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Spatenstich für Biber-Plattform bei Bad Brückenau

Eine Aussichtsplattform und ein Lehrpfad im Sinntal bei Bad Brückenau informieren künftig über den Biber, seine ökologische Bedeutung und seine Leistungen für den dezentralen Hochwasserschutz. Den Spatenstich zu den beiden Projekten unter dem Motto „Biber-Wasser-Welt Sinntal“ setzten heute der Bayerische Naturschutzfonds, der Landkreis Bad Kissingen und der BUND Naturschutz (BN).

17.12.2015

Der Lehrpfad ist kombiniert  mit einem ebenfalls in Bau befindlichen Biberfreigehege im Tierpark Klaushof bei Bad Kissingen. Die Projekte am Klaushof und im Sinntal gehören zu den größten neuen Naturerfahrungsangeboten Nordbayerns. Sie informieren nicht nur über die faszinierende Tierart, sondern werben auch für eine konstruktive Konfliktlösung zwischen Biber und Landnutzern. Neben dem landesweiten Informationsangebot zur Bedeutung von naturnahen Auen und der Schlüsselart Biber sollen sie entsprechende andere Naturerfahrungsangebote in der Region und im Zusammenhang mit dem Biosphärenreservat Rhön vernetzen und stärken. Der Bayerische Naturschutzfonds fördert daher das 640.000 Euro umfassende Gesamtprojekt (Sinntal 172.000 Euro, Biberfreigehege Klaushof 468.000 Euro) mit 90 Prozent, eine Trägergemeinschaft aus BN, Freunde des Wildpark Klaushof e. V. und dem Landkreis Bad Kissingen übernimmt den Eigenanteil von zehn Prozent. Bis zum Juni 2016 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.

DIE WELT DES BIBERS BEOBACHTEN UND ERLEBEN

Diese "Biber-Wildnis" am Stadtrand von Bad Brückenau wird zusammen mit einem neuen Biberfreigehege - der Spatenstich erfolgte am 19.10.2015 - im kommunalen Wildtierpark Klaushof bei Bad Kissingen zentraler Teil des neuen Projektes "Die Welt des Bibers beobachten und erleben". Es handelt sich um ein landesweit relevantes Informationsangebot zum Thema Biber, Auenrenaturierung und Bibermanagement. Es soll einer breiten Öffentlichkeit den Biber und sein Wirken im Naturhaushalt näher bringen. Mit im Boot sind viele Akteure aus der Region, unter ihnen die Universität Würzburg mit dem Lehrstuhl Didaktik der Biologie, die mit Studenten die Informationsmaterialien entwickelt.

Im Sinntal am Stadtrand von Bad Brückenau wird ein Rundweg mit Informationstafeln und Aussichtplattform informieren, wie der Biber sich und anderen Tier- und Pflanzenarten aktiv neue Lebensräume im Wirkungsgefüge der Auenlandschaft schafft und eine Renaturierung der Aue eingeleitet hat. Ein "Biber-Balkon", eine Holzplattform in Form der Biber-Kelle, soll einen weiten Ausblick über die Wasserwelt des Bibers bieten. Hier steht das unmittelbare Erlebnis der vom Biber geschaffenen Landschaft und seiner Spuren im Vordergrund. Im Wildpark Klaushof soll der Biber in einem naturnahen Freigehege mit begehbarer Biberburg direkt aus der Nähe beobachtet werden können. Eine derartige Kombination aus beobachtender Freiland- wie aktiver Wildpark-Erlebnismöglichkeiten für Besucher jeden Alters zu einer der Schlüsselarten im Naturschutz existiert bisher in Bayern noch nicht.

