr selten sind.
Erfreulich ist die weiter steigende Zahl der Unterstützerverbände und die anwachsende Präsentation durch Behörden beim 35. Reichswaldfest: Erstmalig beteiligen sich die Naturfreunde Bayern, der Landschaftspflegeverband Nürnberg e.V., der Zeidlerverein Nürnberg und Umgebung e.V. und das Umweltamt der Stadt mit jeweils einem Stand. Neu ist auch die Präsentation des Erfolgsprojektes "Sehnsucht Wildnis" der BN-Kreisgruppen im Großraum.
Wie bisher sind dabei die Jugendorganisation Bund Naturschutz mit großem Kinderprogramm, die BN-Kreisgruppe Nürnberg-Stadt, das BN-Kirschenprojekt (Kreisgruppe Erlangen), das Projekt SandAchse Franken, der Landesbund für Vogelschutz, der Verein Waldwichtel, die Pilzabteilung der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg e.V., der Fränkische Albverein, die Initiative Pro Bahn e.V., der ADFC, der VCD und das Waldprojekt der Drogenhilfe MUDRA.
Für Kinder und Jugendliche gibt es dieses Jahr erstmals die Möglichkeit, unter fachkundiger Betreuung der BN-Jugendbildungsstätte Wartaweil mit Helm und Seilen riesige Eichen zu erklettern.
Schwerpunkt der Informationsarbeit des BN liegt auf den Themen Wald, Gentechnik in Lebensmitteln und zum Wiedereinzug des Bibers in Bayern.
Die Hauptforderungen des BN zum Reichwaldfest 2007 sind:
"Hände weg vom Reichswald -
Stopp dem Kahlschlag für Südumfahrung, Nordspange und Querspange Gewerbegebiet Nürnberg-Feucht,
Reduzierung der geplanten Sandabbau-Vorranggebiete im Bannwald"
und
"Alle Hände voll zu tun -
Auflage eines neuen Waldumbauprogramms für den Reichswald,
Erhalt und Ausdehnung der Alteichenbestände durch Nutzungsverzicht und Ergänzung".
Kahlschlagwirtschaft darf nicht wiederkommen
Nach 30 Jahren Abkehr von der Waldboden- und Grundwasserschädigenden Form der Waldwirtschaft ist zwei Jahre nach der Forstreform festzustellen, dass flächige Waldnutzungen bis hin zu Kahlschlägen wieder zunehmen. Es gab sogar in einem in den letzten Jahren nicht mehr gekannten Ausmaß einige Kahlschläge im Staatsforst, sogar in Natura 2000-Gebieten wie im Nürnberger Reichswald, im Naabtal und auf der Riesalb sowie imBergwald bei Schloss Elmau. Dass die jeweils mehrere Hektar großen Kahlschläge in Vogelschutz- bzw. FFH-Gebieten dann auch noch teilweise in der Hauptbrutzeit durchgeführt wurden, wirft ein schlechtes Licht darauf, welchen Stellenwert die Naturschutzziele und der naturnahe Waldbau haben. Diese vom BN und den Unterstützerverbänden des Volksbegehrens "Aus Liebe zum Wald" prognostizierten Fehlentwicklungen sind somit bereits zwei Jahre nach Umsetzen der Forstreform Realität geworden. Verantwortlich hierfür sind nicht die Förster vor Ort, sondern die überzogenen Vorgaben des Vorstandes der Bayerischen Staatsforsten zu Gewinn und Maschineneinsatz. Positiv ist jedoch, dass nicht zuletzt auch aufgrund öffentlicher Kritik der Vorstand der Bayerischen Staatsforsteentsprechend reagiert hat und solche Negativfälle zukünftig abstellen will.
Deshalb fordert der Bund Naturschutz, dass die Staatsregierung korrigierend eingreift, damit die Ziele des bayerischen Waldgesetzes auch umgesetzt werden. Wir wollen keine Billigforstwirtschaft im Staatswald, sondern eine vorbildliche Waldwirtschaft.
Sandabbau auf großer Fläche geplant
Auch in den Zeiten der staatlichen Forstämter wurde immer wieder über die Regionalplanung der Industrieregion Mittelfranken Staatsforstfläche zur Rodung und nachfolgendem Sandabbau angemeldet. Die u.a. vom Bund Naturschutz dagegen organisierten Proteste waren zumeist erfolgreich (z.B. Waldgebiet "Herrnau" bei Altdorf, z.B. Waldgebiet bei Leinburg, das später sogar als Naturschutzgebiet "Flechtenkiefernwälder bei Leinburg" gesichert wurde). Nicht gelungen war es z.B. im Waldgebiet "Kreuzstein" bei Schwaig, wo seit Jahren Sand ausgebeutet wird.
