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Siedlungsbrei statt Landschaftsschutz im Inntal ?

Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN) kritisiert Ausmaß und Auswirkungen des Flächenverbrauches und Gefahr für Landschaftsschutzgebiete am Beispiel des Inntals im Landkreis Rosenheim dar

23.07.2007

Ende Juni hat der Umweltausschuß des bayerischen Landtags mehrheitlich eine Petition des BN gegen die Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes Inntal abgelehnt. Das seit 1952 bestehende und schon mehrfach veränderte 4.667 ha große Landschaftsschutzgebiet soll vorsorglich (!) um rund 500 ha massiv verkleinert werden, um die weitere Bebauung nicht zu behindern.

„Gerade im Alpenvorland hat der Erhalt intakter Landschaft einen besondern Stellenwert, doch gerade auch hier nimmt der Flächenverbrauch durch neue Gewerbe- und Siedlungsgebiete und neue Straßen immer mehr zu.“ kritisierte Prof. Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN die aktuellen Entwicklungen. „Diese krebsartige Gebietsentwicklung hat mit einem organischen Wachstum nichts mehr zu tun.“

 

Das LSG Inntal soll deutlich verkleinert werden, um dort Gewerbegebiete anzusiedeln zu können: Konkret projektiert werden schon die Vergrößerung eines Gewerbegebiets in der Gemeinde Flintsbach oder die Neuausweisung eines Gewerbegebiets in Oberaudorf in mitten der zentralen Achse des Schutzgebietes direkt am Inn. Der Bund Naturschutz befürchtet mittelfristig eine Bebauung von vielen weiteren Flächen, die jetzt aus dem LSG herausgelöst werden und hat eine Petition eingereicht.

Jede Gemeinde versucht Spitzenreiter zu sein in einem gnadenlosen grenzüberschreitenden Wettbewerb, bei dem letztlich nur alle verlieren können – auch die Natur und damit auch unsere Heimat.

Der BN appelliert nun an den Kreistag, der Verkleinerung und Neudefinition des Landschaftsschutzgebietes nicht zuzustimmen und sich für den Erhalt der Landschaft im Inntal als Grundlage jeglichen Wirtschaftens einzusetzen.

Die Punkte, die der BN im Rahmen seiner Begehung kritisierte, waren folgende:

 

 1. Eulenau südl. Autobahnausfahrt Bad Aibling:
Geplantes Gewerbegebiet der Gemeinde Bad Feilnbach auf 70.000m², auf extensiv bewirtschafteten Wiesen, welches inmitten von Flächen des Bayerischen Arten- und Biotopschutzprogramms, von FFH- und Naturschutzgebieten und von nach dem bayerischen Naturschutzgesetz geschützten Flächen liegt.


Westlich des Inn:

2. Autobahnausfahrt Brannenburg (Degerndorf/Nussdorf):
Wasserübungsplatz Flintsbach der Bundeswehr am Inn soll Gewerbegebiet werden/Erweiterung des Logistikzentrum Firma Dettendorfer

3. Autobahnausfahrt Oberaudorf/Niederndorf: Geplantes Gewerbegebiet westlich der Autobahn und nördlich der Straße Oberaudorf/Niederndorf

4. Autobahnausfahrt Kiefersfelden: Geplantes Gewerbegebiet östlich der Bahnlinie und nördlich Kieferbach

Östlich des Inn:
5. Nussdorf: Neue Siedlungsflächen westlich und nördlich des Dorfes zwischen Inn und Staatsstraße

6. Neubeuern: Neues Siedlungsgebiet Neuwöhr bei Altenmarkt/ Fröschenthal

7. Rohrdorf: Neues Siedlungsgebiet südlich und nördlich von Gmein

8. Thansau: Neue Siedlungsfläche zwischen Thansau Süd und Thansau Zentrum

9. Thansau/Bockau: Erweiterung des Logistikzentrums Hamberger (Innstaustufe Rosenheim)

Gerade im Chiemgau ist der Flächenverbrauch überdurchschnittlich hoch. Während die Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche im Bayerischen Mittel zwischen 1980 und 2004 bei ca. 35 Prozent lag, wird dieser ohnehin schon hohe Wert im Chiemgau noch mal deutlich übertroffen. Im Landkreis Traunstein nahm die Siedlungs- und Verkehrsfläche innerhalb dieser 24 Jahre um 46 Prozent zu, im Landkreis Rosenheim um 44 Prozent. Ein Flächenverbrauch in diesem Tempo bedeutet, dass in nur ca. 50 Jahren so viel Fläche verbaut wird, wie in allen Generationen vorher zusammen.

