Talauen-Projekt: Musterbeispiel für dezentralen Hochwasserschutz
Bei der Pressefahrt forderte der BN neben den bekannten Klimaschutzzielen ein landesweites Programm für kleine, landschaftsangepasste, kommunale Grünbecken mit neuen Förderrichtlinien, die nicht nur auf ein 100-jähriges Hochwasserereignis bezogen sind. Nach Auffassung des BN-Vorsitzenden Hubert Weiger „braucht jede bayerische Kommune derartige Wasserrückhaltung im Oberlauf der Gewässer. Der Klimawandel führt zur Verschärfung der Hochwassersituation und zu häufigeren Starkregen. Neben mehr Platz für Hochwässer durch Deichrückverlegung an den großen Flüssen braucht der Hochwasserschutz in Bayern dringend ein dichtes Netz dezentraler Wasserrückhaltung bereits im Oberlauf der kleinen Bäche und Flüsse!“ Das Talauenprojekt zeigt, so Günter Krell, Sprecher des BN-Arbeitskreises Wasser, „wie Hochwasserschutz und Renaturierung zum Wohl von Mensch und Natur verknüpft werden können. Der Freistaat sollte dringend seine Fördermöglichkeiten ändern, um allen Gemeinden den Bau derartiger Grünbecken zu ermöglichen!“
Das Projektgebiet liegt in Mittelfranken, im Landkreis Neustadt/Aisch - Bad Windsheim und umfasst die Gemeinden Scheinfeld, Markt Bibart, Sugenheim, Markt Nordheim, Langenfeld, Baudenbach, Münchsteinach, Markt Taschendorf und Oberscheinfeld. Das engere Projektgebiet bilden die Talauen mit einem zusammenhängenden Gewässernetz von kleineren und größeren Bächen wie die Scheine, der Laimbach, die Bibart, die Ehe, der Geroldsbach, die Steinach und der Kleinen Weisach, sowie deren Zuflüsse.
Da die beteiligten Gemeinden durch ihre Bachtäler miteinander verbunden sind, wurde vom BUND Naturschutz im Rahmen der LEADER-Aktivitäten ein Biotopverbundkonzept mit dem Namen "Lebensadern für Mensch und Natur im Südlichen Steigerwald" erarbeitet, bei dem die Talauen die Ausgangsbasis bilden.
Landesweit einmaliges GemeinschaftsProjekt
Auslöser für das von Rudolf Kolerus, damals Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Scheinfeld, initiierte Talauenprojekt waren die starken Hochwässer 1993 und 1995, die ganze Tallandschaften überfluteten und gescheiterte Renaturierungsversuche. Es entwickelte sich ein landesweit einmaliges Gemeinschaftsprojekt von Kommunen, Amt für Ländliche Entwicklung Ansbach, Wasserwirtschaftsamt Ansbach, Landschaftspflegeverband Mittelfranken, Landwirten und BN für dezentralen Hochwasserschutz, Renaturierung von Fließgewässern, sanften Tourismus und regionale Wirtschaftskreisläufe.
Besondere Bedeutung haben die Anlage mehrerer landschaftsangepasster Grünbecken - speziell gegen plötzliche Niederschlagsereignisse. Folgende Projekte der Kommunen, die unter der Regie des Landschaftspflegeverbands Mittelfranken umgesetzt wurden, sind dabei zu nennen:
- Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Rumpelsgraben" bei Grappertshofen - Stadt Scheinfeld (3 Becken mit ca. 12.000 m³ Rückhaltevolumen).
- Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Gänsgrabens" bei Schnodsenbach - Stadt Scheinfeld (2 Becken mit ca. 20.000 m³ Rückhaltevolumen).
- Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Biegenbaches" bei Krassolzheim - Markt Sugenheim (2 Becken mit ca. 10.000 m³ Rückhaltevolumen).
- Renaturierung der "Kleinen Ehe" zwischen Ingolstadt und Krassolzheim
- Anlage eines Landschaftsweihers bei Krautostheim
- Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Geroldsbaches" bei Markt Nordheim (1 Becken mit ca. 15.000 m³ Rückhaltevolumen, das gleichzeitig als Landschaftssee und Naturerlebnisgelände dient).
