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Tiere und Pflanzen

Standortübungsplatz Schweinheim - Arche Noah der Artenvielfalt

Truppenübungsplatz soll Naturschutzgebiet werden

15.02.2008

Der Standortübungsplatz Schweinheim hat sich aufgrund des Verzichts auf Pestizid- und Düngereinsatz, aber auch durch die speziellen Gegebenheiten des militärischen Übungsbetriebes auf großer Fläche zu einer wahren „Arche Noah“ entwickelt.

Für den Arten- und Naturschutz und  für die gesamte Region stellt dieses Gebiet ein absolutes Highlight dar.

Grundlage für den Tier- und Pflanzenartenreichtum am Standortübungsplatz ist die Vielfalt an Lebensräumen und Strukturen, die von vegetationsarmen, sandig-trockenen oder feuchten Standorten mit Tümpeln, Sandmagerrasen und Ruderalfluren über Gebüsche und Baumgruppen hin bis zu einer Bestockung mit Kiefern und Mischwald reichen.

Die Artenfülle, besonders das Vorkommen extrem seltener Arten, unterstreichen den Wert des Standortübungsplatzes als Lebensraum und Rückzugsgebiet für viele Tierarten.

 

„Die Unterschutzstellung und Ausweisung als Naturschutzgebiet muss umgehend erfolgen“, fordert Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes Naturschutz. „Dies wäre ein wichtiger Beitrag Bayerns zur Sicherung der Biodiversität“, so Gerhard Radl, Vorsitzender der Kreisgruppe Aschaffenburg.

 

Hier sind fast 50% aller bayerischen Amphibien- und Fledermausarten vertreten, darunter die Rote-Liste-Arten: Gelbbauchunke, Kreuzkröte, Laubfrosch; Abendsegler, Kleinabendsegler, Bechsteinfledermaus, Fransenfledermaus und Rauhhautfledermaus.

 

Fünf seltene Vogelarten der Roten Liste konnten nachgewiesen werden, darunter drei FFH-Arten: der Neuntöter und die vom Aussterben bedrohten Heidelerche und Steinkauz.

 

Mit 22 Libellenarten kommt ein Drittel des bayerischen Artenspektrums hier vor. Davon allein vier Rote-Liste-Arten. Darunter die sehr gefährdete Kleine Moosjungfer, eine speziell an saure Standortverhältnisse angepasste Moorlibelle.

 

Ein Viertel der bayerischen Heuschreckenarten lebt hier.

 

Von den 20 nachgewiesenen Arten sind 8 ( 40%!) in der Rote Listen verzeichnet, darunter das vom Aussterben bedrohte Weinhähnchen und die Sumpfschrecke.

 

22 Tagfalterarten, davon fünf der Roten Liste, sind im Sommerhalbjahr in den Feucht- und Trockenstandorten zu finden. Darunter die europaweit gefährdeten  Wiesenknopf-Ameisenbläulinge und der Mädesüß-Perlmuttfalter.

 

Besonders beeindruckend ist der Artenreichtum bei Bienen und Wespen:

71 Wildbienen- und 49 Grabwespenarten, darunter fünf Arten der Roten Liste sind hier vertreten. Mit der bayernweit bereits als ausgestorben geglaubten Kuckucksbienenart Nomada similis und der vom Aussterben bedrohten Wildbiene Melitta tricincta, haben sie zum Teil lan­desweite Bedeutung.

 

Obwohl viele Tierarten noch nicht kartiert sind, bzw. die Ergebnisse noch nicht zugänglich sind, unterstreichen allein die bisher über 40 bekannten Arten der Roten Liste die Ausnahmestellung des Gebietes.

 

In der Arten- und Biotopschutzkartierung der Stadt Aschaffenburg wird deshalb auch auf die europaweite Bedeutung des Geländes für den Arten- und Biotopschutz hingewiesen.

 

Zahlreiche Arten profitierten bisher von der militärischen Nutzung, da diese häufige Bodenverletzungen bewirkt und Rohbodenstandorte für viele Pionierarten geschaffen hat.

 

Durch die geplante Aufgabe der militärischen Nutzung ist dieses ökologische Kleinod bedroht.

Es besteht damit auch die Gefahr, dass ein unersetzliches Naherholungsgebiet verloren geht.