Der Verlust von Freiflächen ist in dieser Region besonders erschreckend, da sie zu den ökologisch wertvollsten Regionen in Bayern gehört, im Berggebiet die vom Menschen nutzbare Talfläche ohnehin sehr begrenzt ist und die Landschaft des Chiemgaus die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutenden Tourismus darstellt.

 Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik

Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs hält der Bund Naturschutz folgende übergeordnete Leitziele für notwendig:

  1. Stabilisierung der Siedlungs- und Verkehrsfläche Bayerns bis 2010
  2. Zusammenschau von Bevölkerungsentwicklung und ökologischer Tragfähigkeit
  3. Umkehr der Beweislast bei Neubebauungen
  4. Verteuerung der Freiflächeninanspruchnahme
  5. Auslegung der Planungshoheit der Städte und Gemeinden als Grundverpflichtung zur Erhaltung der freien Landschaft

Für Rückfragen:

Bund Naturschutz Fachabteilung München
Dr. Christine Margraf
Pettenkoferstr. 10 a
80336 München
Tel: 089-548298-89
fa@bund-naturschutz.de

Bund Naturschutz Kreisgruppe Rosenheim
Ernst Böckler
Steinbökstraße 7
83022 Rosenheim
Tel: 08031-12882

bund.naturschutz@bnro.de

 

 

Anlage: Petition des BN

 

An den
Bayerischen Landtag
Ausschuss für Eingaben und Beschwerden
Maximilianeum

81627 München

Unser Zeichen   RO-Inntal/LSG/

vom                  07.02.2007

 

Änderung der Landschaftsschutzgebiets-Verordnung „Inntal“ des Landkreises Rosenheim

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 19.01.07 ist die erste Auslegung im Verfahren zur Abänderung des Landschaftsschutzgebietes „Inntal“ abgelaufen. Mit dieser Abänderung ist beabsichtigt, das seit 1952 bestehende Schutzgebiet unter dem neuen Namen Landschaftsschutzgebiet „Inntal Süd“ wesentlich zu verkleinern .

Das Abänderungsverfahren wird damit begründet, dass das seit 1952 bestehende und danach mehrfach durch Einzelherausnahmen veränderte Landschaftsschutzgebiet nunmehr nicht mehr den bestehenden Gegebenheiten entsprechen würde und deshalb angepasst werden müsste.

In der gültigen Kreisverordnung wurde das dem Naturschutzgesetz unterstellte Gebiet mit klaren und besonders für das Landschaftsbild nachvollziehbar unverwinkelten Grenzen festgelegt. Unter § 1 wurde berücksichtigt, dass durch diese klare konsequente Grenzziehung auch dicht besiedelte Ortsteile eingeschlossen wurden, so dass diese ausdrücklich aus der Schutzverordnung ausgenommen wurden.

Mit der geplanten Abänderung sollen nun sämtliche derartigen Ortsteile durch eine entsprechende Grenzziehung detailliert aufgezeigt werden - aus der Schutzzone waren sie schon bisher ausgenommen. Durch diese neue Grenzziehung entstehen im Vergleich zur bisherigen Festlegung oft sehr zerklüftete Grenzgebilde. Da die Grenzziehung somit unruhig geworden ist, fällt weniger auf, dass etliche Gemeinden die Gelegenheit nutzen wollen, um erstmals riesige geschlossene Flächen aus der noch freien Schutzzone  vorwiegend für Gewerbegebiete herauszulösen. Das Landschaftsschutzgebiet soll als frei verfügbare Ressource für  jeweilige Planungsabsichten in den Gemeinden eingesetzt werden:

  1. Die Gemeinden Flintsbach und Brannenburg  wollen eine große Ausbuchtung weit hinein in die freie Blickachse des geschützten Landschaftsbildes und unterlaufen damit  den Schutzzweck der gültigen wie auch der geplanten Kreisverordnung.
  2. Die Gemeinde Flintsbach plant die wesentliche Vergrößerung eines Gewerbegebietes, das bislang inselartig durch bloße Befreiung rechtswidrig mitten im Landschaftsschutzgebiet direkt am Inn eingerichtet wurde (Stellungnahme des Bayer. Innenministeriums vom 1.6.99 an den Präsidenten des Bayer. Landtags).
  3. Die Gemeinde Nußdorf plant  die Herausnahme aus dem Landschaftsschutzgebiet eines Gebietes  in der Größenordnung  von der Hälfte des gesamten bisherigen Ortsumfangs.
  4. Die Gemeinde Oberaudorf  plant ebenfalls wie Flintsbach die inselartige Einrichtung eines Gewerbegebietes mitten in der zentralen Achse des Schutzgebietes direkt am Inn.  

