Streuobstwiesen - Kostbarkeiten unserer Kulturlandschaft
Traditionell bewirtschaftete Obstwiesen mit großkronigen Bäumen prägten über Jahrhunderte v. a. in Franken das Bild der Kulturlandschaft.
Sie liefern nicht nur schmackhaftes Obst für vielfältige Verwendungszwecke, sondern besitzen auch eine große Bedeutung für den Arten-, Grundwasser-, Klima- und Landschaftsschutz, aber auch für den Tourismus.
Trotzdem sind Streuobstwiesen nach wie vor in ihrem Bestand bedroht. Der Bund Naturschutz will deshalb erreichen, dass sich die Pflege und Nutzung von Streuobstbeständen auch wirtschaftlich wieder lohnt.
Wichtige Partner sind hierbei u. a. Gemeinden, Keltereien, Landschaftspflegeverbände, staatliche Behörden und Landwirte.
Echte Zukunftschancen haben Obstwiesen aber v. a., wenn sich beim Einkauf für VerbraucherInnen bewust für Streuobstprodukte (z.B. Apfelsaft) entscheiden bzw. gezielt danach fragen.
Paradiese aus Menschenhand
Streuobstbestände sind keine „Urlandschaften“, sondern wurden vom Menschen geschaffen.
Durch die Kombination von „Baum“ und „Wiese“, eine Bewirtschaftung ohne Intensivdünger und Spritzmitteleinsatz und eine hohe Strukturvielfalt (z.B. Blüten, Baumhöhlen, Wiesenkräuter) entstanden quasi nebenbei optimale Lebensbedingungen für viele seltene Tier- und Pflanzenarten, wie Steinkauz, Wendehals, Wiedehopf, Siebenschläfer oder Abendsegler.
Ein einziger Apfelbaum bietet Lebensraum für 1.000 wirbellose Tierarten. 40 verschiedene Vogelarten wurden in Streuobstwiesen gezählt. Die bunt blühenden Wiesen beherbergen 5.000 – 6.000 verschiedene Tierarten.
Streuobstwiesen sind angesichts der Nutzungsintensivierung in der Landwirtschaft oft letzte Refugien für bedrohte Arten, gleichzeitig aber auch unersetzliche Trittsteine und zentrale Elemente für die landesweite Biotopvernetzung.
Wertvolles Kulturerbe
Schon vor Jahrhunderten wurden Streuobstwiesen und sogar Streuobstäcker angelegt, um die Bevölkerung mit Obst, Saft, Most, Marmelade, Dörrobst und Honig (Bienenweide) zu versorgen – gerade auch in den Wintermonaten.
Viele Äcker und Wiesen waren mit Obstbäumen bepflanzt, Obstbaumalleen säumten die Landstraßen, breite Obstbaumgürtel umgaben die Ortschaften.
Streuobstbestände mit ihren über 1.000 Obstsorten sind damit Zeugnisse einer jahrhundertealten naturschonenden Landbewirtschaftung und Teil unseresKulturerbes.
Klangvolle Namen zeugen noch heute von der Wertschätzung vieler Generationen: Ob „Kaiser Wilhelm“, „Paradiesapfel“ oder „Pastorenbirne“ – sie haben nur im Streuobstbau eine Zukunftschance.
Genuss für alle Sinne
Streuobstwiesen bieten aufgrund ihrer großen Sortenvielfalt nicht nur unvergleichliche Gaumenfreuden – ob als Tafelobst, Apfelwein oder Birnenmost, als Zwetschgenschnaps, Dörrobst oder Kirschlikör.
Sie bereichern auch das Bild unserer Kulturlandschaft und tragen v. a. zur Blüte- und Erntezeit zur Attraktivität vieler Naherholungsgebiete und bekannter Fremdenverkehrszentren (z.B. Fränkische Schweiz) bei.
Umwelt- & Klimaschutz als Zugabe
Streuobstwiesen werden i. d. Regel ohne Intensivdünger- und Spritzmitteleinsatz bewirtschaftet –sie dienen damit auch dem Grundwasserschutz.
Das Wurzelsystem der Bäume, Gräser und Wiesenkräuter verhindert v. a. in Hanglagen Erosionsschäden; Streuobstbestände wirken aber auch als Windschutz und Frischluftproduzenten für umliegende Ortschaften.
Drechsler, Musikinstrumentenbauer und Möbeltischler haben die optisch attraktiven und dauerhaften Obsthölzer als begehrte Alternative zum Tropenholz wiederentdeckt. Auf klimaschädliche Ferntransporte kann so verzichtet und gleichzeitig ein wirksamer Beitrag zum Schutz der unersetzlichen Tropenwälder geleistet werden.
Spekulanten, Bürokraten und Plantagenbesitzer
Trotz der vielen Vorteile sind Streuobstbestände auch nach Abschluss der Flurbereinigungs- und Rodungswelle der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts in ihrem Bestand bedroht:
- Noch immer werden dort bevorzugt Bau-/Gewerbegebiete ausgewiesen
- Die Streuobstvermarktung scheitert häufig an den einseitig auf äußere „Schönheit“ und Mindestgrößen ausgerichteten EU-Handelsklassenvor-schriften
- Viele VerbraucherInnen bevorzugen nach wie vor das optisch scheinbar makellose, zu allen Jahreszeiten verfügbare, aber i.d. Regel mit hohem Dünger- und Spritzmitteleinsatz erzeugte Plantagenobst.