Aktuell (2007) wurden vom neu geschaffenen Betrieb Bayerische Staatsforsten im Rahmen der Fortschreibung des Regionalplans vier große Sandabbau-Vorranggebiete mit einer Gesamtfläche von 164 Hektar angemeldet: Eines der Gebiete liegt z.B. in unmittelbarer Nähe zum beliebten Naherholungsgebiet "Birkensee", ein weiteres an der beliebten Röthenbachklamm (Herrnau), eines bei Ungelstetten und eines am Alten Kanal. Mit der geplanten Fortschreibung würde den wirtschaftlichen Interessen des nach der Forstreform auf Gewinnmaximierung ausgerichteten bayrischen Forstbetriebes Vorrang vor den ökologischen und gesundheitlichen Belangen eingeräumt werden.
Doch nicht nur der staatliche Forstbetrieb will die Axt anlegen: Allein vier weitere großflächige Sandabbauvorranggebiete hat die Fa. Faber-Castell Sandverwertung GMBH angemeldet. Drei liegen ebenfalls im mittelfränkischen Teil des Lorenzer Reichswaldes und des südlichen Reichswaldes, eines davon im Bereich Oberpfalz-Nord.
Alternativ fordert der BN die Reduzierung der Neubauvorhaben für Siedlungs- und Verkehrszwecke, das Besinnen auf Bestandserhalt und Wiedernutzung bei Gebäuden sowie Bauschuttrecycling und Nutzung des Materials als Baustoff. Durch die Proteste des BN 2007 konnte bereits eine Fläche aus dem Plan gestrichen werden.
Ist die Forstverwaltung zum Papiertiger geworden? Straßenbau durch den Staatsforst ohne Forstkritik
In und um Nürnberg ist der Wald durch Rodungen für Straßenbau akut gefährdet: Die geplante Südumfahrung der Orte Buckenhof, Uttenreuth und Weiher durch den Sebalder Reichswald bei Erlangen ist derzeit noch immer im Planfeststellungsverfahren. Mit einem Beschluss ist jederzeit zu rechnen. Der BN fordert statt dessen umweltfreundliche Alternativen wie die Stadt-Umland-Bahn. Er wird hier bei einer Baugenehmigung den Klageweg beschreiten und hofft auf fachliche Unterstützung. Doch die neugeschaffenen Ämter für Land- und Forstwirtschaft haben sich im Gegensatz zu den aufgelösten Forstämtern nicht für eine Walderhaltung ausgesprochen. Die früheren Forstämter hatten - da eigenständig - noch eine starke Position, die sie oft zum Nutzen des Waldschutzes ausfüllten. Damit hat sich auch hier eine Prognose der Unterstützer des Volksbegehrens bewahrheitet, dass der Waldschutz durch die Forstreform geschwächt wird.
Auch die sog. Nordspange zum Flughafen durch den Sebalder Reichswald bei Buchenbühl ist ebenfalls weiter in Planung. 2007 ist mit dem Beginn des Planfeststellungsverfahrens zu rechnen. Damit würde eine weitere Zerschneidung des Naherholungsgebietes nördlich des Flughafens vonstatten gehen. Auch hier hat der BN bereits im Raumordnungsverfahren fachlich fundierte Einwendungen vorgebracht. Diese wurden allerdings beiseite gewischt. der BN setzt dagegen auf die Förderung der U-Bahn und eine weiterhin ausreichende Erschließung des Flughafens über die Marienbergstraße-Flughafenstraße.
Eine weitere, erst Anfang 2007 bekannt gewordenen Planung betrifft den Lorenzer Reichswald bei Feucht. Hier wird eine Querspange von der Verbindungsstraße Nürnberg-Zollhaus nach Wendelstein eine Querspange durch den Wald zum Gewerbepark Nürnberg-Feucht geplant.
Es gibt auch positive Entwicklungen
Es gibt aber auch positive Entwicklungen im Zuge der Forstreform. So zeigen sich Verbesserungen, wie die erfreulich gestiegenen Investitionen für Pflanzungen oder verstärkte Bemühungen, ein innovatives Biotopbaum- und Totholzkonzept voranzubringen. Auch der Forstbetrieb Nürnberg ist bemüht, im Rahmen verschiedener Artenschutz- und Biotopschutzprojekte den Naturschutz im Reichswald zu verbessern. Dies betrifft z.B. zwei Projekte der BN-Kreisgruppe Erlangen im Rahmen der SandAchse Franken auf Dünen im Sebalder Reichswald bei Tennenlohe und bei Neunhof.
Reichswaldumbau muss weitergehen!