 

Das militärische Übungsgelände hat potenziell eine sehr hohe Bedeutung für die stadtnahe Erholung insbesondere für den Stadtteil Schweinheim. Da in absehbarer Zukunft der militärische Betrieb eingestellt wird, hätte der Standortübungsplatz aufgrund seiner Größe und Naturnähe eine herausragende Bedeutung für die Naherholung. Hier können in einem weitgehend ungestörten Raum Pflanzen und Tiere und ihre Beziehungen zur Umwelt erlebt und beobachtet werden. Daher sollte dieser Lebensraum auch in Zukunft als Lebens- und Erholungsraum für Mensch und Tier erhalten werden. Besonders störungsempfindliche Bereiche wie z.B. die ehemalige Sandgrube sollten jedoch vor einer zu intensiven Erholungsnutzung geschützt werden.

 

Um den Verlust dieser „Arche Noah“ zu verhindern, hat der BN einen Antrag auf Unterschutzstellung des Schweinheimer Truppenübungsplatzes im Juli 2007 Oberbürgermeister Herzog und der Höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Unterfranken überreicht.

 

Große Eile ist geboten, da bereits jetzt erste Schäden feststellbar sind - leider auch im Kernbereich. So werden die wertvollen Biotope in der ehemaligen Sandgrube, wo sich das letzte Vorkommen des Laubfrosches in Stadt und Landkreis Aschaffenburg befindet, von der Goldrute überwuchert.

 

Deshalb hält es der BN für dringend notwendig, umfassende Pflegemaßnahmen einzuleiten und das Gebiet vor anderen Zugriffen zu sichern.

 

Nach Auffassung des BN sind v. a. folgende Maßnahmen vordringlich:

 

·       Erhaltung des Exerzierplatzes als unbebaute, stadtnahe Fläche für Ressourcen- und Arten- und Biotopschutz, Erholung und Wissenschaft.

·       Naturschutzrechtliche Sicherung des Exerzierplatzes nach Aufgabe der militärischen Nutzung, Schutz und Erhaltung der wertvollen Biotopflächen, Durchführung von Pflegemaßnahmen, die die Eigenart und strukturelle Vielfalt des Gebietes bewahren.

·       Verhinderung von Eingriffen, die Grundwasser und Boden gefährden und zerstören (Verfüllungen, Ablagerungen, Befestigung von Lagerplätzen); Beseitigung des abgelagerten Bauschutts.

·       Das Gebiet des Exerzierplatzes ist eine von intensiver Landwirtschaft bisher verschonte Zone. Die bisherige Bewirtschaftung sollte deshalb imitiert und optimiert werden, die Umwandlung von Gründland in Ackerland, eine Veränderung des Bodenprofils und die Entwässerung unterbunden werden.

·       Im gesamten Schutzgebiet müssen Düngung, das Ausbringen von Gülle und der Einsatz von Pestiziden unterbleiben.

·       Lenkung der Erholungssuchenden durch ein Wegekonzept zur Vermeidung der Beeinträchtigung der Lebensräume und der sensiblen Arten, sobald das Betreten des Geländes erlaubt ist. Z. B. Anlegen von Naturlehrpfaden mit Beobachtungsmöglichkeiten (z.B. Aussichtsturm).

·       Für den bewaldeten Bereich Erhaltung und Wiederherstellung von nassen Senken zur Förderung des Biotop- und Strukturreichtums im Wald, insbesondere in Bereichen mit Vorkommen der Gelbbauchunke. Einzelstammweise Nutzung mit der Möglichkeit des optimalen Ausreifens der wertvollen Stämme.

Optimierung der Nichtholzbodenfläche für Ziele des Arten- und Biotopschutzes.

·       Erhaltung der Kleingewässer, Feuchtflächen, Quellen und Tümpel und deren Pflege.

·       Kartierung der für den Arten- und Biotopschutz bedeutsamen Kleinstrukturen und Berücksichtigung dieser in der Bewirtschaftung.

·       Für die ehemalige Sandgrube eine Aufstellung von Pflegeplänen und die Durchführung von Pflegemaßnahmen (z. B. Beseitigung von unerwünschtem Gehölz- und Pflanzenaufwuchs) sowie die Sicherung gegen Störung und Gefährdung von außen.

·       Für den Rohbodenstandort in der Schießanlage eine Aufstellung von Pflegeplänen und die Durchführung von Pflegemaßnahmen (Freistellung von Verbuschung und Verzicht auf Verfüllung und Rekultivierung (Aufforstung und Bepflanzung).

 

Der Bund Naturschutz appelliert deshalb an die Stadt Aschaffenburg und an die Regierung von Unterfranken, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass diese unersetzliche „Arche Noah“ in ihrem Zustand gesetzlich geschützt wird und damit auch die Voraussetzungen für umfassende Schutz-, Pflege- und Lenkungsmaßnahmen geschaffen werden.