Das Sinntal - ein bayernweit bedeutender Wildbach

Das Sinntal, am Südwestrand der Rhön gelegen, zählt zu den längsten, weitgehend noch intakten Bachökosystemen Bayerns. Es ist Lebensraum für den Eisvogel, Schwarzstorch, Wasseramsel, Steinkrebs, Bachneunauge, Äsche und den Biber. Über viele Jahre hatte die BN-Kreisgruppe Bad Kissingen die Flora und Fauna der Sinn erfasst. 2000 erfolgten durch den BN eine Gewässerstrukturgütekartierung und die Erstellung eines Entwicklungs- und Pflegekonzeptes. Dies war die Basis für die Gründung der "Sinnallianz" im Jahr 2002: Fischer, Landwirte, Wasserwirtschaftsamt, Untere und Höhere Naturschutzbehörde sowie die Stadt Bad Brückenau führten eine modellhafte Kooperation zur Renaturierung der Sinn durch. Ziel war es, den naturnahen Hochwasserschutz zu verbessern und die Artenvielfalt zu vergrößern.

Eine zentrale Rolle spielte bei dem Projekt die Renaturierung des Fließgewässers, wobei die Zielsetzung "Breitwasser statt Hochwasser" lautete. Mit tatkräftiger Unterstützung des Wasserwirtschaftsamtes Schweinfurt wurden Querverbauungen und Schwellen zurückgebaut, Versteinungen des Ufers reduziert, Uferanbrüche oft nicht mehr verfüllt und umgestürzte Bäume im Wasser belassen. Auf diese Weise vergrößerte sich der Gewässerdurchschnitt, es entstanden mehr Flachwasserzonen, Kies- und Sandbänke.

Bis heute sind mit Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds 45 Hektar Biotop- und Grünlandflächen entlang des Oberlaufes der Sinn vom BN erworben worden. Aufgekaufte Wiesen zwischen Oberbach und Wildflecken dürfen bei Hochwasser voll Wasser laufen und dienen als Rückhalteflächen. Andere Flächen entwickeln sich zum Auwald mit Eschen, Erlen und Weiden. Ein Teil der gekauften Flächen (16 Hektar) bringt der BN in ein ganzjähriges Beweidungsprojekt im Bereich Eckarts und Wernarz ein, in dem Landwirte mit verschiedenen Rinderrassen naturverträglich die Auenlandschaft pflegen.

Ein Herzstück des Sinntalprojektes sind 10 Hektar vom Biber gestaltete, seit ca. sieben Jahren aus der Nutzung genommene Wildnisflächen unmittelbar südwestlich des Staatsbades Brückenau. Das Gelände hat sich mittlerweile zu einer Oase für viele bedrohte Tierarten entwickelt und wird durch den Lehrpfad und die Aussichtplattform zu einem überregionalen Anziehungspunkt für Naturinteressierte und Kurgäste.

Biber als "Baumeister" für die Artenvielfalt an Gewässern

Biber sind unsere wichtigsten Verbündeten, um den fortschreitenden Verlust bedrohter Tier- und Pflanzenarten zu verhindern. Keine zweite Tierart schafft anderen Pflanzen und Tierarten so viel Lebensraum. Vom Biber angelegte Feuchtgebiete sind viel artenreicher und kostengünstiger als jedes vom Menschen angelegte Biotop. In Zeiten der Klimaveränderung ist der Wasserrückhalt durch den Biber ebenfalls unverzichtbar.

Zahlreiche Untersuchungen in Mittelfranken, an der Isar, in der Rhön oder der Eifel belegen, dass Fauna und Flora deutlich und schnell von der Auenrevitalisierung, die durch die Tätigkeiten des größten europäischen Nagetieres in Gang gebracht wird, profitieren. In Franken wurden für insgesamt 73 wertgebende Tier- und Pflanzenarten positive Effekte der Biberaktivität nachgewiesen. Diese positiven Effekte des Bibers wirken dauerhaft - solange, wie die Bibertätigkeit anhält.

Viele besonders anspruchsvolle Tierarten wie Wasserralle, Eisvogel, Laubfrosch, Elritze, Grüne Keiljungfer, Schwarze Heidelibelle und Kleine Pechlibelle nutzen ganz gezielt durch die Biberaktivität neu entstandene bzw. renaturierte Habitate. Von besonderer Bedeutung sind dabei neu aufgestaute, extrem struktur- und pflanzenreiche Flachgewässer, die Auflichtung und Strukturierung dichter Ufer- und Auengehölze, das durch Biber erheblich gesteigerte Totholzangebot im und am Wasser, aber auch neuentstandene naturnahe Weidengebüsche und zahlreiche vegetationsfreie Stellen an Dämmen, Transportgräben und Ausstiegen der Biber. Die Biberaktivitäten schaffen ein kleinräumiges, permanentes Nebeneinander unterschiedlicher offener und zugewachsener Bereiche und ermöglichen damit sowohl Pionierarten als auch Bewohnern reiferer Gewässer das Überleben.