Seit 1972 wurde der Reichswald Stück für Stück durch die Forstbehörden erfolgreich ökologisch umgebaut und monotone Kiefernforste in standortgerechte und ökologisch stabile Mischwälder umgestaltet. Teile des „Steckerleswaldes“ sind inzwischen zu stattlichen Baumbeständen herangereift, unter deren Schutz der laubbaumreiche Mischwald für morgen heranwächst. „Dies sind sehr wichtige Investitionen in die Zukunft unserer Wälder. Beim Reichswaldfest 2003 haben wir das Erfolgsmodell Reichswaldprogramm gefeiert und gefordert, den Waldumbau auf ganz Bayern auszudehnen. Wir appellieren an den Forstbetrieb Nürnberg, diesen Waldumbau fortzusetzen und zu intensivieren“, so Hubert Weiger.
Reichswaldeichen retten!
Eichen gehören zu den markantesten Bäumen des Reichswalds. Gerade Alt-Eichen sind mit Baumhöhlen und toten Ästen ein Ort höchster Artenvielfalt im Wald. Eremit, Hirsch- und Rosenkäfer sind nur die bekanntesten der über 1.000 Tierarten, die an Alteichen leben können und die nicht zuletzt durch die FFH-Richtlinie der EU inzwischen einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Das Ergebnis der Alteichen-Studie des Bund Naturschutz Nürnberg zeigt auf, dass die aktuelle Lebensraum-Ausstattung im Nürnberger Reichswald die langfristige Existenz der geschützten Lebensgemeinschaften an Alteichen nicht sicherstellen kann.
Heute sind 4,5% der Bäume im Reichswald Eichen. Die Eichenvorkommen sind jedoch nicht gleichmäßig verteilt: Der Sebalder Reichswald weist den höchsten Eichenanteil auf. Der Südliche Reichswald, vom Tal der Schwarzach bis in den Raum Allersberg und Roth, ist sehr arm an Eichen-Vorkommen. Für die seltenen Holzkäfer eignen sich vor allem trockene und somit warme Standorte und die Bäume sollten mehr als 150 Jahre alt sein, um passende Mulmhöhlen bieten zu können. Ermittelt man den Anteil der Eichen mit einem Alter über 150 Jahre, so ergibt dies ca. 0,6% der Waldfläche. Die Bestände mit einem Alter über 200 Jahre sind extrem selten.
Um die alten Eichenbestände zu erweitern empfiehlt der Bund Naturschutz, dass 68 ha Waldfläche (von insgesamt mehr als 35.000 ha oder 0,2% Flächenanteil) mit wertvollsten Alteichen aus der Bewirtschaftung zu nehmen, zusätzlich müssen die ca. 150 ha (0,4% Flächenanteil) an Eichenvorkommen, die zwischen 100 und 150 Jahre alt sind, hin zu reifen Eichenbestände entwickelt werden. Auf weiteren 3,5% der Fläche des Reichswaldes steht mindestens eine Alteiche auf einer Fläche von 2 ha, die erhalten werden müssen. Hier ist das längerfristige Überdauern vereinzelter Populationen möglich. Dieses Netz muss auf die gesamte Fläche ausgedehnt und verdichtet werden. Der Bund Naturschutz hält eine Zahl von 10 Biotop-Bäumen pro ha für unverzichtbar, damit viele dieser hochbedrohten heimischen Waldarten auch im Reichswald gerettet werden können.
Reichswaldfest mit reichhaltigem Programm
Das Reichswaldfest stellt alljährlich einen Höhepunkt für die Waldschützerinnen und Waldschützer der Region dar. Es wird Bilanz gezogen, für den Wald eingestanden und gefeiert. Und dies auf einer der schönsten Lichtungen zwischen mächtigen Eichen am Fuß des Schmausenbuckturmes. Ein großes Kinderprogramm, Informationsangebote und kulinarische Köstlichkeiten aus ökologischem Anbau der Region machen das Reichswaldfest zum Familienereignis. Waldführungen ermöglichen einen Einblick in die heute vielfältigen Wäldervielfalt vor den Toren der Großstadt. Mit einem herrlichen Rundblick über den Reichswald und die Stadt werden alle Turmbezwinger belohnt. Den Festvortrag unter dem Titel "Die Bedeutung des Reichswaldes für den Ballungsraum Nürnberg und den Klimaschutz" hält am Samstag, 14. Juli 2007, um 15.00 Uhr der Bürgermeister der Stadt Nürnberg, Dr. Klemens Gsell, zum Thema "Waldschutz ist bester Klimaschutz" wird der BN-Landesvorsitzende, Prof. Dr. Hubert Weiger sprechen.
Mit dem ersten Reichswaldfest vor 34 Jahren begann das Ringen um den Erhalt der Waldes: „Rettet den Reichswald“ war die Kampfansage aller waldschützenden Bürgerinnen und Bürger an die Zerstörer des Reichswaldes. Davor war der Reichswald eines der am stärksten gefährdeten Waldgebiete Deutschlands.
für Rückfragen: Tom Konopka, Regionalreferent des Bundes Naturschutz
Fon. 0911/81 87 8-24, Mail tom.konopka@bund-naturschutz.de