Das leise Sterben
Die übermächtige Konkurrenz des Plantagenobstes, aber auch die Billigimporte von Obst und Konzentraten für die (Apfel-) Saftherstellung führen zu Dumpingpreisen beim Streuobst (tlw. nur 3-6 EURO/Doppelzentner).
Auf Dauer fehlt damit jeder ökonomische Anreiz, die Pflege (z.B. Baumschnitt) und Nutzung der großkronigen Obstbäume weiterzuführen.
Über Jahre vernachlässigte Bestände brechen aber vorzeitig zusammen.
Wo bei den Obstwiesenbesitzern kein Nutzungsinteresse mehr vorhanden ist, wird die Obstwiese umso leichter vorschnellem Profitstreben geopfert.
Erfolge und Verbündete
Bereits 1984 hat der Bund Naturschutz durch eine Landtagseingabe erreicht, dass es staatliche Förderprogramme für die Besitzer von Streuobstbeständen gibt und auch für die Neuanpflanzung ein Zuschuss gezahlt wird.
Kreis- und Ortsgruppen des Bundes Naturschutz organisieren die Pflege überalterter Bestände, vermitteln Obstbaumpatenschaften und ermöglichen über „Streuobstbörsen“ (z.B. Bamberg und Würzburg) die Direktvermarktung.
Immer wieder stellen Gemeinden Flächen für die Neuanlage von Streuobstwiesen zur Verfügung oder legen sogar einen Streuobstlehrpfad an
(z.B. Gemeinde Hausen/Rhön).
Die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher
Förderprogramme und Einzelaktionen reichen nicht aus, Streuobstwiesen echte Zukunftschancen zu geben
Die entscheidende Trendwende kann erfolgen, wenn
- sich Verbraucher der besonderen Qualitäten von Obst- und Obstprodukten aus Streuobstwiesen wieder bewusst werden,
- sie gezielt solche Produkte aus der Region beim Einkauf bevorzugen
- wieder vermehrt die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Streuobst für eine abwechslungsreiche und gesunde Küche entdeckt werden.
Landschaft, die schmeckt
Schon wegen der geschmacklichen Vielfalt lohnt es sich, die vielfältigen, heute kaum mehr genutzten Verwendungsmöglichkeiten der vielen Streuobstsorten wieder zu entdecken:
* gegen den Durst: Apfelsaft und Apfelwein
* für die Küche: Birnschnitz und Apfelessig
* als Wintervorrat: Hutzeln, Dörrzwetschgen, Mus und Marmelade
* für gemütliche Winternachmittage oder -abende:
Backäpfel, Pflaumenlikör, Birnengeist
* für fruchtige Schmausereien:
Apfel-Bauerntopf und Käse-Birnen
Selbstgemachte Streuobstköstlichkeiten sind zudem auch hochgeschätzte Geschenke bzw. Mitbringsel.
Entsprechende Rezepte gibt es mittlerweile in zahlreichen Broschüren, Kochbüchern und Zeitschriften
Natur- und Landschaftsschutz mit dem Einkaufzettel
Über die Zukunft der Streuobstwiesen und damit auch über den Freizeitwert vieler Gemeinden und die Attraktivität zahlreicher Naherholungsgebiete entscheidet jeder von uns bei seinem Einkauf.
Saisonal, regional, ökologisch - werden diese drei Kriterien zur Leitlinie für das tägliche Einkaufsverhalten des Verbrauchers, gibt es auch für Streuobstwiesen eine echte Zukunftschance.
Deshalb ruft der BN zu einer landesweiten Verbraucherinitiative zur Erhaltung der Streuobstwiesen auf und appelliert an alle gesundheits- und umweltbewussten Bürgerinnen und Bürger:
¨ Kaufen Sie nicht das EU-genormte Plantagenobst oder Billiggetränke, sondern entscheiden Sie sich beim Einkauf von Obst und Obstprodukten (v. a. Obstsäfte) bewusst für Erzeugnisse aus Streuobstwiesen und fragen Sie gezielt auf dem Wochenmarkt oder im Bioladen danach, aber auch in ihrem Supermarkt danach.
¨ Kaufen Sie Ihr (Streu-)Obst möglichst direkt beim Besitzer von Streuobstwiesen.
Viele Orts- und Kreisgruppen des BN haben Streuobstbörsen eingerichtet und vermitteln Adressen.
¨ Legen Sie sich einen Obstvorrat für den Winter an - das bringt die notwendigen Absatzmengen und hilft gleichzeitig, unnötige Einkaufsfahrten für kleine Mengen zu vermeiden.
¨ Verwenden Sie möglichst regional erzeugtes Obst entsprechend dem saisonalen Angebot.
Das hilft, unnötige Transportwege sparen und ist aktiver Klimaschutz.
(Apfel-)Safttrinker sind nicht nur Naturschützer, sie sind auch Klimaschützer – vorausgesetzt, das dafür verwendete Obst stammt aus heimischen Streuobstwiesen.
Natur-, Klima- und Landschaftsschutz, der schmeckt und von dem jeder Verbraucher auch selbst profitiert -– ob bei seiner Gesundheit oder durch die Erhaltung von (Nah-)Erholungsgebieten mit einem reich strukturierten Landschaftsbild.
für Rückfragen: Helmut Schultheiß, Regionalreferent für Unterfranken und die Oberpfalz
Tel. 0911/81878-13 / Fax: 0911-86956
Messe-Telefon: 0173-4466553
helmut.schultheiss(at)bund-naturschutz.de