Diese Aufhebungen des Schutzgebietsstatus zu dem Zweck, den Weg für eine Bauleitplanung frei zu machen, sind naturschutzrechtlich nicht erforderlich und rechtswidrig. Sie widersprechen den Zielen der Art. 1 und Art. 10 BNatSchG und dem § 1 BBauG .

Sie werden auch nicht durch  eine Abwägung zugunsten  der Planungsabsichten der Gemeinden gerechtfertigt. Besonders die Gemeinden Brannenburg und Flintsbach  verfügen über  weit in die Zukunft reichende Möglichkeiten ausserhalb des Schutzgebietes. Diese Gemeinden könnten und sollten u.a. gemeinsam das in Bälde zur Verfügung stehende frei werdende Bundeswehrgelände am Standort Brannenburg über rund 20 ha beplanen und für eine neue Nutzung sorgen.

Die fehlende Abwägung der Gemeinden und deren Einschätzung des Schutzgebietes als freie Verfügungsmasse beweist  der jüngste Gemeinderatsbeschluss von Brannenburg am 9.1.07 , mit dem die riesengroße Zone zwischen Eisenbahn und Autobahn in Form eines Sperrriegels im laufenden Verfahren noch zusätzlich zur bisher ausgelegten Version herausgenommen werden soll. Diese Behandlung und Verfügungsallmacht  über  ein Landschaftsschutzgebiet zeigt  auf, welche einseitige Bewertung seitens Gemeinden  einem gesetzlich geschützten Gebiet  zugedacht wird.

Da aus den Gemeinden verlautet, die jetzt veröffentlichten wesentlichen Einschränkungen des Landschaftsschutzgebietes seien bereits sämtlich mit dem Landratsamt Rosenheim abgesprochen, ist zu befürchten, dass dementsprechend entschieden wird und  diesem wertvollen und einmaligen Gebiet ein entscheidender Aderlass droht.

Den Planungen der Herausnahme entgegen steht die Alpenkonvention. Art. 11 der Alpenkonvention, Protokoll Naturschutz und Landschaftspflege, verpflichtet die unterzeichnenden Staaten, bestehende Schutzgebiete zu  erhalten.

Die Eingabe an den Bayerischen Landtag beinhaltet deshalb die dringende Bitte , das höher liegende Recht  der Alpenkonvention (Protokoll Naturschutz und Landschaftspflege, Art. 11: Schutzgebiete), ratifiziert  von der Bayerischen Staatsregierung, formuliert in Artikel 11, gegenüber den unausgewogenen Planungsabsichten etlicher Gemeinden einzuhalten und den beabsichtigten benannten Herausnahmen aus dem Landschaftsschutzgebiet nicht zuzustimmen.

Der einzig wirklich neue Anlaß, die Landschaftsschutzgebiets-Verordnung zu ändern, wurde in der vorliegenden Änderung nicht umgesetzt: die Aufnahme der Schutzziele, die sich durch die mittlerweile für Teilgebiete erfolgte Ausweisung als FFH-Gebiete zwingend ergibt. Es handelt sich somit eindeutig um eine einseitig zu Lasten des Naturschutzes gehende Verschlechterung des Schutzgebietes.

Sollten die Verpflichtungen aus der Alpenkonvention nicht umgesetzt und dagegen den Sonderinteressen vor Ort Vorrang erteilt werden, wäre jegliche internationale Schutzvereinbarung Makulatur. Wir möchten Sie bitten, mit uns dafür einzutreten, dass  es auch in 50 Jahren noch schützenswerte Landschaft und Natur besonders in jetzt noch dafür vorgesehenen geschützten einmaligen Gegenden gibt und nicht nur mit Gewerbezonen und Siedlungsbrei zerstückelte Reste. Damit auch unsere Nachfahren eine intakte Landschaft vorfinden, wie sie gerade für den Tourismus im Alpenvorland höchst bedeutsam ist.

Mit freundlichen Grüßen

 

Richard Mergner

Landesbeauftragter