Artenzahlen vervielfachen sich im Biberrevier rasant

Für die Nahrungsketten und für die typischen Lebensräume besonders wichtige Arten (Grasfrosch, Grünfrösche, diverse Heide- und Kleinlibellen; Röhrichtbrüter) entwickeln in von Bibern umgestalteten Bereichen große Populationen. An Waldbächen vervielfacht sich durch Bibereinfluss die Anzahl von Libellenarten, z.B. von 4 Arten vor dem Auftreten des Bibers auf 29 nach der Biber-Rückkehr. 18 der 19 in Deutschland heimischen Amphibienarten, gut die Hälfte der in Deutschland heimischen Libellen und 116 Vogelarten konnten bislang in Biberteichen nachgewiesen werden und finden dort die besten Fortpflanzungsmöglichkeiten überhaupt in der Landschaft. Überdies schaffen Biberaktivitäten einen idealen Biotopverbund entlang von Gewässern, der auch Grünlandbewohnern Korridore durch geschlossene Waldgebiete und ausgeräumte Agrarlandschaften eröffnet.

Fische profitieren vom Biber durch Totholz im Wasser, durch zusätzliche Laichplätze, Verstecke und mehr Nahrung. So findet sich an Biberdämmen eine fünffach höhere Dichte an Insekten als in der offenen Wasserfläche. An Biberburgen findet sich eine 80-fach erhöhte Fischdichte als im restlichen Gewässer. Bei Freising wurde die Verdoppelung der Fischartenzahl von 9 auf 18 im nach Einwandern des Bibers in den Bach festgestellt. Untersuchungen des Landesfischereiverbandes Bayern zeigen, dass sich in einem Bachabschnitt ohne Biber 20 Bachforellen pro km, mit Biber aber 120 Bachforellen pro km befinden.

Bei allen untersuchten Tiergruppen war ein schneller Anstieg der Artenvielfalt und der Bestandsdichte festzustellen. Der Biber hat einen enormen Nutzen für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität und ist eine "Schlüsselart" für die Artenvielfalt der Gewässerökosysteme!

Biberschutz ist Trinkwasser- und Hochwasserschutz

Diese Untersuchungen belegen, dass Biber ein unverzichtbarer Bestandteil der bayerischen Natur sind. Biber haben seit rund 15. Mio. Jahren ganz Europa besiedelt und die Gewässerlandschaften vom Polarkreis bis zum Mittelmeer entscheidend geprägt und mitgestaltet. Allein in Bayern wird der ursprüngliche Biberbestand auf bis zu 100.000 Tiere geschätzt. Jeder Bach, jeder Fluss und jede Auenlandschaft waren "Biberland". Alle anderen Wasserbewohner waren eng an die typischen Bibergewässer angepasst oder sogar auf diese angewiesen. Kein Wunder, dass sie jetzt so schnell und positiv auf die Rückkehr des Baumeisters reagieren!

Die Erreichung von staatlichen Zielen wie Förderung der Biodiversität und des dezentralen Hochwasserschutzes wird nach Auffassung des BN ohne das segensreiche Wirken von Bibern nicht zu verwirklichen sein. Deswegen fordert der BN ungenutzte Pufferstreifen an allen Fließgewässern, da 90% der Konflikte mit Bibern in einem zehn Meter breiten Streifen entlang des Ufers entstehen. Diese "Knautschzonen für die Gewässer" sind entscheidend für den Schutz vor Schlamm-, Nährstoff- und Pestizideintrag und deswegen in anderen Bundesländern seit langem gesetzlich vorgeschrieben - nur nicht in Bayern.

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