Zudem konnten mit einer freiwilligen Bodenordnung in Langenfeld eine große Hochwasser Rückhaltung errichtet werden und entlang von Laimbach, Bibart und Scheine Uferstreifen auf einer Länge von über 10 km erworben und anschließend neue Auenlandschaften, einschließlich Fischtreppen, angelegt werden. Für den Freistaat Bayern wurden im Verfahren insgesamt 41 ha Uferstreifen und gewässernahe Flächen ausgewiesen. Ein besonderer Dank gilt allen Landwirten, die bei diesem Projekt freiwillig bereit waren mitzumachen!
Ursachen von Starkregen bekämpfen, dezentralen Hochwasserschutz stärken
Der BN fordert auf Basis der Erfahrungen im Raum Scheinfeld angesichts der häufigeren Starkregen neue Konzepte für mehr Bodenschutz und einen dezentralen flächigen Hochwasserschutz. Es kann keinen hundertprozentigen Schutz vor plötzlichem Hochwasser durch Starkregen geben, aber es kann eine ganze Menge getan werden, an den Ursachen etwas zu ändern, die Hochwässer abzubremsen und das Ausmaß der Schäden zu reduzieren.
Der BN fordert:
- Ein Förderprogramm des Freistaates für landschaftsangepasste, kleine, kommunale Grünbecken mit neuen Förderrichtlinien, die nicht nur auf ein 100-jähriges Hochwasserereignis bezogen sind ("HQ100").
- Einen landesweit gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen von mindestens fünf Metern Breite zum Schutz der heimischen Fischwelt, der Artenvielfalt und der Hochwasserprävention.
- Grünland muss erhalten und wieder verstärkt gefördert werden, besonders in erosionsgefährdeten Lagen und in Überschwemmungsgebieten. Ackerflächen in erosionsgefährdeten Hanglagen müssen in Grünland rückgeführt werden.
- Um den Wasserabfluss in erosionsgefährdeten Lagen zu verringern bzw. zu verlangsamen, muss vor allem der Anteil dauerhaft bodendeckender Kulturen erhöht, und der Anteil von erosionsanfälligen Kulturen, wie insbesondere Mais - dessen Anbau sich von 1965-2010 in Bayern verzehnfacht hat - reduziert werden. Auf Maisäckern liegt bis weit in den Sommer der Ackerboden offen. So spült es mit dem Starkregen auch wertvollen Boden ab - zum Hochwasser kommt die Schlammflut!
- Wo der Biber die Gewässer umgestaltet und Feuchtgebiete schafft, ist dies zuzulassen, da sich auch darin Wasser sammelt und auf breiterer Fläche versickert oder zumindest verzögert nach unten abgegeben wird.
- Die Landschaft braucht wieder mehr Strukturen wie Hecken, Säume oder Brachstreifen ("Flurbereicherung"), die das Wasser bremsen und die Bodenpartikel aus dem abfließenden Wasser auskämmen.
- Deutliche Verringerung des in Bayern nach wie vor viel zu hohen Flächenverbrauchs und der Bodenversiegelungen durch Baugebiete und Straßenprojekte. Täglich werden in Bayern 10,8 ha Fläche versiegelt. Bei Neuversiegelungen findet der Ausgleich "Entsiegelung" so gut wie nie statt. Das Verbot der Neu-Bebauung in Überschwemmungsgebieten ist ausnahmslos umzusetzen, um den Aufbau neuer Risiken zu vermeiden.
- Hochwasser braucht mehr natürlichen Überflutungsraum, um in der Aue breit fließen können ("Breitwasser statt Hochwasser"). In Bayern sind an den großen Flüssen stellenweise > 90% der natürlichen Überflutungsräume durch Kanalisierung und Deichbau verloren gegangen. Wo immer es geht, müssen Deiche zurückverlegt werden und dem Wasser wieder Raum gegeben werden.
Für Rückfragen
Richard Mergner
Landesbeauftragter
BUND Naturschutz in Bayern e.V.
Tel. 01 71 / 6 39 43 70
richard.mergner@bund-naturschutz.de